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BGE-119-II-404


Urteilskopf

119 II 404

82. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Oktober 1993 i.S. T. gegen T. (Berufung)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 405

BGE 119 II 404 S. 405

A.- Die Parteien sind mit anderen, am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Personen Stockwerkeigentümer einer Liegenschaft in Basel. René T. und zwei weitere Stockwerkeigentümer beantragten in der Stockwerkeigentümerversammlung vom 11. Februar 1986 die Abberufung der Verwalterin, X. Verwaltungs AG. Da sie mit ihrem Antrag unterlagen, klagten sie beim Zivilgericht Basel-Stadt auf Abberufung der Verwaltung. Mit Urteil vom 21. Oktober 1987 hiess das Gericht die Klage gut und verurteilte die beklagte Stockwerkeigentümergemeinschaft zur Bezahlung der Gerichtskosten
BGE 119 II 404 S. 406

in der Höhe von Fr. 2'386.--, zuzüglich der ausserordentlichen Kosten. In Bilanz und Rechnung für das Jahr 1986 hatte die X. Verwaltungs AG sämtliche Stockwerkeigentümer anteilsmässig mit Prozesskosten im Betrag von Fr. 10'812.30 belastet; unter die besagten Kosten fiel auch eine Zahlung von Fr. 7'000.-- als Anwaltskostenvorschuss, die im Rahmen des Verfahrens auf Abberufung der Verwaltung an den Vertreter der beklagten Stockwerkeigentümergemeinschaft geleistet worden war. Da die damaligen Kläger davon ausgingen, an diese Auslagen nichts beitragen zu müssen, fochten sie die Genehmigung der Jahresrechnung 1986 beim Zivilgericht Basel-Stadt an. Dieses Gericht hiess die Klage mit Urteil vom 4. Oktober 1988 gut und verpflichtete die Stockwerkeigentümergemeinschaft zur Bezahlung der Gerichtskosten im Betrag von Fr. 2'102.-- sowie zur Übernahme der ausserordentlichen Kosten.
B.- Am 11. September 1990 klagte René T. gegen Karl Peter T. auf Zahlung von Fr. 9'136.95 nebst 5% Zins seit 28. März 1990. Er begründete seine Klage damit, dass er in beiden Prozessen an ordentlichen und ausserordentlichen Kosten insgesamt Fr. 20'588.60 aufgewendet habe, weshalb ihm Karl Peter T. den eingeklagten, anteilsmässigen Betrag nebst Zinsen schulde. Mit Urteil vom 13. Mai 1992 hiess das Bezirksgericht Arlesheim die Klage in vollem Umfang gut. Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft bestätigte auf Berufung des Beklagten hin am 20. April 1993 das erstinstanzliche Urteil.
C.- Mit eidgenössischer Berufung vom 21. Mai 1993 verlangt der Beklagte, Karl Peter T., das obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. René T. beantragt, die Berufung abzuweisen und die vorinstanzlichen Urteile zu bestätigen. Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft hat sich nicht vernehmen lassen. Das Bundesgericht weist die Klage in Gutheissung der Berufung ab.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. Nach Art. 649 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 649 - 1 Die Verwaltungskosten, Steuern und anderen Lasten, die aus dem Miteigentum erwachsen oder auf der gemeinschaftlichen Sache ruhen, werden von den Miteigentümern, wo es nicht anders bestimmt ist, im Verhältnis ihrer Anteile getragen.
ZGB werden Verwaltungskosten, Steuern und andere Lasten, die aus dem Miteigentum erwachsen oder auf der gemeinschaftlichen Sache ruhen, von den Miteigentümern
BGE 119 II 404 S. 407

