122 IV 258
39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. September 1996 i.S. T. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 102 Ziff. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. 2 Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen. SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. 2 Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen. - Die Verordnung genügt den Anforderungen an eine verfassungsunmittelbare Polizeiverordnung des Bundesrates nicht, soweit sie die Veräusserung von Schusswaffen an ausnahmslos alle Ausländer ohne Niederlassungsbewilligung beschränkt. Weder wegen der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien noch aus anderen wichtigen Gründen war und ist es zeitlich dringlich, notwendig und durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt, den Erwerb einer Schusswaffe beispielsweise durch einen in Deutschland wohnhaften deutschen Staatsangehörigen auf diesem Wege einer Bewilligungspflicht zu unterstellen (E. 2).
Regeste (fr):
- Art. 102 ch. 8 et 10 Cst.; art. 1, 2 let. b, art. 5, 6, 11 par. 1 al. 4 et 5 de l'ordonnance sur l'acquisition et le port d'armes à feu par des ressortissants yougoslaves.
- L'ordonnance ne satisfait pas aux exigences que doit remplir une ordonnance de police du Conseil fédéral directement fondée sur la Constitution, dans la mesure où elle vise sans restriction la remise d'armes à tous les étrangers sans permis d'établissement. Ni le conflit qui se déroule dans l'ancienne Yougoslavie, ni aucune autre raison déterminante ne justifiait, ni ne justifie par exemple de soumettre l'acquisition d'une arme à feu par un ressortissant allemand domicilié en Allemagne à une autorisation pour des raisons d'urgence, de nécessité et d'intérêts publics prépondérants (consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 102 n. 8 e 10 Cost.; art. 1, 2 lett. b, art. 5, 6, 11 cpv. 1 al. 4 e 5 dell'ordinanza concernente l'acquisto e il porto di armi da fuoco da parte di cittadini jugoslavi.
- Nella misura in cui tende a limitare la vendita di armi da fuoco indistintamente a tutti gli stranieri non domiciliati, l'ordinanza in esame non soddisfa le esigenze che deve adempiere un'ordinanza di polizia del Consiglio federale fondata direttamente sulla Costituzione. Né il conflitto in corso nell'ex-Jugoslavia né altri motivi determinanti facevano e fanno apparire urgente, necessaria nonché giustificata da preponderanti interessi pubblici la circostanza di sottoporre ad autorizzazione l'acquisto di un'arma da fuoco da parte, ad esempio, di un cittadino tedesco residente in Germania (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 259
BGE 122 IV 258 S. 259
A.- Mitte August 1993 erschienen die beiden in Süddeutschland (Kreis Ravensburg) wohnhaften deutschen Staatsangehörigen B. und K. in der Waffenhandlung "T.". Sie interessierten sich für zwei Survival-Kipplauf-Bockbüchsflinten, Springfield, Mod. M6 Scout. Da T. die gewünschten Waffen nicht am Lager hatte, wurde vereinbart, dass er sie bestelle und dann auf dem Postweg direkt an die Adresse von K. in Deutschland schicke. K. leistete eine Anzahlung von 50% auf den Kaufpreis. Am 3. September 1993 sandte T. die beiden Flinten in einem Postpaket mit aufgeklebter Zolldeklaration an die Adresse von K. in Süddeutschland. Die Waffen kamen aber nicht bei K. an, da sie von der Zollfahndung Stuttgart sichergestellt worden waren. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg zog die Flinten ein, weil es sich dabei um schnell zerlegbare und daher nach dem deutschen Waffengesetz verbotene Schusswaffen handelte. Die deutschen Behörden leiteten die Akten an die Berner Kantonspolizei weiter.
B.- Der Gerichtspräsident von Niedersimmental sprach T. am 28. September 1995 von der Anschuldigung der Widerhandlung gegen die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige frei. Dagegen erklärte der stellvertretende Prokurator 3 die Appellation, welche der Generalprokurator vollumfänglich aufrechterhielt. Das Obergericht des Kantons Bern sprach T. am 15. Februar 1996 der Widerhandlung gegen die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige schuldig, vorsätzlich begangen im August/September 1993, und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 2 lit. b, c und d, 5 und 11 Abs. 1 der Verordnung zu einer Busse von 500 Franken, bedingt vorzeitig löschbar bei einer Probezeit von einem Jahr.
