Urteilskopf

123 II 1

1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Februar 1997 i.S. B. G. gegen Sozialversicherungsgericht und Justizdirektion des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 1

BGE 123 II 1 S. 1

Am 1. Dezember 1994 werden der 17jährige A. G. aus nichtigem Anlass von seinem gleichaltrigen Kollegen P. B. mit einem Schwert erstochen. B. G. fand den Leichnam ihres Sohnes am nächsten Tag in seinem Bett, wo ihn der Täter unter der Bettdecke versteckt hatte. Von diesem Schicksalsschlag hat sich B. G. bis heute nicht erholt; sie musste in der Folge auf Ende 1995 hin ihre Arbeit aufgeben und ist heute zu 100% invalid.
BGE 123 II 1 S. 2

Am 29. März 1996 stellte B. G. bei der Opferhilfestelle der Justizdirektion des Kantons Zürich ein Gesuch mit dem Antrag, es sei ihr "zu Lasten der Opferhilfe Schadenersatz und Genugtuung zu leisten". Ausserdem ersuchte sie um einen Vorschuss im Sinne von Art. 15
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 15 Zugang zu den Beratungsstellen - 1 Die Kantone sorgen dafür, dass das Opfer und seine Angehörigen innert angemessener Frist Soforthilfe erhalten können.
1    Die Kantone sorgen dafür, dass das Opfer und seine Angehörigen innert angemessener Frist Soforthilfe erhalten können.
2    Die Leistungen der Beratungsstellen können unabhängig vom Zeitpunkt der Begehung der Straftat in Anspruch genommen werden.
3    Das Opfer und seine Angehörigen können sich an eine Beratungsstelle ihrer Wahl wenden.
OHG (SR 312.5) in Höhe von Fr. 25'000.--. Mit Verfügung vom 9. Mai 1996 wies die Justizdirektion des Kantons Zürich die Gesuche von B. G. um Vorschuss und Entschädigung ab und sistierte das Gesuch um Genugtuung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens. Zur Begründung führte sie im wesentlichen an, es sei zwar glaubhaft, dass A. G. einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen und deshalb Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 2 Formen der Opferhilfe - Die Opferhilfe umfasst:
a  Beratung und Soforthilfe;
b  längerfristige Hilfe der Beratungsstellen;
c  Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter;
d  Entschädigung;
e  Genugtuung;
f  Befreiung von Verfahrenskosten;
g  ...3
OHG sei, weshalb die Gesuchstellerin diesem nach Art. 2 Abs. 2 lit. c
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 2 Formen der Opferhilfe - Die Opferhilfe umfasst:
a  Beratung und Soforthilfe;
b  längerfristige Hilfe der Beratungsstellen;
c  Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter;
d  Entschädigung;
e  Genugtuung;
f  Befreiung von Verfahrenskosten;
g  ...3
OHG bei der Geltendmachung von Entschädigung und Genugtuung gleichgestellt sei, soweit ihr Zivilansprüche gegen den Täter zustünden. Nach der massgeblichen zivilrechtlichen Bestimmung von Art. 45 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 45 - 1 Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
1    Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
2    Ist der Tod nicht sofort eingetreten, so muss namentlich auch für die Kosten der versuchten Heilung und für die Nachteile der Arbeitsunfähigkeit Ersatz geleistet werden.