im Verhältnis ihrer Anteile übernommen, sofern nichts anderes bestimmt ist. Hat ein Miteigentümer solche Auslagen über seinen Anteil hinaus getragen, kann er von den andern nach dem gleichen Verhältnis Ersatz verlangen (Art. 649 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 649 - 1 Die Verwaltungskosten, Steuern und anderen Lasten, die aus dem Miteigentum erwachsen oder auf der gemeinschaftlichen Sache ruhen, werden von den Miteigentümern, wo es nicht anders bestimmt ist, im Verhältnis ihrer Anteile getragen.
ZGB). Diese Beitragspflicht stellt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung eine Realobligation zu Lasten der jeweiligen Miteigentümer und zugunsten desjenigen Miteigentümers dar, welcher im Rahmen der Befugnisse der Art. 647 bis
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 649 - 1 Die Verwaltungskosten, Steuern und anderen Lasten, die aus dem Miteigentum erwachsen oder auf der gemeinschaftlichen Sache ruhen, werden von den Miteigentümern, wo es nicht anders bestimmt ist, im Verhältnis ihrer Anteile getragen.
647e ZGB gehandelt und hiefür Ausgaben über seinen Anteil hinaus getätigt hat. Verwaltungskosten im Sinne von Art. 649
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 649 - 1 Die Verwaltungskosten, Steuern und anderen Lasten, die aus dem Miteigentum erwachsen oder auf der gemeinschaftlichen Sache ruhen, werden von den Miteigentümern, wo es nicht anders bestimmt ist, im Verhältnis ihrer Anteile getragen.
ZGB sind Auslagen, die dem einzelnen Miteigentümer bei Ausübung der ihm nach Art. 647 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 647 - 1 Die Miteigentümer können eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Nutzungs- und Verwaltungsordnung vereinbaren und darin vorsehen, dass diese mit Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer geändert werden kann.561
. ZGB oder nach besonderer Vereinbarung zustehenden Verwaltungsbefugnisse erwachsen. Dabei handelt es sich namentlich um solche für den Unterhalt, die Bewirtschaftung und die Erhaltung der Sache, Reparaturkosten, Auslagen für die Bepflanzung sowie Versicherungsprämien. Die "anderen Lasten" können dagegen im privaten (Hypothekarzinsen, Kapitalrückzahlungen) oder im öffentlichen Recht (Strassen- und Trottoirbeiträge usw.) begründet sein (BGE 119 II 331 E. 7a mit Hinweisen auf die herrschende Lehre und Rechtsprechung). Die jedem einzelnen Miteigentümer zustehenden Verwaltungsbefugnisse, welche nötigenfalls vom Richter angeordnet werden können (Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 647 - 1 Die Miteigentümer können eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Nutzungs- und Verwaltungsordnung vereinbaren und darin vorsehen, dass diese mit Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer geändert werden kann.561
in fine ZGB) gehören zur Geschäftsführung im gemeinschaftlichen Interesse (MEIER-HAYOZ, N 3 zu Art. 647
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 647 - 1 Die Miteigentümer können eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Nutzungs- und Verwaltungsordnung vereinbaren und darin vorsehen, dass diese mit Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer geändert werden kann.561
ZGB). Gemäss herrschender Lehre ist Art. 649 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 649 - 1 Die Verwaltungskosten, Steuern und anderen Lasten, die aus dem Miteigentum erwachsen oder auf der gemeinschaftlichen Sache ruhen, werden von den Miteigentümern, wo es nicht anders bestimmt ist, im Verhältnis ihrer Anteile getragen.
ZGB auch auf das Stockwerkeigentum als besonders ausgestaltetes Miteigentum anwendbar (MEIER-HAYOZ/REY, N. 29 zu Art. 712h
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712h - 1 Die Stockwerkeigentümer haben an die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und an die Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung Beiträge nach Massgabe ihrer Wertquoten zu leisten.
ZGB). Zu den Verwaltungsbefugnissen im vorgenannten Sinn kann indessen die Anfechtung des Beschlusses der Mehrheit der Miteigentümer, welche im Rahmen der Jahresrechnung die Übernahme von Prozesskosten der schliesslich unterlegenen Stockwerkeigentümergemeinschaft und deren Verteilung auf sämtliche, mithin auch auf die obsiegenden Stockwerkeigentümer genehmigt hat, nicht zählen. Damit werden in erster Linie und hauptsächlich Einzelinteressen verfolgt, weshalb dieser Teil des vorinstanzlichen Entscheides von vornherein nicht unter Berufung auf den Verteilungsschlüssel des Art. 649
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 649 - 1 Die Verwaltungskosten, Steuern und anderen Lasten, die aus dem Miteigentum erwachsen oder auf der gemeinschaftlichen Sache ruhen, werden von den Miteigentümern, wo es nicht anders bestimmt ist, im Verhältnis ihrer Anteile getragen.
ZGB begründet werden kann.
Der Entscheid leidet aber auch insoweit an einem Widerspruch, als er die Verurteilung des Beklagten auf das Kriterium der Gemeinschaft stützt, den Kläger indessen von jeder Beteiligung befreit, und zwar ungeachtet des in Art. 649 (und wiederum in Art. 712h Abs. 1)
BGE 119 II 404 S. 408

