119 IV 54
10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Februar 1993 i.S. M. gegen Öffentliches Amt des Kantons Wallis (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 110 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154 2 Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben. 3 Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben. 3bis Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155 4 Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient. 5 Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden. 6 Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet. 7 Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1 Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, 2 ...330 - Der Urkundencharakter eines Schriftstückes ist relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundencharakter haben, mit Bezug auf andere nicht (E. 2c/aa).
- Ermächtigt der Bauherr den bauleitenden Architekten, die Unternehmerrechnungen im Sinne der SIA-Normen zu genehmigen, darf er sich darauf verlassen, dass der Architekt seiner Prüfungspflicht in jeder Hinsicht nachkommt. Die in der schriftlichen Genehmigung einer Unternehmerrechnung liegende wahrheitswidrige Erklärung des Architekten, die genehmigte Rechnung sei inhaltlich richtig, erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung (E. 2d).
Regeste (fr):
- Art. 110 ch. 5, art. 251 ch. 1 CP; faux intellectuel.
- Le caractère de titre d'un écrit est relatif. Il peut avoir ce caractère sous certains aspects et ne pas l'avoir sous d'autres (consid. 2c/aa).
- Lorsque le maître de l'ouvrage donne à l'architecte qui dirige les travaux le mandat d'approuver les factures des entreprises au sens des normes SIA, il est en droit d'attendre que ce dernier accomplira son devoir sur tous les points. La déclaration mensongère de l'architecte selon laquelle la facture approuvée correspond à la vérité constitue un faux intellectuel si elle figure sur l'approbation écrite (consid. 2d).
Regesto (it):
- Art. 110 n. 5, art. 251 n. 1 CP; falsità ideologica.
- Il carattere di documento di un atto scritto è relativo. Esso può avere tale carattere sotto certi aspetti e non averlo sotto altri (consid. 2c/aa).
- Ove il committente incarichi l'architetto che dirige i lavori di approvare le fatture degli imprenditori, ai sensi delle norme SIA, egli può attendersi che tale architetto adempia il suo obbligo di controllo su tutti i punti. La dichiarazione inveritiera, secondo cui il contenuto della fattura è esatto, costituisce una falsità ideologica se figura sull'approvazione scritta (consid. 2d).
Sachverhalt ab Seite 55
BGE 119 IV 54 S. 55
A.- Das Kantonsgericht Wallis befand M. mit Urteil vom 26. Mai/17. Juni 1992 zweitinstanzlich schuldig des gewerbsmässigen Betrugs, der Urkundenfälschung, der Erschleichung einer Falschbeurkundung sowie des wiederholten Pfändungsbetrugs und bestrafte ihn in Ausfällung einer teilweisen Zusatzstrafe zum Urteil des Kreisgerichts Oberwallis für den Bezirk Leuk vom 30. Januar 1981 mit 20 Monaten Zuchthaus, abzüglich 354 Tage Untersuchungshaft.
B.- M. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der einzige Schuldspruch, den der Beschwerdeführer mit einer hinreichenden Begründung anficht, ist die Verurteilung wegen Falschbeurkundung im Zusammenhang mit Aushubarbeiten. a) Eine Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, |
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1 | Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, |
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hergestellten Rechnungen vorerst dem Architekten zur Kontrolle und Visierung vorgelegt worden. Dadurch hätten die Rechnungen erhöhte Überzeugungskraft gewonnen und seien damit als Beweismittel geeignet. Die Prüfung der vom Bauunternehmer gestellten Rechnung durch den bauleitenden Architekten solle dem Bauherrn objektive Gewähr bieten, dass die in der Rechnung aufgeführten Leistungen, soweit sie vom Bauleiter bestätigt wurden, tatsächlich erbracht worden sind. Der Rechnungskontrolle durch den Bauleiter komme für die Abrechnung zwischen dem Unternehmer und dem Besteller zentrale