Urteilskopf

123 II 279

32. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Juli 1997 i.S. H. gegen Bundesamt für Polizeiwesen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 279

BGE 123 II 279 S. 279

Aufgrund eines Fahndungsersuchens von Interpol Wiesbaden wurde der deutsche Staatsangehörige H. am 1. Februar 1997 bei seiner Einreise in die Schweiz beim Zollamt Diepoldsau festgenommen. Am 4. Februar 1997 erliess das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) gegen H. einen Auslieferungshaftbefehl, dies gestützt auf einen Haftbefehl des Amtsgerichts Landshut/D vom 4. Juli 1996 wegen Diebstahls, begangen am 12. November 1995 in Velden/A und am 18. November 1995 in Feldkirchen/A. Mit Beschwerde vom 7. Februar 1997 beantragte H. der Anklagekammer des Bundesgerichts, seine Auslieferung nach Deutschland abzulehnen und ihn aus der Haft zu entlassen. Mit Entscheid vom 20. Februar 1997 wies die Anklagekammer die Beschwerde ab, soweit auf sie einzutreten war.
BGE 123 II 279 S. 280

Am 6. März 1997 ersuchte das bayerische Staatsministerium der Justiz gestützt auf den genannten Haftbefehl vom 4. Juli 1996 sowie die Urteile des Landgerichts Traunstein vom 19. Juli 1990 und des Landgerichts München I vom 19. Februar 1993 um Auslieferung H.s zur Strafverfolgung bzw. -vollstreckung. Am 17. März 1997 wurde der Verfolgte im Zusammenhang mit dem Auslieferungsbegehren einvernommen. Er erklärte, an sich bereit zu sein, freiwillig in jedes der Bundesländer Deutschlands zu gehen, nicht aber nach Bayern, da er, falls er dort in den Vollzug käme, gemäss bereits erhaltenen Drohungen um sein Leben zu fürchten oder schwere Misshandlungen zu erwarten hätte, nachdem er der Anstaltsleitung im Gefängnis in der Schweiz vertrauliche Informationen darüber habe zukommen lassen, wie eine im Strafvollzug tätige ausländische Drogenbande aufgehoben werden könne. Mit einer vereinfachten Auslieferung im Sinne von Art. 54
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 54 Vereinfachte Auslieferung - 1 Gibt der Verfolgte einer Justizbehörde zu Protokoll, dass er auf die Durchführung des Auslieferungsverfahrens verzichtet, so bewilligt das BJ die Übergabe, wenn keine besonderen Bedenken bestehen.
1    Gibt der Verfolgte einer Justizbehörde zu Protokoll, dass er auf die Durchführung des Auslieferungsverfahrens verzichtet, so bewilligt das BJ die Übergabe, wenn keine besonderen Bedenken bestehen.
2    Der Verzicht kann widerrufen werden, solange das BJ die Übergabe nicht bewilligt hat.
3    Die vereinfachte Auslieferung hat die Wirkungen einer Auslieferung und unterliegt denselben Bedingungen. Der ersuchende Staat muss darauf aufmerksam gemacht werden.
IRSG (SR 351.1) sei er also nur einverstanden, wenn er nicht an die Justiz des Bundeslandes Bayern ausgeliefert werde, da er kein Vertrauen in die dortige Justiz habe. Unter diesen Umständen sah das BAP von einer vereinfachten Auslieferung ab. Mit Eingabe vom 14. April 1997 wandte sich auch der dem Verfolgten beigeordnete amtliche Anwalt gegen eine Auslieferung. Am 25. April 1997 bewilligte das BAP die Auslieferung an Deutschland für die dem Begehren vom 6. März 1997 zugrundeliegenden Straftaten. Mit Eingabe vom 28. Mai 1997 erhob H. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Begehren, der Entscheid vom 25. April 1997 sei aufzuheben; er, H., sei aus der Auslieferungshaft zu entlassen, und es sei ihm die Ausreise zu seiner Lebensgefährtin nach Tschechien zu bewilligen, vorzugsweise per Flugzeug. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Erwägungen

aus folgender Erwägung:

2. a) Die Auslieferungsvoraussetzungen namentlich nach Art. 2
IR 0.353.1 Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957
EAUe Art. 2 Auslieferungsfähige strafbare Handlungen - 1. Ausgeliefert wird wegen Handlungen, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt oder eine sichernde Massnahme angeordnet worden, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen.
