120 Ib 16
3. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. Februar 1994 i.S. Yamina B. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und 7 ANAG sowie Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- Der Tod des schweizerischen Ehegatten eines Ausländers oder einer Ausländerin führt - unter Vorbehalt des selbständigen Anspruchs auf Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 7 Abs. 1
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EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- Auch das Recht auf Achtung des Familienlebens (nach Art. 8
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EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- Kann allenfalls aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens (gemäss Art. 8
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Regeste (fr):
- Art. 100 lettre b ch. 3 OJ, art. 4 et 7 LSEE, ainsi que 8 CEDH; recevabilité du recours de droit administratif contre une décision refusant de délivrer une autorisation de séjour à une étrangère dont le mari suisse est décédé.
- Le décès du conjoint suisse d'un étranger ou d'une étrangère, entraîne - sous réserve de l'existence d'un droit à une autorisation d'établissement selon l'art. 7 al. 1 2ème phrase LSEE - la perte du droit à une autorisation de séjour prévu par la loi (consid. 2).
- Dans un tel cas, le droit au respect de la vie familiale garanti par l'art. 8 CEDH ne permet pas non plus de se prévaloir d'un droit à une autorisation de séjour (consid. 3a).
- Ce droit peut-il, le cas échéant, être déduit du droit au respect de la vie privée découlant de l'art. 8 CEDH (consid. 3b)?
Regesto (it):
- Art. 100 lett. b
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- Il decesso del coniuge svizzero di uno straniero o di una straniera comporta - salvo che vi sia un diritto a ottenere un permesso di dimora giusta l'art. 7 cpv. 1 seconda frase LDDS - l'estinzione del diritto previsto dalla legge a ottenere un permesso (consid. 2).
- In un simile caso, neanche il diritto al rispetto della vita familiare (secondo l'art. 8 CEDU) permette di prevalersi di un tale diritto (consid. 3a).
- Si può, eventualmente, dedurre dal diritto al rispetto della vita privata (ai sensi dell'art. 8 CEDU) un diritto al rilascio di un permesso di dimora (consid. 3b)?
Sachverhalt ab Seite 17
BGE 120 Ib 16 S. 17
Die 1969 geborene marokkanische Staatsangehörige Yamina B. heiratete am 28. März 1992 den 1962 geborenen Schweizer Rudolf W. Am 8. April 1992 stellte sie ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Ehemann. Da die Ehegatten an verschiedenen Adressen gemeldet waren, wurde Yamina B. wegen des Verdachts der Eingehung einer Schein- beziehungsweise Ausländerrechtsehe befragt. Der schwer erkrankte Rudolf W. konnte zum gleichen Vorwurf nicht mehr einvernommen werden; er starb am 16. November 1992. Mit Verfügung vom 11. Januar 1993 wies die Fremdenpolizei des Kantons Zürich das Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ab. Ein Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich blieb erfolglos (Entscheid des Regierungsrates vom 11. August 1993). Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 14. September 1993 an das Bundesgericht stellt Yamina B. den Antrag, es sei der Beschluss des Regierungsrates aufzuheben und ihr die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein
Erwägungen
aus den folgenden Erwägungen:
1. Gemäss Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG ist auf dem Gebiete der Fremdenpolizei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht
BGE 120 Ib 16 S. 18
keinen Anspruch einräumt. Die zuständigen Behörden entscheiden über die Bewilligung des Aufenthalts im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland nach freiem Ermessen (Art. 4 ANAG). Damit steht dem Ausländer grundsätzlich kein Anspruch auf die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zu; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist darum ausgeschlossen, soweit der Ausländer sich nicht auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann, die ihm einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt.
