121 IV 269
43. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Oktober 1995 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 185 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 185 - 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen,
1 Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, 2 Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln. 3 In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden. 4 Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er milder bestraft werden (Art. 48a).259 5 Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.260 - Objektive Voraussetzung der Qualifikation aufgrund der Umstände bejaht bei einer Geiselnahme, bei welcher der Täter die Geisel in Anwesenheit der Polizei mit einer ungeladenen Pistole bedroht hat (E. 1c; Konkretisierung der mit BGE 121 IV 178 begründeten Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 185 ch. 2 CP; prise d'otage qualifiée; menace de tuer la victime; utilisation d'un pistolet non chargé.
- Admission de la réalisation objective de la circonstance aggravante dans le cas d'une prise d'otage où l'auteur avait menacé la victime au moyen d'un pistolet non chargé, en présence de la police (consid. 1c; concrétisation de la jurisprudence exposée aux ATF 121 IV 178).
Regesto (it):
- Art. 185 n. 2 CP; presa d'ostaggio aggravata; minaccia di uccidere la vittima; impiego di una pistola scarica.
- È realizzato l'elemento oggettivo della circostanza aggravante nel caso di una presa d'ostaggio in cui l'autore ha minacciato la vittima mediante una pistola scarica in presenza della polizia (consid. 1c; concretizzazione della giurisprudenza esposta nella DTF 121 IV 178).
Sachverhalt ab Seite 269
BGE 121 IV 269 S. 269
A.- C. heiratete im Juli 1990 P. Im September 1991 kam es zur Trennung. Am Abend des 22. Februar 1992 fand C., der sich mit dem Scheitern der ehelichen Beziehung nicht abfinden konnte, P. in Begleitung von N. im Restaurant "X." in Zürich vor. C. forderte seine Ehefrau auf, vor das Restaurant zu kommen, um mit ihm zu sprechen. Danach wartete er vor dem Restaurant während ca. einer Viertelstunde. In deren Verlauf behändigte er aus seinem Personenwagen eine Pistole der Marke "SIG", Kal. 9 mm, und lud sie mit einer einzigen Patrone. Nachdem P. gesehen hatte, wie C. mit der Waffe in der Hand wieder Richtung Eingang kam, trat sie vor das Restaurant. C. hielt seine Ehefrau darauf fest und stiess sie derart gegen die Scheibe der Glaseingangstüre, dass sie dort den Kopf anschlug. Nachdem auch N. vor das Restaurant getreten war, kam es zwischen ihm und C. zu einer verbalen Auseinandersetzung. C. zielte dabei mit der Pistole auf N. und forderte ihn auf, sich wegzubegeben. Da N. sich nicht beeindrucken liess und auf C. zuging, zielte C. mit der entsicherten Pistole seitlich neben N. auf den Boden und feuerte einen Schuss ab.
BGE 121 IV 269 S. 270
In der Folge trafen zwei uniformierte Polizeibeamte am Tatort ein und nahmen, nachdem sie von P. über den Ablauf der Ereignisse orientiert worden waren, die Verfolgung von C. auf. Während der Verfolgung richtete C. seine nun nicht mehr geladene Pistole in einem Abstand von wenigen Metern gegen die ihm nacheilenden Polizeibeamten. Es gelang ihm, ins Restaurant zurückzukehren. Dort begab er sich sofort zu seiner Ehefrau, hielt sie fest und richtete die Pistole gegen ihren Kopf. Die wenige Meter hinter ihm ins Restaurant gestürmten Polizeibeamten, die ihre Dienstwaffe in den Händen hielten, forderten die übrigen Gäste zum Verlassen des Restaurants auf. C. versetzte seiner Ehefrau mit der Pistole einen Schlag und begab sich mit ihr in Richtung Saal im oberen Stockwerk des Restaurants. Kurz danach kam er mit ihr wieder ins Parterre, wobei er sie weiterhin mit der Waffe bedrohte und sie derart in ihrer Gewalt hielt. Die beiden Polizeibeamten liessen es deshalb zu, dass C. mit der Geisel das Restaurant verliess. Nachdem in der Zwischenzeit auch die Überfallgruppe der Stadtpolizei Zürich am Tatort eingetroffen war, begab sich C. mit seiner Ehefrau zu seinem Personenwagen. Er befahl ihr, sich ans Steuer zu setzen. Er selber nahm auf dem Hintersitz Platz und richtete von dort die Waffe auf den Hinterkopf seiner Ehefrau. Er forderte die vor dem Personenwagen stehenden Polizeibeamten auf, die Türen des Fahrzeugs zu schliessen. Dabei drohte er, P. zu erschiessen, falls seine Forderung nicht erfüllt werde. Die Polizeibeamten, welche die Drohung ernst nahmen, duldeten es deshalb, dass C. mit seiner Ehefrau wegfuhr. Die Polizei verlor in der Folge den Kontakt zum Fahrzeug. Am folgenden Tag konnte C. verhaftet werden.
B.- Am 21. April 1995 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich C. unter anderem wegen Geiselnahme gemäss Art. 185 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 185 - 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
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1 | Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
2 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln. |
3 | In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden. |
4 | Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er milder bestraft werden (Art. 48a).259 |
5 | Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.260 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zum Schuldspruch wegen qualifizierter Geiselnahme nach Art. 185 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 185 - 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
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1 | Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
2 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln. |
3 | In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden. |
4 | Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er milder bestraft werden (Art. 48a).259 |
5 | Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.260 |
BGE 121 IV 269 S. 271
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. a) Gemäss Art. 185 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 185 - 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
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1 | Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
2 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln. |
3 | In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden. |
4 | Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er milder bestraft werden (Art. 48a).259 |
5 | Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.260 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 185 - 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
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1 | Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
2 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln. |
3 | In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden. |
4 | Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er milder bestraft werden (Art. 48a).259 |
5 | Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.260 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 185 - 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
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1 | Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
2 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln. |
3 | In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden. |
4 | Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er milder bestraft werden (Art. 48a).259 |
5 | Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.260 |
BGE 121 IV 269 S. 272
Bei dieser Sachlage sind die Rechtsgüter der Geisel objektiv erheblich stärker beeinträchtigt worden, als das beim Grundtatbestand der Fall ist. In BGE 121 IV 178 wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich dort um einen Grenzfall handelte (E. 2e). Hier sind die Rechtsgüter der Geisel aber deutlich stärker betroffen worden: Im Unterschied zu jenem Fall gab der Beschwerdegegner vor der Geiselnahme in Anwesenheit der späteren Geisel einen Schuss ab. Er hielt der Geisel die Pistole wiederholt gegen den Kopf und versetzte ihr zudem mit der Waffe einen Schlag; in BGE 121 IV 178 tat der Täter der Geisel über die kurze Bedrohung hinaus demgegenüber nichts an. Im vorliegenden Fall schliesslich waren Polizeibeamte am Tatort mit gezogener Dienstwaffe anwesend, in dem in BGE 121 IV 178 zu beurteilenden Fall dagegen nicht.
d) Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie wird sich darüber auszusprechen haben, ob die gegenüber dem Grundtatbestand objektiv erheblich stärkere Beeinträchtigung der Rechtsgüter der Geisel vom Vorsatz des Beschwerdegegners umfasst war. Bejahendenfalls wird sie ihn der qualifizierten Geiselnahme nach Art. 185 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 185 - 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
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1 | Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, |
2 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln. |
3 | In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden. |
4 | Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er milder bestraft werden (Art. 48a).259 |
5 | Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.260 |