1    Ausgeliefert wird wegen Handlungen, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt oder eine sichernde Massnahme angeordnet worden, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen.
2    Betrifft das Auslieferungsersuchen mehrere verschiedene Handlungen, von denen jede sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme bedroht ist, einige aber die Bedingung hinsichtlich des Strafmasses nicht erfüllen, so ist der ersuchte Staat berechtigt, die Auslieferung auch wegen dieser Handlungen zu bewilligen. Dieses Recht gilt auch bei Handlungen, die nur mit Geldsanktionen bedroht sind.3
3    Jede Vertragspartei, deren Rechtsvorschriften die Auslieferung wegen bestimmter, in Ziffer 1 erwähnter strafbarer Handlungen nicht zulassen, kann für sich selbst die Anwendung des Übereinkommens auf diese strafbaren Handlungen ausschliessen.
4    Jede Vertragspartei, die von dem in Ziffer 3 vorgesehenen Recht Gebrauch machen will, notifiziert dem Generalsekretär des Europarats bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde entweder eine Liste der strafbaren Handlungen, derentwegen die Auslieferung zulässig ist, oder eine Liste der strafbaren Handlungen, derentwegen die Auslieferung ausgeschlossen ist; sie gibt hierbei die gesetzlichen Bestimmungen an, welche die Auslieferung zulassen oder ausschliessen. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt diese Listen den anderen Unterzeichnerstaaten.
5    Wird in der Folge die Auslieferung wegen anderer strafbarer Handlungen durch die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei ausgeschlossen, so notifiziert diese den Ausschluss dem Generalsekretär des Europarats, der die anderen Unterzeichnerstaaten davon in Kenntnis setzt. Diese Notifikation wird erst mit Ablauf von drei Monaten nach dem Zeitpunkt ihres Eingangs bei dem Generalsekretär wirksam.
6    Jede Vertragspartei, die von dem in Ziffer 4 und 5 vorgesehenen Recht Gebrauch gemacht hat, kann jederzeit die Anwendung dieses Übereinkommens auf strafbare Handlungen erstrecken, die davon ausgeschlossen waren. Sie notifiziert diese Änderungen dem Generalsekretär des Europarats, der sie den anderen Unterzeichnerstaaten mitteilt.
7    Jede Vertragspartei kann hinsichtlich der auf Grund dieses Artikels von der Anwendung des Übereinkommens ausgeschlossenen strafbaren Handlungen den Grundsatz der Gegenseitigkeit anwenden.
und 12
IR 0.353.1 Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957
EAUe Art. 12 Ersuchen und Unterlagen - 1. Das Ersuchen wird schriftlich abgefasst. Es wird vom Justizministerium oder einer anderen zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei an das Justizministerium oder eine andere zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei gerichtet. Jeder Staat, der eine andere zuständige Behörde als das Justizministerium bezeichnen möchte, notifiziert dem Generalsekretär des Europarats bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde seine zuständige Behörde sowie alle späteren Änderungen in Bezug auf seine zuständige Behörde.
1    Das Ersuchen wird schriftlich abgefasst. Es wird vom Justizministerium oder einer anderen zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei an das Justizministerium oder eine andere zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei gerichtet. Jeder Staat, der eine andere zuständige Behörde als das Justizministerium bezeichnen möchte, notifiziert dem Generalsekretär des Europarats bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde seine zuständige Behörde sowie alle späteren Änderungen in Bezug auf seine zuständige Behörde.
2    Dem Ersuchen sind beizufügen:
a  eine Abschrift eines vollstreckbaren verurteilenden Erkenntnisses, eines Haftbefehls oder jeder anderen, nach den Formvorschriften der ersuchenden Vertragspartei ausgestellten Urkunde mit gleicher Rechtswirkung;
b  eine Darstellung der Handlungen, derentwegen um Auslieferung ersucht wird. Zeit und Ort ihrer Begehung sowie ihre rechtliche Würdigung unter Bezugnahme auf die anwendbaren Gesetzesbestimmungen einschliesslich der Verjährungsvorschriften sind so genau wie möglich anzugeben;
c  eine Abschrift der anwendbaren Gesetzesbestimmungen oder, sofern dies nicht möglich ist, eine Erklärung über das anwendbare Recht sowie eine möglichst genaue Beschreibung der Person, um deren Auslieferung ersucht wird, und alle anderen zur Feststellung ihrer Identität, ihrer Staatsangehörigkeit und ihres Aufenthaltsorts geeigneten Angaben.