3    Haben andere Personen durch die Tötung ihren Versorger verloren, so ist auch für diesen Schaden Ersatz zu leisten.
OR hätte der Täter indessen nur einen allfälligen Versorgerschaden zu decken. Der von ihr als Schaden geltend gemachte Arbeitsausfall sei jedoch kein solcher, sondern vielmehr ein Reflexschaden, aus dem sich kein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch gegenüber dem Täter ableiten lasse. Dementsprechend bestehe auch kein Forderungsrecht gegenüber der Opferhilfestelle, weshalb das Gesuch um Entschädigung des erlittenen Lohnausfalls und damit auch das Gesuch um Vorschuss abzuweisen sei. Die Beurteilung des Gesuchs um Genugtuung hange wesentlich vom Ausgang des Strafverfahrens gegen P. B. ab, weshalb es bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung zu sistieren sei. Die Verfügung der Justizdirektion vom 9. Mai 1996 focht die Beschwerdeführerin mit Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich an, u.a. mit den Rechtsbegehren, Ziff. III der Verfügung der Justizdirektion vom 9. Mai 1996 sei aufzuheben, diese sei zu verpflichten, B. G. in dem Umfange, in welchem ihr ein zivilrechtlicher Anspruch zustehe, entsprechend den Bemessungsgrundsätzen von Art. 13
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 13 Soforthilfe und längerfristige Hilfe - 1 Die Beratungsstellen leisten dem Opfer und seinen Angehörigen sofort Hilfe für die dringendsten Bedürfnisse, die als Folge der Straftat entstehen (Soforthilfe).
1    Die Beratungsstellen leisten dem Opfer und seinen Angehörigen sofort Hilfe für die dringendsten Bedürfnisse, die als Folge der Straftat entstehen (Soforthilfe).
2    Sie leisten dem Opfer und dessen Angehörigen soweit nötig zusätzliche Hilfe, bis sich der gesundheitliche Zustand der betroffenen Person stabilisiert hat und bis die übrigen Folgen der Straftat möglichst beseitigt oder ausgeglichen sind (längerfristige Hilfe).
3    Die Beratungsstellen können die Soforthilfe und die längerfristige Hilfe durch Dritte erbringen lassen.
OHG zu entschädigen, und das Verfahren betreffend Entschädigung sei bis zum Vorliegen eines Urteils über den Schadenersatzanspruch zu sistieren.
Mit Verfügung vom 8. August 1996, mitgeteilt am 15. August 1996, verfügte der Referent die Sistierung des Prozesses "bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Entscheids über den Schadenersatzanspruch von B. G.". Mit Eingabe vom 26. August 1996 erhebt B. G. - der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Verfügung entsprechend -
BGE 123 II 1 S. 3

Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht. Sie beantragt, die Sistierung des Verfahrens beim Sozialversicherungsgericht sei aufzuheben und stellt im übrigen die ähnlichen Rechtsbegehren wie vor dem Sozialversicherungsgericht. Am 29. August 1996 überwies das Eidgenössische Versicherungsgericht die Angelegenheit zuständigkeitshalber dem Bundesgericht zur weiteren Behandlung.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) Strittig ist vorliegend einzig, ob das Sozialversicherungsgericht das Verfahren um eine Entschädigung nach Art. 11 ff
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 11 Schweigepflicht - 1 Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
1    Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
2    Die Schweigepflicht ist aufgehoben, wenn die beratene Person damit einverstanden ist.
3    Ist die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer minderjährigen Person oder einer Person unter umfassender Beistandschaft ernsthaft gefährdet, so kann die Beratungsstelle die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde informieren oder bei der Strafverfolgungsbehörde Anzeige erstatten.11
4    Wer die Schweigepflicht verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
. OHG sistieren durfte, bis ein rechtskräftiges Zivilurteil über den Schadenersatzanspruch der Beschwerdeführerin gegen den Täter besteht. Nicht mehr zur Diskussion steht dagegen ihr ursprünglich gestelltes Vorschussbegehren nach Art. 15
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 15 Zugang zu den Beratungsstellen - 1 Die Kantone sorgen dafür, dass das Opfer und seine Angehörigen innert angemessener Frist Soforthilfe erhalten können.
1    Die Kantone sorgen dafür, dass das Opfer und seine Angehörigen innert angemessener Frist Soforthilfe erhalten können.
2    Die Leistungen der Beratungsstellen können unabhängig vom Zeitpunkt der Begehung der Straftat in Anspruch genommen werden.
