Urteilskopf

119 IV 190

33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Juni 1993 i.S. L. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Sachverhalt ab Seite 190

BGE 119 IV 190 S. 190

A.- L. wurde mit Urteil der Kriminalkammer Thurgau vom 24. Oktober 1988/17. April 1989 wegen Vermögens- und Betäubungsmitteldelikten, teilweise als Zusatzstrafe, zu viereinhalb Jahren Zuchthaus bestraft. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde zugunsten einer stationären Behandlung von Rauschgiftsüchtigen aufgeschoben. Nachdem die Massnahmen mit verschiedenen Unterbrüchen an mehreren Orten vollzogen worden war, hob das Departement für
BGE 119 IV 190 S. 191

Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau am 21. September 1992 die gerichtlich angeordnete Massnahme wegen Aussichtslosigkeit mit sofortiger Wirkung auf.
B.- Das Obergericht des Kantons Thurgau erklärte hierauf mit Urteil vom 27. Oktober 1992 die Reststrafe als vollziehbar und ordnete an, L. habe sich während der Dauer des Strafvollzuges einer ambulanten psychiatrischen respektive psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen.
C.- Dagegen führt L. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Beschwerdeführer wendet ein, die verhängte Massnahme sei zu Unrecht als aussichtslos bezeichnet und aufgehoben worden. Bei Erfolg- oder Aussichtslosigkeit der Behandlung entscheidet nach Art. 43 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
1    Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
2    Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen.
3    Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar.
und 44 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 44 - 1 Schiebt das Gericht den Vollzug einer Strafe ganz oder teilweise auf, so bestimmt es dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren.
1    Schiebt das Gericht den Vollzug einer Strafe ganz oder teilweise auf, so bestimmt es dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren.
2    Für die Dauer der Probezeit kann das Gericht Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen.
3    Das Gericht erklärt dem Verurteilten die Bedeutung und die Folgen der bedingten und der teilbedingten Strafe.
4    Die Probezeit beginnt mit Eröffnung des Urteils, das vollstreckbar wird.39
StGB der Richter, ob und welche Sanktion an die Stelle der ursprünglichen Massnahme treten soll. Aus diesen Bestimmungen geht nicht ausdrücklich hervor, welche Behörde zu entscheiden hat, ob und wann eine Behandlung erfolglos, unzweckmässig, für Dritte gefährlich oder aussichtslos ist. Wenn das kantonale Recht die Beurteilung dieser Frage der administrativen Vollzugsbehörde überträgt, wie dies vorliegend der Fall ist, so äussert sich diese einzig über die Wirksamkeit der verfügten Massnahme, wobei sie sich auf die Erfahrungen stützt, die während der Durchführung der Massnahme gemacht wurden. Auch wenn die Behörde zum Schluss kommt, dass die Weiterführung der Behandlung aussichtslos und diese deshalb abzubrechen sei, wird mit dem Entscheid noch nichts am Urteil, mit dem die Massnahme angeordnet wurde, geändert: Das Urteil bleibt bestehen, es wird einzig festgestellt, dass die angeordnete Massnahme ihren Zweck nicht erreichen kann und auf deren weiteren Vollzug zu verzichten ist. Die Verfügung ist somit eine typische Vollzugsentscheidung, die nach Ausschöpfung der kantonalen Rechtsmittel mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann (Art. 5
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 5
1    Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
a  Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten;
b  Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten;
c  Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten oder Nichteintreten auf solche Begehren.
2    Als Verfügungen gelten auch Vollstreckungsverfügungen (Art. 41 Abs. 1 Bst. a und b), Zwischenverfügungen (Art. 45 und 46), Einspracheentscheide (Art. 30 Abs. 2 Bst. b und 74), Beschwerdeentscheide (Art. 61), Entscheide im Rahmen einer Revision (Art. 68) und die Erläuterung (Art. 69).25
3    Erklärungen von Behörden über Ablehnung oder Erhebung von Ansprüchen, die auf dem Klageweg zu verfolgen sind, gelten nicht als Verfügungen.
VwVG; Art. 97 ff
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 5
1    Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
a  Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten;
b  Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten;
c  Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten oder Nichteintreten auf solche Begehren.
2    Als Verfügungen gelten auch Vollstreckungsverfügungen (Art. 41 Abs. 1 Bst. a und b), Zwischenverfügungen (Art. 45 und 46), Einspracheentscheide (Art. 30 Abs. 2 Bst. b und 74), Beschwerdeentscheide (Art. 61), Entscheide im Rahmen einer Revision (Art. 68) und die Erläuterung (Art. 69).25
3    Erklärungen von Behörden über Ablehnung oder Erhebung von Ansprüchen, die auf dem Klageweg zu verfolgen sind, gelten nicht als Verfügungen.
. OG). Das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau entschied am 21. September 1992, dass es aussichtslos sei, den Beschwerdeführer weiter im Massnahmevollzug zu belassen und hob die nach Art. 44
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 44 - 1 Schiebt das Gericht den Vollzug einer Strafe ganz oder teilweise auf, so bestimmt es dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren.
1    Schiebt das Gericht den Vollzug einer Strafe ganz oder teilweise auf, so bestimmt es dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren.
2    Für die Dauer der Probezeit kann das Gericht Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen.
3    Das Gericht erklärt dem Verurteilten die Bedeutung und die Folgen der bedingten und der teilbedingten Strafe.
4    Die Probezeit beginnt mit Eröffnung des Urteils, das vollstreckbar wird.39
StGB verhängte stationäre Massnahme auf. Gegen
BGE 119 IV 190 S. 192

diese Verfügung, die in Rechtskraft erwachsen ist, wäre nach Ergreifen der kantonalen Rechtsmittel die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offengestanden, wurde indessen nicht ergriffen. Im heute angefochtenen Urteil hatte die Vorinstanz hingegen nur noch über den Vollzug der aufgeschobenen Strafen oder die Anordnung einer anderen Massnahme zu entscheiden. In der Nichtigkeitsbeschwerde gegen diesen Entscheid kann die festgestellte Aussichtslosigkeit der Massnahme nicht mehr angefochten werden. Auf den Einwand des Beschwerdeführers ist deshalb nicht einzutreten.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 119 IV 190
Date : 18. Juni 1993
Published : 31. Dezember 1993
Source : Bundesgericht
Status : 119 IV 190
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 43 Ziff. 3 und 44 Ziff. 3 StGB, Art. 5 VwVG, Art. 97 Abs. 1 OG, Art. 268 BStP; Entscheid über die Aussichtslosigkeit


Legislation register
BStP: 268
OG: 97
StGB: 43  44
VwVG: 5
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119-IV-190
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