des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (EAUe, SR 0.353.1) sind unbestrittenermassen erfüllt, ebenso diejenigen gemäss dem zwischen der Schweiz und Deutschland abgeschlossenen Zusatzvertrag (namentlich Art. II und V ZV, SR 0.353.913.61). Sodann ist keiner der im EAUe ausdrücklich genannten Verweigerungsgründe gegeben. Der Beschwerdeführer selber hätte sich denn auch mit einer vereinfachten Auslieferung nach Art. 54
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 54 Vereinfachte Auslieferung - 1 Gibt der Verfolgte einer Justizbehörde zu Protokoll, dass er auf die Durchführung des Auslieferungsverfahrens verzichtet, so bewilligt das BJ die Übergabe, wenn keine besonderen Bedenken bestehen.
1    Gibt der Verfolgte einer Justizbehörde zu Protokoll, dass er auf die Durchführung des Auslieferungsverfahrens verzichtet, so bewilligt das BJ die Übergabe, wenn keine besonderen Bedenken bestehen.
2    Der Verzicht kann widerrufen werden, solange das BJ die Übergabe nicht bewilligt hat.
3    Die vereinfachte Auslieferung hat die Wirkungen einer Auslieferung und unterliegt denselben Bedingungen. Der ersuchende Staat muss darauf aufmerksam gemacht werden.
IRSG einverstanden erklärt
BGE 123 II 279 S. 281

(jedenfalls anlässlich seiner Befragung am 17. März 1997), falls die Bewilligung von der Bedingung abhängig gemacht worden wäre, dass er nicht an das Bundesland Bayern ausgeliefert werde. Erst über seinen Rechtsvertreter liess er hernach zunächst gegenüber dem BAP und nunmehr vor Bundesgericht geltend machen, dem Auslieferungsbegehren sei aus verschiedenen andern Gründen nicht zu entsprechen. Er habe sich seit dem 1. November 1995 bei seiner Lebensgefährtin in Tschechien aufgehalten, was durch verschiedene Zeugen bestätigt werden könne. Verhalte es sich aber so, so könne er nicht als Täter der ihm für die Zeit vom 12.-18. November 1995 angelasteten Delikte in Frage kommen; eventualiter seien durch das BAP die gemäss Art. 53
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 53 Alibibeweis - 1 Behauptet der Verfolgte, beweisen zu können, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war, so nimmt das BJ die gebotenen Abklärungen vor.
1    Behauptet der Verfolgte, beweisen zu können, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war, so nimmt das BJ die gebotenen Abklärungen vor.
2    In klaren Fällen wird die Auslieferung verweigert. Andernfalls wird der ersuchende Staat unter Vorlage der entlastenden Beweise aufgefordert, innert kurzer Frist zu erklären, ob er das Ersuchen aufrechterhalten will.
IRSG gebotenen Abklärungen zur Erhärtung des Alibibeweises vorzunehmen. Sei er aber nicht der Täter hinsichtlich der letztgenannten Delikte, so sei der Haftbefehl vom 4. Juli 1996 ungültig. Sodann seien die Voraussetzungen gemäss Art. 35
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 35 Auslieferungsdelikte - 1 Die Auslieferung ist zulässig, wenn nach den Unterlagen des Ersuchens die Tat:
1    Die Auslieferung ist zulässig, wenn nach den Unterlagen des Ersuchens die Tat:
a  nach dem Recht sowohl der Schweiz als auch des ersuchenden Staates mit einer freiheitsbeschränkenden Sanktion im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Sanktion bedroht ist; und
b  nicht der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterliegt.
2    Bei der Beurteilung der Strafbarkeit nach schweizerischem Recht werden nicht berücksichtigt:
a  dessen besondere Schuldformen und Strafbarkeitsbedingungen;
b  die Bedingungen des persönlichen und zeitlichen Geltungsbereichs des Strafgesetzbuches84 und des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 192785 hinsichtlich der Strafvorschriften über Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.86
IRSG bezüglich der Höhe des in Frage stehenden Strafmasses nicht erfüllt, wenn die von ihm, dem Beschwerdeführer, lediglich noch zu verbüssende Reststrafe in Betracht gezogen werde; die Auslieferung sei daher auch im Lichte von Art. 7 Abs. 2
IR 0.353.1 Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957
EAUe Art. 7 Begehungsort - 1. Der ersuchte Staat kann die Auslieferung des Verfolgten wegen einer strafbaren Handlung ablehnen, die nach seinen Rechtsvorschriften ganz oder zum Teil auf seinem Hoheitsgebiet oder an einem diesem gleichgestellten Ort begangen worden ist.