3    Das Opfer und seine Angehörigen können sich an eine Beratungsstelle ihrer Wahl wenden.
OHG: dessen Ablehnung durch die Justizdirektion focht sie beim Sozialversicherungsgericht bereits nicht mehr an (grundsätzlich zum Anspruch des Opfers auf Vorschuss: BGE 121 II 116). Ebenfalls nicht angefochten ist die Sistierung ihres Gesuchs um Zusprechung einer Genugtuung. b) Die Kantone haben für Ansprüche nach Art. 11 ff
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 11 Schweigepflicht - 1 Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
1    Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
2    Die Schweigepflicht ist aufgehoben, wenn die beratene Person damit einverstanden ist.
3    Ist die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer minderjährigen Person oder einer Person unter umfassender Beistandschaft ernsthaft gefährdet, so kann die Beratungsstelle die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde informieren oder bei der Strafverfolgungsbehörde Anzeige erstatten.11
4    Wer die Schweigepflicht verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
. OHG ein "einfaches, rasches und kostenloses Verfahren" vorzusehen (Art. 16 Abs. 1
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 16 Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter - Die Kosten für längerfristige Hilfe Dritter werden wie folgt gedeckt:
a  ganz, wenn im Sinne von Artikel 6 Absätze 1 und 2 die anrechenbaren Einnahmen der anspruchsberechtigten Person den doppelten massgebenden Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf nicht übersteigen;
b  anteilsmässig, wenn im Sinne von Artikel 6 Absätze 1 und 2 die anrechenbaren Einnahmen der anspruchsberechtigten Person zwischen dem doppelten und dem vierfachen massgebenden Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf liegen.
OHG). Dabei handelt es sich um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren; es ist daher grundsätzlich unabhängig von anderen Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren durchzuführen. Die Pflicht, das Verfahren einfach und rasch durchzuführen, schliesst eine Sistierung nicht grundsätzlich aus. Eine solche kann sich etwa rechtfertigen, wenn ein anderes Verfahren hängig ist, dessen Ausgang von präjudizieller Bedeutung ist, und das Verfahren nach Art. 11 ff
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 11 Schweigepflicht - 1 Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
1    Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
2    Die Schweigepflicht ist aufgehoben, wenn die beratene Person damit einverstanden ist.
3    Ist die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer minderjährigen Person oder einer Person unter umfassender Beistandschaft ernsthaft gefährdet, so kann die Beratungsstelle die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde informieren oder bei der Strafverfolgungsbehörde Anzeige erstatten.11
4    Wer die Schweigepflicht verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
. OHG nicht rascher und einfacher zum Ziele führen würde. So hat das Bundesgericht die Sistierung des Opferhilfeverfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens in einem Fall zugelassen, in welchem zunächst durch Gutachten abgeklärt werden musste, ob überhaupt eine Straftat (schwere fahrlässige Körperverletzung durch ärztlichen Kunstfehler) vorlag, was die Opferhilfestelle nicht schneller hätte tun können, als dies im Strafverfahren erfolgte (BGE 122 II 211 E. 3e).
3. a) Der Referent des Sozialversicherungsgerichtes hat im angefochtenen Entscheid das Verfahren sistiert, bis die Beschwerdeführerin in einem (offenbar noch einzuleitenden) Schadenersatzprozess gegen den Täter ein rechtskräftiges Urteil erstritten haben
BGE 123 II 1 S. 4

wird. Zur Begründung hat er angeführt, die Bezifferung des Schadens sei im heutigen Zeitpunkt nicht möglich, und die Bemessung der Entschädigung nach OHG hänge unter anderem von der Frage ab, ob der Unfallversicherer zahlungspflichtig sei und wie die Invalidenversicherung entscheide. b) Das OHG will u.a. gerade verhindern, dass das Opfer zur Durchsetzung seiner Ansprüche einen an Kosten- und Beweislastrisiken reichen Zivilprozess gegen den Täter anstrengen muss (BBl 1990 II 987 f.). Zu diesem Zweck räumt es ihm den Entschädigungsanspruch gemäss Art. 11 ff
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 11 Schweigepflicht - 1 Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