ZGB ausgesprochenen Grundsatzes, wonach die Tragung der Kosten im Verhältnis der Anteile stattfindet und Ersatz nur über den eigenen Anteil hinaus verlangt werden kann.
5. Eine Geschäftsführung im gemeinschaftlichen Interesse kann hingegen, in einem etwas weiteren Sinne, in der (erfolgreich durchgesetzten) Abberufung eines unfähigen Verwalters erblickt werden. Auch damit lässt sich jedoch dieser Teil des angefochtenen Entscheides nicht aufrechterhalten. Gegenstand der vom Kläger und zwei weiteren Stockwerkeigentümern eingereichten Klagen waren Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung, deren Anfechtung in der auf das Vereinsrecht hinweisenden Bestimmung des Art. 712m Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712m - 1 Ausser den in andern Bestimmungen genannten hat die Versammlung der Stockwerkeigentümer insbesondere die folgenden Befugnisse:
ZGB ausdrücklich vorgesehen und hinsichtlich des Beschlusses auf Ablehnung der Abberufung des Verwalters in Art. 712r Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712r - 1 Durch Beschluss der Versammlung der Stockwerkeigentümer kann der Verwalter unter Vorbehalt allfälliger Entschädigungsansprüche jederzeit abberufen werden.
ZGB sogar noch besonders erwähnt ist. Die Aktivlegitimation zur Anfechtung entsprechender Beschlüsse kommt jedem einzelnen Stockwerkeigentümer zu. Passivlegitimiert ist dagegen die Stockwerkeigentümergemeinschaft, die insoweit auch über eine beschränkte Handlungs-, Prozess- und Betreibungsfähigkeit sowie über eigenes Vermögen verfügt (Art. 712l Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712l - 1 Unter ihrem eigenen Namen erwirbt die Gemeinschaft das sich aus ihrer Verwaltungstätigkeit ergebende Vermögen, wie namentlich die Beitragsforderungen und die aus ihnen erzielten verfügbaren Mittel, wie den Erneuerungsfonds.
ZGB; MEIER-HAYOZ/REY, N. 98 zu Art. 712l
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712l - 1 Unter ihrem eigenen Namen erwirbt die Gemeinschaft das sich aus ihrer Verwaltungstätigkeit ergebende Vermögen, wie namentlich die Beitragsforderungen und die aus ihnen erzielten verfügbaren Mittel, wie den Erneuerungsfonds.
ZGB mit ausdrücklichem Hinweis auf die Klage betreffend Ernennung und Abberufung des Verwalters und Anfechtung eines Beschlusses der Stockwerkeigentümerversammlung). Die Klage ist deshalb gegen die Gemeinschaft und nicht gegen die einzelnen Stockwerkeigentümer zu richten (MEIER-HAYOZ/REY, N. 139 zu Art. 712m
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712m - 1 Ausser den in andern Bestimmungen genannten hat die Versammlung der Stockwerkeigentümer insbesondere die folgenden Befugnisse:
ZGB mit Hinweisen). Dem entspricht denn auch das vom Kläger und seinen Mitstreitern gewählte Vorgehen. Deren Klagen wurden gutgeheissen, und die ordentlichen bzw. ausserordentlichen Kosten der unterlegenen, beklagten Stockwerkeigentümergemeinschaft auferlegt. Es hätte deshalb nahegelegen, diese Prozesskosten bei der Gemeinschaft einzutreiben. Stattdessen hat der Kläger die Stockwerkeigentümer, welche den schliesslich aufgehobenen Beschluss herbeigeführt hatten, einzig im Verhältnis zu ihrer Wertquote belangt. Die dafür gegebene Begründung vermag indessen keineswegs zu überzeugen. Wie der Kläger selber einräumt, hätte er die Möglichkeit gehabt, die Stockwerkeigentümergemeinschaft auf "Rückvergütung" der Gerichts- und Anwaltskosten einzuklagen. Er macht jedoch geltend, dass sich in diesem Verfahren erneut die Frage der internen Verteilung dieser Kosten gestellt hätte und er wiederum die gerichtliche Feststellung hätte beantragen müssen, dass er im Innenverhältnis keine Kosten zu tragen habe. Im übrigen sei die Gemeinschaft zahlungsunfähig,
BGE 119 II 404 S. 409