1    Der ersuchte Staat kann die Auslieferung des Verfolgten wegen einer strafbaren Handlung ablehnen, die nach seinen Rechtsvorschriften ganz oder zum Teil auf seinem Hoheitsgebiet oder an einem diesem gleichgestellten Ort begangen worden ist.
2    Ist die strafbare Handlung, die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegt, ausserhalb des Hoheitsgebiets des ersuchenden Staates begangen worden, so kann die Auslieferung nur abgelehnt werden, wenn die Rechtsvorschriften des ersuchten Staates die Verfolgung einer ausserhalb seines Hoheitsgebiets begangenen strafbaren Handlung gleicher Art oder die Auslieferung wegen der strafbaren Handlung nicht zulassen, die Gegenstand des Ersuchens ist.
EAUe und überdies in Anwendung von Art. 4
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 4 - Ein Ersuchen wird abgelehnt, wenn die Bedeutung der Tat die Durchführung des Verfahrens nicht rechtfertigt.
IRSG abzulehnen, da eine Deliktsumme von weniger als Fr. 5'000.-- zur Diskussion stehe. Aufgrund des Umstandes, dass bei einer Auslieferung nach Bayern Mitgefangene ihn töten oder misshandeln würden, nachdem er den Behörden in der Schweiz vertrauliche Angaben zur Aufdeckung einer Drogenhändlerbande erteilt habe, sei die Auslieferung auch im Lichte von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK und Art. 37
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 37 Ablehnung - 1 Die Auslieferung kann abgelehnt werden, wenn die Schweiz die Verfolgung der Tat oder die Vollstreckung des ausländischen Strafentscheides übernehmen kann und dies im Hinblick auf die soziale Wiedereingliederung des Verfolgten angezeigt erscheint.
1    Die Auslieferung kann abgelehnt werden, wenn die Schweiz die Verfolgung der Tat oder die Vollstreckung des ausländischen Strafentscheides übernehmen kann und dies im Hinblick auf die soziale Wiedereingliederung des Verfolgten angezeigt erscheint.
2    Die Auslieferung wird abgelehnt, wenn dem Ersuchen ein Abwesenheitsurteil zugrunde liegt und im vorausgegangenen Verfahren nicht die Mindestrechte der Verteidigung gewahrt worden sind, die anerkanntermassen jedem einer strafbaren Handlung Beschuldigten zustehen; ausgenommen sind Fälle, in denen der ersuchende Staat eine als ausreichend erachtete Zusicherung gibt, dem Verfolgten das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren zu gewährleisten, in dem die Rechte der Verteidigung gewahrt werden.87
3    Die Auslieferung wird auch abgelehnt, wenn der ersuchende Staat keine Gewähr bietet, dass der Verfolgte im ersuchenden Staat nicht zum Tode verurteilt oder dass eine bereits verhängte Todesstrafe nicht vollstreckt wird oder der Verfolgte nicht einer Behandlung unterworfen wird, die seine körperliche Integrität beeinträchtigt.88
IRSG abzulehnen. Im Falle einer Bewilligung der Auslieferung nach Bayern sei er fest entschlossen, seinem Leben ein Ende zu setzen; schon jetzt sei sein Gesundheitszustand kritisch, da er sich seit mehreren Wochen im Hungerstreik befinde. Da kein anderes Bundesland als Bayern über seine bedingte Entlassung nach 2/3 der Strafe verfügen könne, dürfte es sich erübrigen, eine Auslieferung mit einer Auflage zu gestatten, d.h. beispielsweise mit der Bedingung, der Strafvollzug dürfe nicht im Bundesland Bayern erfolgen. b) Das Bundesgericht ist grundsätzlich an die Sachdarstellung im Auslieferungsbegehren gebunden. Es ist Aufgabe des ausländischen Sachrichters, sich über das Bestehen dieser Tatsachen und über die Schuld des Verfolgten auszusprechen. Ausnahmen von diesem Grundsatz rechtfertigen sich nur, wenn es darum geht, einer offensichtlich unschuldigen Person die Unbill des Strafverfahrens zu ersparen (BGE 122 II 373 E. 1c; BGE 109 Ib 60 E. 5a und 317 E. 11b).