Bedeutung zu. Der Bauherr müsse sich daher auf die Angaben des von ihm mit der Bauleitung betrauten Architekten verlassen können. Diesem komme im Verhältnis zum Bauherrn eine ähnliche Vertrauensstellung zu wie dem Arzt gegenüber der Krankenkasse. Der auf der Rechnung des Unternehmers angebrachte Kontrollstempel mit der Unterschrift des bauleitenden Architekten sei nach der Verkehrsübung bestimmt und geeignet, den Beweis für die Wahrheit der gegebenenfalls berichtigten Rechnung zu erbringen, und verleihe damit diesem Schriftstück Urkundencharakter. Als Aussteller der Urkunde sei dabei, da die Rechnung erst durch die Bestätigung des bauleitenden Architekten Urkundenqualität erlange, der Bauleiter, hier also der Beschwerdeführer, zu betrachten. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als die fraglichen Rechnungen nach der Weisung des Beschwerdeführers erstellt worden seien. c) aa) Der Urkundencharakter eines Schriftstückes ist relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundencharakter haben, mit Bezug auf andere nicht. So können die auf Veranlassung des Beschwerdeführers erstellten Rechnungen unabhängig davon, ob sie inhaltlich richtig sind, Urkunden für den Beweis der Tatsache darstellen, dass die entsprechende Erklärung durch die entsprechende Baufirma abgegeben worden ist. An diesen Rechnungen können deshalb prinzipiell Urkundendelikte begangen werden, etwa durch ihre unzulässige Veränderung (Urkundenfälschung) oder, je nach Umständen, durch ihre Beseitigung (Urkundenunterdrückung). Mit dieser Aussage, dass die Rechnungen prinzipiell Urkundencharakter haben können, ist jedoch noch keine Antwort darauf gegeben, ob sich der Beschwerdeführer der Falschbeurkundung schuldig gemacht hat, indem er die Erstellung inhaltlich unrichtiger Rechnungen veranlasst und sie anschliessend mit seinem Visum als richtig bestätigt hat. bb) Bei der Falschbeurkundung geht es allein darum, dass die in der Urkunde enthaltene Erklärung nicht mit der Wahrheit übereinstimmt, wobei nach allgemeiner Ansicht die einfache schriftliche
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Lüge keine Falschbeurkundung darstellt. Nach Lehre und Rechtsprechung darf eine Falschbeurkundung, also eine Art qualifizierte schriftliche Lüge, nur dann angenommen werden, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten, wie sie u.a. in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson und in gesetzlichen Vorschriften gefunden werden können, die, wie etwa die Bilanzvorschriften der Art. 958 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 958 - 1 Die Rechnungslegung soll die wirtschaftliche Lage des Unternehmens so darstellen, dass sich Dritte ein zuverlässiges Urteil bilden können. |
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1 | Die Rechnungslegung soll die wirtschaftliche Lage des Unternehmens so darstellen, dass sich Dritte ein zuverlässiges Urteil bilden können. |
2 | Die Rechnungslegung erfolgt im Geschäftsbericht. Dieser enthält die Jahresrechnung (Einzelabschluss), die sich aus der Bilanz, der Erfolgsrechnung und dem Anhang zusammensetzt. Die Vorschriften für grössere Unternehmen und Konzerne bleiben vorbehalten. |
3 | Der Geschäftsbericht muss innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres erstellt und dem zuständigen Organ oder den zuständigen Personen zur Genehmigung vorgelegt werden. Er ist vom Vorsitzenden des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans und der innerhalb des Unternehmens für die Rechnungslegung zuständigen Person zu unterzeichnen. |
dd) Umgekehrt erfüllt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Erstellung eines unrichtigen Krankenscheines den Tatbestand der Falschbeurkundung. Denn mit einem Krankenschein macht der Arzt gegenüber der Krankenkasse Leistungen für sich oder den Patienten geltend. Aufgrund seiner besonderen Stellung ist er zur wahrheitsgetreuen Angabe verpflichtet und deshalb auch besonders glaubwürdig (BGE 117 IV 169 f. unter Hinweis auf BGE 103 IV 184). Dem Krankenschein kommt somit eine über eine blosse Rechnung hinausgehende qualifizierte Funktion zu. In BGE 103 IV 184 wurde dies im einzelnen wie folgt begründet: Eine Überprüfung namentlich der vom Arzt verzeichneten Anzahl Konsultationen im Einzelfall durch die Kasse sei nicht möglich und in der Regel auch nicht zumutbar. Der Arzt stehe nicht nur zu seinem Patienten, sondern auch zur Krankenkasse, mit der er vertraglich verbunden sei, in einem besonderen Vertrauensverhältnis. Hinzu komme, dass durch den von der Ärztegesellschaft mit dem Krankenkassenverband abgeschlossenen Vertrag die Ärzte sich
