123 I 264
25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. September 1997 i.S. E. und V. gegen Kanton Tessin und Kanton Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. 2 Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 3 Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 - Der Nacherbe erwirbt die Erbschaft des Erblassers, weshalb die Besteuerung der Nacherbschaft dem Kanton des letzten Wohnsitzes des Erblassers zur Besteuerung zusteht (E. 2).
Regeste (fr):
- Art. 46 al. 2 Cst. (interdiction de la double imposition; imposition de la substitution fidéicommissaire).
- La compétence d'imposer la succession acquise par l'appelé d'une substitution fidéicommissaire appartient au canton du dernier domicile du disposant, l'appelé recevant la succession de celui-ci (consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 46 cpv. 2 Cost. (divieto della doppia imposizione; imposizione della sostituzione fedecommissaria).
- L'erede sostituito acquista l'eredità del disponente, motivo per cui spetta al cantone dell'ultimo domicilio del disponente tassare l'eredità (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 264
BGE 123 I 264 S. 264
Am 20. Januar 1986 starb G., geb. 1896, wohnhaft gewesen in Zürich. Mit letztwilliger Verfügung hatte er seine Ehefrau F., geboren 1901, als Vorerbin bezeichnet, seine Nichten E. und V. als Nacherbinnen. F. erbte von ihrem Ehemann ein Vermögen von Fr. 3'270'000.--. Sie starb am 26. Januar 1989 mit letztem Wohnsitz in Ascona. Die Nacherbschaft von E. und V. betrug je Fr. 1'271'025.65. Der Kanton Tessin auferlegte den beiden Nacherbinnen für die Erbschaft von G. Erbschaftssteuern von je Fr. 279'620.--. Am 8. September 1994 gelangte das Kantonale Steueramt Zürich an die Tessiner Veranlagungsbehörde und machte die Steuerhoheit für die Nacherbschaft geltend. Der Kanton Tessin stellte sich auf den Standpunkt, die Vorerbin sei nicht zur Sicherstellung der Nacherbschaft verpflichtet gewesen, weshalb der Kanton Tessin
BGE 123 I 264 S. 265
berechtigt gewesen sei, die Erbschaft zu besteuern. Der Steueranspruch des Kantons Zürich sei zudem verwirkt. Mit Verfügung vom 27. März 1995 verpflichtete die Finanzdirektion des Kantons Zürich E. und V. zur Bezahlung von Erbschaftssteuern von insgesamt Fr. 774'410.--. Am 25. April 1995 bzw. 26. April 1995 haben E. (Verfahren 2P.155/1995) und V. (Verfahren 2P.157/1995) staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht wegen Verletzung des Doppelbesteuerungsverbots (Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Eine gegen Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
BGE 123 I 264 S. 266
Vermögenswerte, die von G., dessen letzter Wohnsitz Zürich war, stammen und die dessen Ehefrau nur als Vorerbin erhalten hatte. Der Kanton Tessin hat denn diese Vermögenswerte in seiner Veranlagungsverfügung und im Einspracheentscheid auch ausdrücklich als vom Onkel herkommend ("quota ricevuta dallo zio") bezeichnet. Die sog. Nacherbeneinsetzung regelt zwei aufeinanderfolgende Erbgänge in der Weise, dass der Vorerbe durch Verfügung des Erblassers verpflichtet wird, die Erbschaft zu einem späteren Zeitpunkt (meist beim Tod des Vorerben, Art. 489 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 489 - 1 Als Zeitpunkt der Auslieferung ist, wenn die Verfügung es nicht anders bestimmt, der Tod des Vorerben zu betrachten. |
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1 | Als Zeitpunkt der Auslieferung ist, wenn die Verfügung es nicht anders bestimmt, der Tod des Vorerben zu betrachten. |
2 | Wird ein anderer Zeitpunkt genannt, und ist dieser zur Zeit des Todes des Vorerben noch nicht eingetreten, so geht die Erbschaft gegen Sicherstellung auf die Erben des Vorerben über. |
3 | Kann der Zeitpunkt aus irgendeinem Grunde nicht mehr eintreten, so fällt die Erbschaft vorbehaltlos an die Erben des Vorerben. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 491 - 1 Der Vorerbe erwirbt die Erbschaft wie ein anderer eingesetzter Erbe. |
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1 | Der Vorerbe erwirbt die Erbschaft wie ein anderer eingesetzter Erbe. |