BGE 123 II 279 S. 282

Das gilt auch für den besonderen Fall des Alibibeweises, der in Art. 53
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 53 Alibibeweis - 1 Behauptet der Verfolgte, beweisen zu können, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war, so nimmt das BJ die gebotenen Abklärungen vor.
1    Behauptet der Verfolgte, beweisen zu können, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war, so nimmt das BJ die gebotenen Abklärungen vor.
2    In klaren Fällen wird die Auslieferung verweigert. Andernfalls wird der ersuchende Staat unter Vorlage der entlastenden Beweise aufgefordert, innert kurzer Frist zu erklären, ob er das Ersuchen aufrechterhalten will.
IRSG vorgesehen ist. Dieser steht an sich trotz dem in Art. 1
IR 0.353.1 Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957
EAUe Art. 1 Auslieferungsverpflichtung - Die Vertragsparteien verpflichten sich, gemäss den nachstehenden Vorschriften und Bedingungen einander die Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Massnahme gesucht werden.
EAUe verankerten Grundsatz der Auslieferungspflicht auch im Rahmen eines nach diesem Abkommen durchgeführten Auslieferungsverfahrens offen (s. BGE 113 Ib 276 E. 3c). Der Alibibeweis kann indes nur mit dem Nachweis geführt werden, zur fraglichen Zeit (überhaupt) nicht am Tatort gewesen zu sein. Dieser Nachweis ist unverzüglich und ohne Weiterungen zu erbringen, damit der Verfolgte sich zu entlasten und die Auslieferung zu verhindern vermag (s. BGE 122 II 373 E. 1c; BGE 113 Ib 276 E. 3b; BGE 112 Ib 215 E. 5b; HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953, S. 234). Sind bei einem angerufenen Zeugen des angeblichen Alibis Zweifel über die Glaubwürdigkeit nicht zum vornherein ausgeschlossen, so ist das Alibi nicht ohne Verzug nachgewiesen (BGE 113 Ib 281; BGE 112 Ib 347 E. 4). Solche Zweifel sind hier nicht zum vornherein von der Hand zu weisen, zumal die vom Beschwerdeführer zu den Akten gegebenen Bestätigungen von ihm nahestehenden Bezugspersonen abgegeben worden sind und nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich dabei um blosse Gefälligkeitserklärungen handelt. Abgesehen davon treffen die genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall aber ohnehin auch deswegen nicht zu, weil das Auslieferungsbegehren verschiedene Tatvorwürfe enthält und ein Alibi nur für einen Teil dieser Vorwürfe geltend gemacht wird, nämlich nur für die in der Zeit vom 12.-18. November 1995 verübten Delikte, nicht aber für diejenigen, die den ebenfalls Gegenstand des Auslieferungsbegehrens bildenden zwei Urteilen zugrundeliegen. Ein bloss partieller Alibibeweis, also ein solcher, der sich nur auf einen Teil des Auslieferungsersuchens bezieht, ist unerheblich, wie die Vorinstanz zu Recht erwogen hat (s. nicht publizierte Urteile des Bundesgerichts vom 19. Februar 1996 i.S. M., vom 17. November 1994 i.S. G.). Die Rüge der Verletzung von Art. 53
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 53 Alibibeweis - 1 Behauptet der Verfolgte, beweisen zu können, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war, so nimmt das BJ die gebotenen Abklärungen vor.
1    Behauptet der Verfolgte, beweisen zu können, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war, so nimmt das BJ die gebotenen Abklärungen vor.
2    In klaren Fällen wird die Auslieferung verweigert. Andernfalls wird der ersuchende Staat unter Vorlage der entlastenden Beweise aufgefordert, innert kurzer Frist zu erklären, ob er das Ersuchen aufrechterhalten will.