2. a) Nach dem mit der Änderung des Bürgerrechtsgesetzes vom 23. März 1990 (AS 1991 1033) revidierten Art. 7 Abs. 1
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Freilich hatte sich das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung einzig mit der Situation zu befassen, dass die Eheleute getrennt lebten oder gar ein Scheidungsverfahren lief. Im vorliegenden Fall stellt sich dagegen die Frage, wie es sich verhält, wenn der schweizerische Ehegatte verstorben ist. c) Zivilrechtlich endet eine Ehe durch gerichtliche Auflösung oder durch den Tod eines Ehegatten (PETER TUOR/BERNHARD SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. Aufl., Zürich 1986, S. 156). Auch wenn letzteres nicht
BGE 120 Ib 16 S. 19
dazu führt, dass alle rechtlichen Wirkungen, die mit dem Eheschluss eingetreten sind, aufgehoben werden - zum Beispiel berührt der Tod eines Ehegatten den Familiennamen des Überlebenden nicht -, so wird die Ehe dadurch doch zivilrechtlich aufgelöst (CYRIL HEGNAUER/PETER BREITSCHMID, Grundriss des Eherechts, 3. Aufl., Bern 1993, S. 59 f., Rz. 6.02). Es fragt sich, ob diese Folge auf Art. 7 ANAG durchschlägt. In seiner Botschaft vom 26. August 1987 hat der Bundesrat festgehalten, dass der Anspruch auf Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung erlösche, wenn die ihm zugrundeliegenden Voraussetzungen nicht mehr erfüllt seien. Härtefällen, wie sie beispielsweise beim Tod des schweizerischen Ehepartners eintreten könnten, sei ihm Rahmen der allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes, insbesondere von Art. 4 ANAG, Rechnung zu tragen (BBl 1987 III 321). Damit vertrat der Bundesrat die Ansicht, dass beim Tod des schweizerischen Ehegatten die zuständige Bewilligungsbehörde mit freiem Ermessen über die Anwesenheitsregelung entscheiden könne. Diese Meinungsäusserung stand allerdings im Zusammenhang mit dem bundesrätlichen Antrag, wonach die Bewilligungserteilung ohnehin an die Voraussetzung gebunden gewesen wäre, dass die Ehegatten zusammen wohnten. Das Erfordernis wurde in der parlamentarischen Beratung fallengelassen (vgl. BGE 118 Ib 145 E. 3a-c). Aus der bundesrätlichen Botschaft kann daher genausowenig, wie dies im Fall der gerichtlichen oder tatsächlichen Trennung der Ehegatten zutrifft, unmittelbar abgeleitet werden, der Tod des schweizerischen Ehegatten lasse den Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung untergehen. Hingegen hat das Parlament einzig aus dem Grund auf die Voraussetzung des Zusammenlebens der Eheleute verzichtet, um den ausländischen Ehegatten vor unzumutbarer, willkürlicher oder gar missbräuchlicher Behandlung durch den schweizerischen Partner zu schützen (vgl. BGE 118 Ib 145 E. 3c). Auf den Todesfall des schweizerischen Ehegatten wurde in den Räten nicht eingegangen (vgl. Amtl.Bull. 1988 S 207-209, 1989 N 1456-1460 sowie 1990 S 124-125). Tatsächlich handelt es sich um eine gänzlich andere Interessenlage. Das Motiv des Schutzes des ausländischen Partners vor Willkür durch den schweizerischen Gatten fällt nach dessen Tod dahin, weshalb sich aus der parlamentarischen Beratung im Unterschied zum Trennungsfall nicht ableiten lässt, der Anwesenheitsanspruch müsse fortdauern. Zudem ist im Trennungsfall, solange eine Scheidung nicht ausgesprochen wurde, nicht ausgeschlossen, dass die Ehegatten später allenfalls wieder zusammenfinden könnten; daraus ergibt sich ein
BGE 120 Ib 16 S. 20
zusätzliches Bedürfnis, dem ausländischen Partner das Aufenthaltsrecht zu belassen. Ein vergleichbarer Zusammenhang findet sich dagegen beim Todesfall nicht. Immerhin dürfte der ausländische Gatte eines Schweizers oder einer Schweizerin bereits durch seine Heirat regelmässig in eine enge Beziehung zur Schweiz treten, was erst recht zutrifft, wenn die Eheleute auch hier leben. Je länger die Ehe dauert, desto grösser wird daher das Schutzbedürfnis, auch nach Auflösung der Ehe in der Schweiz bleiben zu können. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber insofern Rechnung getragen, als der ausländische Ehegatte eines Schweizers oder einer Schweizerin nach fünf Jahren einen Anspruch auf Niederlassungsbewilligung hat (Art. 7 Abs. 1
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BGE 120 Ib 16 S. 21
eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb die Beschwerdeführerin aus Art. 7 ANAG keinen solchen Anspruch mehr ableiten kann.
3. a) Art. 8 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
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BGE 120 Ib 16 S. 22
Rechts auf Achtung des Familienlebens zukommen. Die genaue Bestimmung und Gewichtung sowohl der Aufenthaltsdauer als auch der Qualität der privaten Beziehungen könne dabei allerdings nur im Rahmen einer umfassenden Interessen- und Rechtsgüterabwägung nach Art. 8 Ziff. 2
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Selbst wenn aber unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens auf die Beschwerde eingetreten würde, vermöchten die geringen privaten Interessen an einer Anwesenheitsbewilligung die entgegenstehenden öffentlichen Interessen im Rahmen einer Abwägung gemäss Art. 8 Ziff. 2
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