1    Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
2    Die Schweigepflicht ist aufgehoben, wenn die beratene Person damit einverstanden ist.
3    Ist die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer minderjährigen Person oder einer Person unter umfassender Beistandschaft ernsthaft gefährdet, so kann die Beratungsstelle die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde informieren oder bei der Strafverfolgungsbehörde Anzeige erstatten.11
4    Wer die Schweigepflicht verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
. OHG gegenüber dem Staat ein, der in einem raschen, einfachen und kostenlosen Verfahren durchgesetzt werden kann. Darauf hat das Opfer ein primäres Recht. Dieser Anspruch ist nur insofern subsidiär (wie das Marginale zu Art. 14
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 14 Umfang der Leistungen - 1 Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
1    Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
2    Eine Person mit Wohnsitz im Ausland, die in der Schweiz Opfer einer Straftat wurde, hat zudem Anspruch auf Kostenbeiträge an die Heilungskosten am Wohnsitz.
OHG lautet), als sich das Opfer andere Leistungen, die es als Schadenersatz erhalten hat, anrechnen lassen muss, und Ansprüche, die ihm aufgrund der Straftat zustehen, im Umfang ihrer Leistung auf den Staat übergehen (Art. 14 Abs. 1
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 14 Umfang der Leistungen - 1 Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
1    Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
2    Eine Person mit Wohnsitz im Ausland, die in der Schweiz Opfer einer Straftat wurde, hat zudem Anspruch auf Kostenbeiträge an die Heilungskosten am Wohnsitz.
und 2
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 14 Umfang der Leistungen - 1 Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
1    Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
2    Eine Person mit Wohnsitz im Ausland, die in der Schweiz Opfer einer Straftat wurde, hat zudem Anspruch auf Kostenbeiträge an die Heilungskosten am Wohnsitz.
OHG; vgl. auch GOMM/STEIN/ZEHNTNER, Kommentar zum OHG, N. 5 ff., insbes. N. 7 zu Art. 14
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 14 Umfang der Leistungen - 1 Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
1    Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
2    Eine Person mit Wohnsitz im Ausland, die in der Schweiz Opfer einer Straftat wurde, hat zudem Anspruch auf Kostenbeiträge an die Heilungskosten am Wohnsitz.
). Daher widerspricht es Sinn und Zweck des OHG und verletzt Bundesrecht, das Entschädigungsverfahren nach Art. 11 ff
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 11 Schweigepflicht - 1 Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
1    Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
2    Die Schweigepflicht ist aufgehoben, wenn die beratene Person damit einverstanden ist.
3    Ist die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer minderjährigen Person oder einer Person unter umfassender Beistandschaft ernsthaft gefährdet, so kann die Beratungsstelle die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde informieren oder bei der Strafverfolgungsbehörde Anzeige erstatten.11
4    Wer die Schweigepflicht verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
. OHG zu sistieren und vom Opfer zu verlangen, zunächst selber einen Schadenersatzprozess zu führen. Die Ansprüche, die dem Opfer gegenüber der Unfall- oder der Invalidenversicherung zustehen, sind, wie erwähnt, von der Entschädigung nach OHG in Abzug zu bringen oder gehen auf den Staat über (vgl. auch dazu GOMM/STEIN/ZEHNTNER, a.a.O., N. 12 ff. und 54 zu Art. 14), weshalb die Begründung im angefochtenen Entscheid, wonach die Bemessung der Entschädigung von den Leistungen der Versicherungen abhänge, unzutreffend ist. Auch soweit die Sistierung damit begründet wird, verletzt sie daher Bundesrecht.
4. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit gutzuheissen und die angefochtene Sistierung des Verfahrens aufzuheben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 123 II 1
Datum : 17. Februar 1997
Publiziert : 31. Dezember 1998
Quelle : Bundesgericht
Status : 123 II 1
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Entschädigung und Genugtuung. Art. 11 ff. OHG. Die Pflicht, das Verfahren nach Art. 11 ff. OHG einfach und rasch durchzuführen,


Gesetzesregister
OHG: 2 
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 2 Formen der Opferhilfe - Die Opferhilfe umfasst:
a  Beratung und Soforthilfe;
b  längerfristige Hilfe der Beratungsstellen;
c  Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter;
d  Entschädigung;
e  Genugtuung;
f  Befreiung von Verfahrenskosten;
g  ...3
11 
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 11 Schweigepflicht - 1 Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
1    Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahrnehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen. Die Schweigepflicht gilt auch nach Beendigung dieser Mitarbeit. Vorbehalten bleiben die Zeugnispflichten nach der Strafprozessordnung9.10