IRSG geht unter diesen Umständen fehl. Weitere Abklärungen im Sinne dieser Bestimmung sind nicht vorzunehmen. Auch ist unter den dargelegten Umständen nicht ersichtlich, inwiefern der vom Beschwerdeführer kritisierte Haftbefehl vom 4. Juli 1996 ungültig sein soll. c) Wie das BAP sodann zutreffend festgestellt hat, ist hier unerheblich, wie schwerwiegend die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte sind bzw. wie hoch die noch zu verbüssende Reststrafe
BGE 123 II 279 S. 283

ist. Massgebend sind der Tatvorwurf (hier in erster Linie qualifizierter - bandenmässiger und gewerbsmässiger - Diebstahl) und die dafür angedrohte bzw. ausgesprochene Strafe. Ist wie im vorliegenden Fall bereits eine Verurteilung erfolgt, so muss die Strafe nach Art. 2 Ziff. 1
IR 0.353.1 Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957
EAUe Art. 2 Auslieferungsfähige strafbare Handlungen - 1. Ausgeliefert wird wegen Handlungen, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt oder eine sichernde Massnahme angeordnet worden, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen.
1    Ausgeliefert wird wegen Handlungen, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt oder eine sichernde Massnahme angeordnet worden, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen.
2    Betrifft das Auslieferungsersuchen mehrere verschiedene Handlungen, von denen jede sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme bedroht ist, einige aber die Bedingung hinsichtlich des Strafmasses nicht erfüllen, so ist der ersuchte Staat berechtigt, die Auslieferung auch wegen dieser Handlungen zu bewilligen. Dieses Recht gilt auch bei Handlungen, die nur mit Geldsanktionen bedroht sind.3
3    Jede Vertragspartei, deren Rechtsvorschriften die Auslieferung wegen bestimmter, in Ziffer 1 erwähnter strafbarer Handlungen nicht zulassen, kann für sich selbst die Anwendung des Übereinkommens auf diese strafbaren Handlungen ausschliessen.
4    Jede Vertragspartei, die von dem in Ziffer 3 vorgesehenen Recht Gebrauch machen will, notifiziert dem Generalsekretär des Europarats bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde entweder eine Liste der strafbaren Handlungen, derentwegen die Auslieferung zulässig ist, oder eine Liste der strafbaren Handlungen, derentwegen die Auslieferung ausgeschlossen ist; sie gibt hierbei die gesetzlichen Bestimmungen an, welche die Auslieferung zulassen oder ausschliessen. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt diese Listen den anderen Unterzeichnerstaaten.
5    Wird in der Folge die Auslieferung wegen anderer strafbarer Handlungen durch die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei ausgeschlossen, so notifiziert diese den Ausschluss dem Generalsekretär des Europarats, der die anderen Unterzeichnerstaaten davon in Kenntnis setzt. Diese Notifikation wird erst mit Ablauf von drei Monaten nach dem Zeitpunkt ihres Eingangs bei dem Generalsekretär wirksam.
6    Jede Vertragspartei, die von dem in Ziffer 4 und 5 vorgesehenen Recht Gebrauch gemacht hat, kann jederzeit die Anwendung dieses Übereinkommens auf strafbare Handlungen erstrecken, die davon ausgeschlossen waren. Sie notifiziert diese Änderungen dem Generalsekretär des Europarats, der sie den anderen Unterzeichnerstaaten mitteilt.
7    Jede Vertragspartei kann hinsichtlich der auf Grund dieses Artikels von der Anwendung des Übereinkommens ausgeschlossenen strafbaren Handlungen den Grundsatz der Gegenseitigkeit anwenden.
EAUe mindestens vier Monate betragen, nach Art. II Abs. 1 ZV sogar nur deren drei. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die dem Auslieferungsbegehren zugrundeliegenden Urteile klarerweise erfüllt. Was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang sonst noch vorbringt, ist somit unbeachtlich, namentlich auch sein Einwand, dem Begehren dürfe im Lichte von Art. 4
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 4 - Ein Ersuchen wird abgelehnt, wenn die Bedeutung der Tat die Durchführung des Verfahrens nicht rechtfertigt.