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verpflichtet hätten, jeder unberechtigten Inanspruchnahme der Kasse entgegenzuwirken. d) Es erhebt sich die Frage, ob der bauleitende Architekt, der die Rechnungen der Unternehmer zu prüfen und gegebenenfalls zu genehmigen hat, sich in einer vergleichbaren Stellung befindet. aa) Nach der SIA-Norm 118, Art. 153-156, wickelt sich die Schlussabrechnung wie folgt ab: Der Unternehmer reicht seine Rechnung der Bauleitung ein (Art. 154 Abs. 1). Diese prüft sie und gibt dem Unternehmer über das Ergebnis Bescheid (Art. 154 Abs. 2). Ergeben sich bei der Prüfung keine Differenzen, so gilt die Schlussabrechnung mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung als beidseitig anerkannt. Allfällige Differenzen sind baldmöglichst zu bereinigen (Art. 154 Abs. 3). Die durch die Schlussabrechnung ermittelte Forderung des Unternehmers wird mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung fällig (Art. 155 Abs. 1). Der Prüfungsbescheid der Bauleitung bedeutet eine für den Bauherrn verbindliche Anerkennung (GAUCH/SCHUMACHER, Kommentar zur SIA-Norm 118, Art. 38-156, Zürich 1992, Art. 154 N 24). bb) Nach der SIA-Ordnung 102 gehört zu den Aufgaben der Bauleitung die Kontrolle der Rechnung und Zahlungsanweisungen sowie der Abschluss der Unternehmer- und Lieferantenrechnungen (Art. 4.4; vgl. RUDOLF SCHWAGER, Die Vollmacht des Architekten, in: GAUCH/TERCIER, Das Architektenrecht, Freiburg 1986, N 813). cc) Den SIA-Normen kommt als einem privaten Regelwerk keine allgemeine Verbindlichkeit im Sinne eines Gesetzes oder einer Verordnung zu. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie jedenfalls in den Bereichen, in denen sie inhaltlich nicht zu beanstanden sind, für diejenigen, die sich ihnen unterwerfen, von ähnlich hoher Bedeutung wie ein Gesetz sind (BGE 117 IV 168 mit Hinweisen). Es rechtfertigt sich deshalb für die Frage, welche Stellung dem bauleitenden Architekten bei der Genehmigung von Rechnungen zukommt, auch auf Regeln der SIA-Ordnung zurückzugreifen, und zwar auch dort, wo sich die Parteien diesen nicht direkt unterworfen haben, aber konkludent von der Geltung einer Regel der SIA-Ordnung ausgehen. Deshalb braucht auf die Bedenken, die gegen das SIA-Regelwerk vorgebracht werden (vgl. BGE 109 II 461 E. e; GAUCH, Der Werkvertrag, 3. A. N 865; SCHWAGER, a.a.O., N 809), hier nicht eingegangen zu werden. dd) Der Bauherr ist in der Regel schon mangels fachlicher Kenntnisse nicht in der Lage zu überprüfen, ob Unternehmerrechnungen
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richtig sind. Jedenfalls bei grösseren Bauten fehlt ihm dazu häufig auch die Zeit. Wenn er deshalb den bauleitenden Architekten ermächtigt, die Unternehmerrechnungen im Sinne der SIA-Normen zu genehmigen, dann verlässt er sich darauf, dass der Architekt aufgrund seiner besonderen fachlichen Kenntnis und der ihm übertragenen besonderen Aufgabe seiner Prüfungspflicht in jeder Hinsicht nachkommt. Aufgrund der besonderen Stellung des bauleitenden Architekten im Verhältnis zwischen Bauherr und Unternehmer darf er sich auch darauf verlassen. Der Architekt, der die Pflicht zur ordnungsgemässen Prüfung der Schlussabrechnung übernommen hat, befindet sich insoweit in einer garantenähnlichen Stellung in bezug auf das Vermögen des Bauherrn. Die in der Genehmigung der Unternehmerrechnung liegende Erklärung des bauleitenden Architekten, die genehmigte Rechnung sei inhaltlich richtig, stellt deshalb mehr als eine einfache schriftliche Lüge dar. Sie erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, |
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