da weder der Beklagte noch die X. Verwaltungs AG (eine weitere Stockwerkeigentümerin) Beiträge leisten würden. Dabei übersieht der Kläger jedoch zunächst einmal, dass die Kostenregelung und die Belastung der Stockwerkeigentümergemeinschaft mit sämtlichen Kosten namentlich auch von ihm nicht angefochten worden und folglich in Rechtskraft erwachsen ist. Sodann ist ihm entgegenzuhalten, dass die Gemeinschaft für die auf die letzten drei Jahre entfallenen Beitragsforderungen gegenüber jedem Stockwerkeigentümer ein als Realobligation ausgestaltetes, gesetzliches Pfandrecht beanspruchen kann, dessen Eintragung unter Umständen sogar von einem durch den Richter ermächtigten Stockwerkeigentümer bzw. vom Gläubiger, für den die Beitragsforderung gepfändet ist, verlangt werden kann (Art. 712i
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712i - 1 Die Gemeinschaft hat für die auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen Anspruch gegenüber jedem jeweiligen Stockwerkeigentümer auf Errichtung eines Pfandrechtes an dessen Anteil.
ZGB). Schliesslich verliert der Kläger aus den Augen, dass der Gemeinschaft für die gleichen Beitragsforderungen ein Retentionsrecht an den beweglichen Sachen zusteht, die sich in den Räumen eines Stockwerkeigentümers befinden (Art. 712k
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712k - Die Gemeinschaft hat für die auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen an den beweglichen Sachen, die sich in den Räumen eines Stockwerkeigentümers befinden und zu deren Einrichtung oder Benutzung gehören, ein Retentionsrecht wie ein Vermieter.
ZGB). Entgegen den klägerischen Ausführungen bestand somit kein Anlass, gegen einzelne Stockwerkeigentümer, welche formell nicht Partei waren, vorzugehen.
6. Der angefochtene Entscheid kann somit nur Bestand haben, wenn die einzelnen Stockwerkeigentümer unmittelbar neben der Gemeinschaft haften. Dies ist jedoch in Übereinstimmung mit MEIER-HAYOZ/REY (N 63-67 zu Art. 712l
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712l - 1 Unter ihrem eigenen Namen erwirbt die Gemeinschaft das sich aus ihrer Verwaltungstätigkeit ergebende Vermögen, wie namentlich die Beitragsforderungen und die aus ihnen erzielten verfügbaren Mittel, wie den Erneuerungsfonds.
ZGB, unter Hinweis auf CHRISTOPH MÜLLER, Zur Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer, Diss. ZH 1973, S. 49 f. und HANSJÖRG FREI, Zum Aussenverhältnis der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer, Diss. ZH 1970, S. 71 f.) zu verneinen. Wie MEIER-HAYOZ/REY (a.a.O.) zu Recht ausführen, würde die gegenteilige Lösung die im Gesetz für den Bereich der gemeinschaftlichen Verwaltung eingeführte Verselbständigung der Stockwerkeigentümergemeinschaft wieder in Frage stellen. Der Gesetzgeber hat denn auch bewusst auf die solidarische Haftung der Stockwerkeigentümer verzichtet, auf ein das Gemeinschaftsverhältnis kennzeichnendes körperschaftliches Element hingewiesen und die Gemeinschaft nach aussen "wie die Kollektivgesellschaft" als vermögensfähig bezeichnet (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Abänderung des vierten Teils des Zivilgesetzbuches (Miteigentum und Stockwerkeigentum) vom 7. Dezember 1962, BBl 1962 II S. 1491/92; Amtl.Bull. NR 1963: Votum BR Furgler, S. 188, letzter Absatz; vgl. auch MEIER-HAYOZ/REY, N. 64 zu Art. 712l
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712l - 1 Unter ihrem eigenen Namen erwirbt die Gemeinschaft das sich aus ihrer Verwaltungstätigkeit ergebende Vermögen, wie namentlich die Beitragsforderungen und die aus ihnen erzielten verfügbaren Mittel, wie den Erneuerungsfonds.
ZGB).
BGE 119 II 404 S. 410