IRSG nicht entsprochen werden, da durch seine Straftaten ein bloss geringfügiger Sachschaden entstanden sei. Der in dieser Bestimmung vorgesehene Ablehnungsgrund (Bedeutung bzw. Bedeutungslosigkeit der Tat) ist im hier in erster Linie massgebenden EAUe schon gar nicht vorgesehen. Abgesehen davon kann bei objektiver Sicht der Dinge, mit Blick auf die Vielzahl der dem Beschwerdeführer insgesamt zur Last gelegten Straftaten und die ihm bereits auferlegten Strafen gemäss den dem Auslieferungsbegehren ebenfalls zugrundeliegenden beiden Urteilen, nicht davon die Rede sein, dem deutschen Ersuchen liege eine blosse Bagatelle zugrunde. d) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bildet dessen momentaner Gesundheitszustand unter dem Gesichtswinkel von Art. 37
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 37 Ablehnung - 1 Die Auslieferung kann abgelehnt werden, wenn die Schweiz die Verfolgung der Tat oder die Vollstreckung des ausländischen Strafentscheides übernehmen kann und dies im Hinblick auf die soziale Wiedereingliederung des Verfolgten angezeigt erscheint.
1    Die Auslieferung kann abgelehnt werden, wenn die Schweiz die Verfolgung der Tat oder die Vollstreckung des ausländischen Strafentscheides übernehmen kann und dies im Hinblick auf die soziale Wiedereingliederung des Verfolgten angezeigt erscheint.
2    Die Auslieferung wird abgelehnt, wenn dem Ersuchen ein Abwesenheitsurteil zugrunde liegt und im vorausgegangenen Verfahren nicht die Mindestrechte der Verteidigung gewahrt worden sind, die anerkanntermassen jedem einer strafbaren Handlung Beschuldigten zustehen; ausgenommen sind Fälle, in denen der ersuchende Staat eine als ausreichend erachtete Zusicherung gibt, dem Verfolgten das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren zu gewährleisten, in dem die Rechte der Verteidigung gewahrt werden.87
3    Die Auslieferung wird auch abgelehnt, wenn der ersuchende Staat keine Gewähr bietet, dass der Verfolgte im ersuchenden Staat nicht zum Tode verurteilt oder dass eine bereits verhängte Todesstrafe nicht vollstreckt wird oder der Verfolgte nicht einer Behandlung unterworfen wird, die seine körperliche Integrität beeinträchtigt.88
IRSG keinen Grund, um die von Deutschland verlangte Auslieferung verweigern zu können. Die Schweiz hat die sich aus dem hier in erster Linie anwendbaren Staatsvertragsrecht ergebenden Verpflichtungen einzuhalten (s. insbesondere auch Art. 1
IR 0.353.1 Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957
EAUe Art. 1 Auslieferungsverpflichtung - Die Vertragsparteien verpflichten sich, gemäss den nachstehenden Vorschriften und Bedingungen einander die Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Massnahme gesucht werden.
EAUe). Soweit Art. 37
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 37 Ablehnung - 1 Die Auslieferung kann abgelehnt werden, wenn die Schweiz die Verfolgung der Tat oder die Vollstreckung des ausländischen Strafentscheides übernehmen kann und dies im Hinblick auf die soziale Wiedereingliederung des Verfolgten angezeigt erscheint.
1    Die Auslieferung kann abgelehnt werden, wenn die Schweiz die Verfolgung der Tat oder die Vollstreckung des ausländischen Strafentscheides übernehmen kann und dies im Hinblick auf die soziale Wiedereingliederung des Verfolgten angezeigt erscheint.