2    Die Schweigepflicht ist aufgehoben, wenn die beratene Person damit einverstanden ist.
3    Ist die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer minderjährigen Person oder einer Person unter umfassender Beistandschaft ernsthaft gefährdet, so kann die Beratungsstelle die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde informieren oder bei der Strafverfolgungsbehörde Anzeige erstatten.11
4    Wer die Schweigepflicht verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
13 
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 13 Soforthilfe und längerfristige Hilfe - 1 Die Beratungsstellen leisten dem Opfer und seinen Angehörigen sofort Hilfe für die dringendsten Bedürfnisse, die als Folge der Straftat entstehen (Soforthilfe).
1    Die Beratungsstellen leisten dem Opfer und seinen Angehörigen sofort Hilfe für die dringendsten Bedürfnisse, die als Folge der Straftat entstehen (Soforthilfe).
2    Sie leisten dem Opfer und dessen Angehörigen soweit nötig zusätzliche Hilfe, bis sich der gesundheitliche Zustand der betroffenen Person stabilisiert hat und bis die übrigen Folgen der Straftat möglichst beseitigt oder ausgeglichen sind (längerfristige Hilfe).
3    Die Beratungsstellen können die Soforthilfe und die längerfristige Hilfe durch Dritte erbringen lassen.
14 
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 14 Umfang der Leistungen - 1 Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
1    Die Leistungen umfassen die angemessene medizinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe in der Schweiz, die als Folge der Straftat notwendig geworden ist. Die Beratungsstellen besorgen dem Opfer oder seinen Angehörigen bei Bedarf eine Notunterkunft.
2    Eine Person mit Wohnsitz im Ausland, die in der Schweiz Opfer einer Straftat wurde, hat zudem Anspruch auf Kostenbeiträge an die Heilungskosten am Wohnsitz.
15 
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 15 Zugang zu den Beratungsstellen - 1 Die Kantone sorgen dafür, dass das Opfer und seine Angehörigen innert angemessener Frist Soforthilfe erhalten können.
1    Die Kantone sorgen dafür, dass das Opfer und seine Angehörigen innert angemessener Frist Soforthilfe erhalten können.
2    Die Leistungen der Beratungsstellen können unabhängig vom Zeitpunkt der Begehung der Straftat in Anspruch genommen werden.
3    Das Opfer und seine Angehörigen können sich an eine Beratungsstelle ihrer Wahl wenden.
16
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 16 Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter - Die Kosten für längerfristige Hilfe Dritter werden wie folgt gedeckt:
a  ganz, wenn im Sinne von Artikel 6 Absätze 1 und 2 die anrechenbaren Einnahmen der anspruchsberechtigten Person den doppelten massgebenden Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf nicht übersteigen;
b  anteilsmässig, wenn im Sinne von Artikel 6 Absätze 1 und 2 die anrechenbaren Einnahmen der anspruchsberechtigten Person zwischen dem doppelten und dem vierfachen massgebenden Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf liegen.
OR: 45
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 45 - 1 Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
1    Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen.
2    Ist der Tod nicht sofort eingetreten, so muss namentlich auch für die Kosten der versuchten Heilung und für die Nachteile der Arbeitsunfähigkeit Ersatz geleistet werden.
3    Haben andere Personen durch die Tötung ihren Versorger verloren, so ist auch für diesen Schaden Ersatz zu leisten.
BGE Register
121-II-116 • 122-II-211 • 123-II-1
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
opfer • genugtuung • sistierung des verfahrens • rechtsbegehren • referent • kostenloses verfahren • stein • bundesgericht • eidgenössisches versicherungsgericht • schaden • schadenersatz • entscheid • bundesgesetz über die hilfe an opfer von straftaten • beendigung • begründung des entscheids • gesuch an eine behörde • planungsziel • zweck • rechtsmittelbelehrung • unfallversicherer
... Alle anzeigen
BBl
1990/II/987