Die Gläubiger der Gemeinschaft werden, wie bereits erwähnt, durch deren ausschliessliche Haftung nicht benachteiligt, da die Gemeinschaft über die durch ein Pfand- bzw. Retentionsrecht gesicherten Beitragsforderungen verfügt. Reichen die liquiden Mittel der Gemeinschaft zur Befriedigung der Gläubiger nicht aus, bleibt es diesen unbenommen, die Beitragsforderungen an Zahlungsstatt abzutreten, sich zu deren Einziehung ermächtigen zu lassen (Art. 131 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 131 - 1 Geldforderungen des Schuldners, welche keinen Markt- oder Börsenpreis haben, werden, wenn sämtliche pfändende Gläubiger es verlangen, entweder der Gesamtheit der Gläubiger oder einzelnen von ihnen für gemeinschaftliche Rechnung zum Nennwert an Zahlungs Statt angewiesen. In diesem Falle treten die Gläubiger bis zur Höhe ihrer Forderungen in die Rechte des betriebenen Schuldners ein.
1    Geldforderungen des Schuldners, welche keinen Markt- oder Börsenpreis haben, werden, wenn sämtliche pfändende Gläubiger es verlangen, entweder der Gesamtheit der Gläubiger oder einzelnen von ihnen für gemeinschaftliche Rechnung zum Nennwert an Zahlungs Statt angewiesen. In diesem Falle treten die Gläubiger bis zur Höhe ihrer Forderungen in die Rechte des betriebenen Schuldners ein.
2    Sind alle pfändenden Gläubiger einverstanden, so können sie oder einzelne von ihnen, ohne Nachteil für ihre Rechte gegenüber dem betriebenen Schuldner, gepfändete Ansprüche im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung und Gefahr geltend machen. Sie bedürfen dazu der Ermächtigung des Betreibungsamtes. Das Ergebnis dient zur Deckung der Auslagen und der Forderungen derjenigen Gläubiger, welche in dieser Weise vorgegangen sind. Ein Überschuss ist an das Betreibungsamt abzuliefern.268
und 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 131 - 1 Geldforderungen des Schuldners, welche keinen Markt- oder Börsenpreis haben, werden, wenn sämtliche pfändende Gläubiger es verlangen, entweder der Gesamtheit der Gläubiger oder einzelnen von ihnen für gemeinschaftliche Rechnung zum Nennwert an Zahlungs Statt angewiesen. In diesem Falle treten die Gläubiger bis zur Höhe ihrer Forderungen in die Rechte des betriebenen Schuldners ein.
1    Geldforderungen des Schuldners, welche keinen Markt- oder Börsenpreis haben, werden, wenn sämtliche pfändende Gläubiger es verlangen, entweder der Gesamtheit der Gläubiger oder einzelnen von ihnen für gemeinschaftliche Rechnung zum Nennwert an Zahlungs Statt angewiesen. In diesem Falle treten die Gläubiger bis zur Höhe ihrer Forderungen in die Rechte des betriebenen Schuldners ein.
2    Sind alle pfändenden Gläubiger einverstanden, so können sie oder einzelne von ihnen, ohne Nachteil für ihre Rechte gegenüber dem betriebenen Schuldner, gepfändete Ansprüche im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung und Gefahr geltend machen. Sie bedürfen dazu der Ermächtigung des Betreibungsamtes. Das Ergebnis dient zur Deckung der Auslagen und der Forderungen derjenigen Gläubiger, welche in dieser Weise vorgegangen sind. Ein Überschuss ist an das Betreibungsamt abzuliefern.268
SchKG) oder den Anspruch auf Errichtung eines Pfandrechts zu Lasten der einzelnen Stockwerkeigentümer geltend zu machen (Art. 712i
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712i - 1 Die Gemeinschaft hat für die auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen Anspruch gegenüber jedem jeweiligen Stockwerkeigentümer auf Errichtung eines Pfandrechtes an dessen Anteil.
ZGB; MEIER-HAYOZ/REY, N. 49 zu Art. 712i
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712i - 1 Die Gemeinschaft hat für die auf die letzten drei Jahre entfallenden Beitragsforderungen Anspruch gegenüber jedem jeweiligen Stockwerkeigentümer auf Errichtung eines Pfandrechtes an dessen Anteil.
und N. 69 zu Art. 712l
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712l - 1 Unter ihrem eigenen Namen erwirbt die Gemeinschaft das sich aus ihrer Verwaltungstätigkeit ergebende Vermögen, wie namentlich die Beitragsforderungen und die aus ihnen erzielten verfügbaren Mittel, wie den Erneuerungsfonds.
ZGB). Von den Autoren, welche den Gläubigern der Gemeinschaft das Recht einräumen, die einzelnen Stockwerkeigentümer unmittelbar zu belangen, vermisst man sowohl bei HANS-PETER FRIEDRICH (Das Stockwerkeigentum, 2. Aufl. Bern 1972, S. 172; FRIEDRICH, Das Stockwerkeigentum, SJK Nr. 1305) als auch bei OTTIKER (Pfandrecht und Zwangsvollstreckung bei Miteigentum und Stockwerkeigentum, Diss. ZH 1972, S. 250) eine Begründung für die gegenteilige Ansicht, wobei auch FRIEDRICH (SJK Nr. 1305, S. 8) einräumen muss, dass die Parallele zu der in Art. 568 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 568 - 1 Die Gesellschafter haften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen.
. OR geregelten Haftung der Kollektivgesellschafter für Verpflichtungen der Gesellschaft augenfällig ist. AMONN (Das Stockwerkeigentum in der Zwangsvollstreckung, BlSchK 32/1968, S. 4-5) lässt eine Betreibung der Gläubiger der Gemeinschaft anteilsmässig gegen die einzelnen Stockwerkeigentümer namentlich für den Fall zu, dass der Schuldner der Beitragsforderung gegenüber der Gemeinschaft die Verrechnungseinrede oder eine andere, auf Art. 712h Abs. 3 gestützte Einrede erhebt. Er verschweigt aber keineswegs die Unzukömmlichkeiten, welche sich aus diesem Vorgehen für die Stockwerkeigentümer ergeben können, deren Stellung der Gesetzgeber zu stärken und möglichst unabhängig zu gestalten bestrebt war. STEINAUER (Questions choisies en rapport avec la propriété par étages in ZWR 25/1991, S. 310) schliesslich wirft zwar die Frage auf, ohne sie allerdings zu beantworten. Wird aber eine unmittelbare, neben der Gemeinschaft bestehende Haftung der Stockwerkeigentümer ausgeschlossen, entfällt die Möglichkeit, die einzelnen Stockwerkeigentümer unmittelbar und anteilsmässig für Verpflichtungen zu belangen, für welche die Gemeinschaft handlungs-, prozess-, betreibungs- und vermögensfähig ist. Damit aber ist die Klage in Gutheissung der Berufung abzuweisen. Ob dies nach dem Vorschlag von MEIER-HAYOZ/REY (N 67 zu Art. 712l
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712l - 1 Unter ihrem eigenen Namen erwirbt die Gemeinschaft das sich aus ihrer Verwaltungstätigkeit ergebende Vermögen, wie namentlich die Beitragsforderungen und die aus ihnen erzielten verfügbaren Mittel, wie den Erneuerungsfonds.
ZGB) im Sinne der Einrede der Vorausklage analog
BGE 119 II 404 S. 411