2    Die Auslieferung wird abgelehnt, wenn dem Ersuchen ein Abwesenheitsurteil zugrunde liegt und im vorausgegangenen Verfahren nicht die Mindestrechte der Verteidigung gewahrt worden sind, die anerkanntermassen jedem einer strafbaren Handlung Beschuldigten zustehen; ausgenommen sind Fälle, in denen der ersuchende Staat eine als ausreichend erachtete Zusicherung gibt, dem Verfolgten das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren zu gewährleisten, in dem die Rechte der Verteidigung gewahrt werden.87
3    Die Auslieferung wird auch abgelehnt, wenn der ersuchende Staat keine Gewähr bietet, dass der Verfolgte im ersuchenden Staat nicht zum Tode verurteilt oder dass eine bereits verhängte Todesstrafe nicht vollstreckt wird oder der Verfolgte nicht einer Behandlung unterworfen wird, die seine körperliche Integrität beeinträchtigt.88
IRSG den in einem Fall wie dem vorliegenden massgebenden staatsvertraglichen Bestimmungen widerspricht, ist er nicht anwendbar (s. BGE 122 II 485 ff.). Auch aus der vom Beschwerdeführer im weiteren angerufenen Bestimmung von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK lässt sich - entgegen seiner Auffassung - kein Anspruch entnehmen, nicht ausgewiesen oder nicht ausgeliefert zu werden (BGE 117 Ib 210 E. 3b/cc, s. auch nicht publizierte Urteile des Bundesgerichts vom 21. April 1997 i.S. P., vom 5. November 1996 i.S. S.). Bei drohender Ausweisung oder Auslieferung kann zwar allenfalls die Anwendbarkeit von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK in Frage kommen, dies aber in der Regel auch nur dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Betroffene im Verfolgerstaat einer Strafe oder Behandlung ausgesetzt wird, welche die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erreicht und daher
BGE 123 II 279 S. 284

mit Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK unvereinbar ist (MARK E. VILLIGER, Handbuch der EMRK, Zürich 1993, Rz. 301 ff. zu Art. 3, S. 183 ff.; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/ Arlington, 1996, N. 2 ff., insb. N. 18 zu Art. 3). Die Auslieferung an Deutschland für sich allein bzw. das vom Verfolgten dort zu gewärtigende Verfahren bzw. der dortige Strafvollzug stellen somit - auch mit Blick auf den derzeit schlechten Gesundheitszustand - noch keine menschenunwürdige Behandlung im Sinne von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK dar. Von einer solchen könnte höchstens dann die Rede sein, wenn damit zu rechnen wäre, dass die deutschen Behörden den Beschwerdeführer nicht angemessen behandeln und betreuen würden. Für eine derartige Annahme bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Das BAP wird die ersuchenden Behörden über die Befürchtungen und den dadurch bedingten Hungerstreik des Beschwerdeführers zu informieren und eine Unterbringung in einer für die dargelegte Situation des Beschwerdeführers geeigneten Vollzugsanstalt zu veranlassen haben. Weshalb hierzu geeignete Massnahmen in Deutschland nicht möglich sein sollen, ist nicht ersichtlich. Aussergewöhnliche familiäre Verhältnisse im Lichte von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK, welche nach der Rechtsprechung einer Auslieferung ausnahmsweise entgegenstehen könnten (s. nicht publizierte E. 3e von BGE 122 II 485 ff.), werden vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Auch in andern Fällen, die nicht derart besonders gelagert waren wie die soeben zitierte Rechtsprechung, vermochten geltend gemachte Suizidgefahr oder ein Hungerstreik des Verfolgten keinen Einfluss auf ein hängiges Auslieferungsverfahren bzw. auf eine allfällige Auslieferung zu haben (s. etwa nicht publizierte Urteile des Bundesgerichts vom 21. April 1997 i.S. P., vom 5. November 1996 i.S. S., vom 17. Januar 1992 i.S. L.). e) Sind demgemäss die Auslieferungsvoraussetzungen erfüllt, so ist die Schweiz staatsvertraglich verpflichtet, dem deutschen Begehren stattzugeben (Art. 1
IR 0.353.1 Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957
EAUe Art. 1 Auslieferungsverpflichtung - Die Vertragsparteien verpflichten sich, gemäss den nachstehenden Vorschriften und Bedingungen einander die Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Massnahme gesucht werden.
EAUe), zumal der ersuchende Staat seinerseits weder sein Begehren fallengelassen noch ein Strafübernahmeersuchen bzw. Vollstreckungsbegehren an die Schweiz gerichtet hat. Im Sinne der vorstehenden Erwägungen hat das BAP dafür besorgt zu sein, dass dem derzeit schlechten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und den von diesem geäusserten Befürchtungen beim Vollzug der Auslieferung wie auch hernach, im Verlaufe des weiteren Verfahrens in Deutschland, angemessen Beachtung geschenkt wird.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 123 II 279
Date : 03. Juli 1997
Published : 31. Dezember 1998
Source : Bundesgericht
Status : 123 II 279
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Auslieferung an Deutschland; Alibibeweis, Art. 53 IRSG; Art. 3 EMRK. Ein bloss partiell geltend gemachter Alibibeweis,


Legislation register
EMRK: 3  8
IRSG: 4  35  37  53  54
SR 0.353.1: 1  2  7  12
BGE-register
109-IB-60 • 112-IB-215 • 112-IB-347 • 113-IB-276 • 117-IB-210 • 122-II-373 • 122-II-485 • 123-II-279
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