2 | Er wird Eigentümer der Erbschaft unter der Pflicht zur Auslieferung. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 492 - 1 Der Nacherbe erwirbt die Erbschaft des Erblassers, wenn er den für die Auslieferung bestimmten Zeitpunkt erlebt hat. |
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1 | Der Nacherbe erwirbt die Erbschaft des Erblassers, wenn er den für die Auslieferung bestimmten Zeitpunkt erlebt hat. |
2 | Erlebt er diesen Zeitpunkt nicht, so verbleibt die Erbschaft, wenn der Erblasser nicht anders verfügt hat, dem Vorerben. |
3 | Erlebt der Vorerbe den Tod des Erblassers nicht, oder ist er erbunwürdig, oder schlägt er die Erbschaft aus, so fällt sie an den Nacherben. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 491 - 1 Der Vorerbe erwirbt die Erbschaft wie ein anderer eingesetzter Erbe. |
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1 | Der Vorerbe erwirbt die Erbschaft wie ein anderer eingesetzter Erbe. |
2 | Er wird Eigentümer der Erbschaft unter der Pflicht zur Auslieferung. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 492 - 1 Der Nacherbe erwirbt die Erbschaft des Erblassers, wenn er den für die Auslieferung bestimmten Zeitpunkt erlebt hat. |
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1 | Der Nacherbe erwirbt die Erbschaft des Erblassers, wenn er den für die Auslieferung bestimmten Zeitpunkt erlebt hat. |
2 | Erlebt er diesen Zeitpunkt nicht, so verbleibt die Erbschaft, wenn der Erblasser nicht anders verfügt hat, dem Vorerben. |
3 | Erlebt der Vorerbe den Tod des Erblassers nicht, oder ist er erbunwürdig, oder schlägt er die Erbschaft aus, so fällt sie an den Nacherben. |
BGE 123 I 264 S. 267
Die Einrede des Kantons Tessin dringt im vorliegenden Fall nicht durch. Wohl scheint zuzutreffen, dass der Tod der Vorerbin dem Notariat W., dem Zivilstandsamt der Stadt Zürich und dem Tagblatt der Stadt Zürich mitgeteilt worden ist. Doch mussten diese Mitteilungen nicht dazu führen, dass der Kanton seinen Steueranspruch hätte kennen können. Beim Notariat W. musste der Ehe- und Erbvertrag angefordert werden, im Tagblatt der Stadt Zürich wurde eine Todesanzeige veröffentlicht, und dem Zivilstandsamt der Stadt Zürich wurde der Tod der Vorerbin gemeldet, die Bürgerin dieser Stadt war. Die Finanzdirektion des Kantons Zürich macht aber zu Recht geltend, dass in aller Regel weder die Einforderung eines Ehe- und Erbvertrags noch die Meldung des Todes eines Bürgers der Stadt Zürich mit ausserkantonalem Wohnsitz zu einem Steueranspruch des Kantons führt. Deshalb kann dem Kanton auch nicht angelastet werden, dass solche Meldungen nicht systematisch an die Steuerbehörde weitergeleitet werden. Der Kanton Zürich überprüft offenbar in periodischen Abständen die Steuerverfahren, bei denen im Falle des Versterbens des Vorerben ein Anspruch auf Besteuerung der Nacherbschaft besteht. Es leuchtet ein, dass die Überprüfung, ob der Vorerbe noch lebt, aufwendig sein kann, wenn dieser seinen Wohnsitz nicht im Kanton hat. Unter diesen Umständen lässt sich nicht sagen, dass der Kanton Zürich seinen Anspruch früher hätte geltend machen müssen, zumal die Steuerbehörden des Kantons Tessin denjenigen des Kantons Zürich keine entsprechende Mitteilung gemacht haben. d) Schliesslich wirft die Finanzdirektion des Kantons Zürich die Frage auf, ob die Beschwerdeführerinnen das Recht zur Doppelbesteuerungsbeschwerde gegenüber dem Kanton Tessin verwirkt haben. Dieses Recht verwirkt der Steuerpflichtige nach der bundesgerichtlichen Praxis, wenn er in Kenntnis des kollidierenden Steueranspruchs eines anderen Kantons die Besteuerungsbefugnis ausdrücklich oder stillschweigend vorbehaltlos anerkennt, so etwa durch ausdrückliche Erklärung, Abgabe der Steuererklärung, Unterlassen der Einsprache oder weiteren Rechtsmitteln und Bezahlung des veranlagten Steuerbetrags (vgl. BGE 101 Ia 384 E. 1 S. 386; ASA 57 582 E. 2b; 58 538 E. 2c; LOCHER, a.a.O., § 12 III D). Die Verwirkung wird jedoch nicht von Amtes wegen berücksichtigt, sondern nur auf Einrede des Kantons, dessen Steueranspruch dermassen anerkannt wurde (ASA 57 582 E. 2b). Da der Kanton Tessin sich gegenüber den Beschwerdeführerinnen nicht auf die Verwirkung ihres Beschwerderechts beruft, stellt sich diese Frage nicht.