C.- T. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei vollumfänglich aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 122 IV 258 S. 260
Der Generalprokurator des Kantons Bern und die Schweizerische Bundesanwaltschaft beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1. Die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige vom 18. Dezember 1991 (SR 514.545), in Kraft seit 19. Dezember 1991, war ursprünglich bis längstens 31. Dezember 1994 befristet; ihre Geltungsdauer ist durch Verordnung vom 5. Dezember 1994 (AS 1994, 2996) bis zum 31. Dezember 1996 verlängert worden. Es handelt sich um eine selbständige Verordnung des Bundesrates, die sich gemäss Ingress auf Art. 102 Ziff. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
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1 | Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
2 | Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen. |
BGE 122 IV 258 S. 261
Schusswaffenerwerbsschein wird durch die nach Art. 3 des Konkordats über den Handel mit Waffen und Munition zuständige Behörde des Wohnsitzkantons ausgestellt. Hat der Gesuchsteller keinen Wohnsitz in der Schweiz, so wird der Schusswaffenerwerbsschein vom Kanton ausgestellt, in dem die Übergabe der Schusswaffe stattfinden soll (Abs. 3). Gemäss Art. 6 ("Schusswaffenausfuhrbewilligung") müssen Ausländer ohne Wohnsitz in der Schweiz zusätzlich vorgängig der Abgabe des Schusswaffenerwerbsscheins (Art. 5) für der Bundesgesetzgebung über das Kriegsmaterial unterstellte Waffen eine Ausfuhrbewilligung einholen. Gemäss Art. 11 Abs. 1 der Verordnung wird unter anderen bestraft, wer als Ausländer eine Waffe erwirbt, ohne im Besitz der Bewilligungen nach den Artikeln 5 und 6 zu sein (al. 4), und wer einem Ausländer, von dem er weiss oder annehmen muss, dass er nicht im Besitz der Bewilligungen nach den Artikeln 5 und 6 ist, eine Schusswaffe verkauft oder sonstwie überlässt (al. 5). Die Strafe ist bei vorsätzlichem Handeln Gefängnis oder Busse bis zu 100'000 Franken, in schweren Fällen Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Busse bis zu 500'000 Franken; handelt der Täter fahrlässig, ist die Strafe Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe den beiden in Deutschland wohnhaften deutschen Staatsangehörigen zwei - nicht unter das Kriegsmaterialgesetz fallende - Schusswaffen verkauft, obschon er gewusst habe bzw. habe annehmen müssen, dass die beiden Männer den gemäss Art. 5 der Verordnung erforderlichen Schusswaffenerwerbsschein nicht besessen hätten. Dadurch habe er den Tatbestand von Art. 11 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 11 Schutz der Kinder und Jugendlichen - 1 Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung. |
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1 | Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung. |
2 | Sie üben ihre Rechte im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit aus. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
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1 | Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
2 | Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
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1 | Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
2 | Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen. |
2. a) Der Bundesrat kann unmittelbar gestützt auf die Bundesverfassung, also ohne entsprechende Grundlage in einem formellen Gesetz, insbesondere
BGE 122 IV 258 S. 262
im Rahmen seiner in Art. 102 Ziff. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
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1 | Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
2 | Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
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1 | Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen. |
2 | Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen. |
BGE 122 IV 258 S. 263
Art. 5 und 6 der Verordnung) zu beschränken. Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern die Beschränkung solcher Transaktionen den in Art. 1 der Verordnung umschriebenen Zwecken dient. Die Veräusserung einer Schusswaffe an einen Ausländer gefährdet die Erreichung der in Art. 1 der Verordnung verfassungskonform festgelegten Ziele nicht schon dann und deshalb, wenn und weil der Ausländer in der Schweiz keine Niederlassungsbewilligung oder keinen Wohnsitz hat. Das Risiko, dass eine Schusswaffe ins ehemalige Jugoslawien transportiert oder an einen jugoslawischen Staatsangehörigen weitergegeben werden könnte, ist im Falle der Veräusserung an einen in der Schweiz wohnhaften Deutschen ohne Niederlassungsbewilligung oder an einen in Deutschland wohnhaften Deutschen nicht wesentlich grösser als im Falle der Veräusserung an einen Schweizer oder an einen in der Schweiz niedergelassenen Deutschen. Wohl mag die schweizerische Waffengesetzgebung in verschiedener Hinsicht und gerade auch in bezug auf die Veräusserung von Schusswaffen an Ausländer mangelhaft sein. Es kann beispielsweise unbefriedigend sein, dass ein in Deutschland wohnhafter Deutscher in der Schweiz ohne Bewilligung bestimmte Waffen erwerben kann, die er nach dem deutschen Recht, etwa weil sie rasch zerlegbar sind, nicht erwerben und nicht besitzen darf. Dieser allfällige Missstand hat indessen mit den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien nichts zu tun und kann daher nicht gewissermassen aus Anlass dieser Konflikte, auf die auch Art. 1 der Verordnung Bezug nimmt, auf dem Wege einer verfassungsunmittelbaren Polizeiverordnung behoben werden. Die allenfalls erforderlichen Vorschriften sind vielmehr im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zu schaffen (siehe nun die Botschaft des Bundesrates vom 24. Januar 1996 zum Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition, BBl 1996 I 1053 ff., insbes. S. 1061 ff. zu Art. 8 ff. des bundesrätlichen Entwurfs; vgl. auch die Verhandlungen des Ständerates in der Sommersession 1996, Amtl.Bull. StR 1996 S. 506 ff., 517 ff.). Die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige genügt demnach den vorstehend (E. 2a) umschriebenen Anforderungen an eine verfassungsunmittelbare Polizeiverordnung des Bundesrates nicht, soweit sie auch die Veräusserung von Schusswaffen an in Deutschland wohnhafte deutsche Staatsangehörige erfasst. Sie ist deshalb im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
BGE 122 IV 258 S. 264
Das angefochtene Urteil wird in Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
3. (Kostenfolgen).