dem Recht der Kollektivgesellschaft oder aber infolge fehlender Passivlegitimation zu geschehen habe, kann dabei offenbleiben.
7. Dieser Ausgang des Verfahrens macht die analoge Anwendung von Art. 649 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 649 - 1 Die Verwaltungskosten, Steuern und anderen Lasten, die aus dem Miteigentum erwachsen oder auf der gemeinschaftlichen Sache ruhen, werden von den Miteigentümern, wo es nicht anders bestimmt ist, im Verhältnis ihrer Anteile getragen.
ZGB im Recht des Stockwerkeigentums nicht schlechthin illusorisch. Der Anwendung dieser Vorschrift verbleiben vielmehr die Angelegenheiten der gemeinschaftlichen Verwaltung, in der jeder Stockwerkeigentümer tätig werden kann (z.B. im Hinblick auf dringliche Massnahmen gemäss Art. 647 Abs. 2 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 647 - 1 Die Miteigentümer können eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Nutzungs- und Verwaltungsordnung vereinbaren und darin vorsehen, dass diese mit Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer geändert werden kann.561
ZGB), ohne dass es, wie im vorliegenden Fall, zu einem Prozess gegen die Stockwerkeigentümergemeinschaft kommt (vgl. MEIER-HAYOZ/REY, N. 29 zu Art. 712h
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 712h - 1 Die Stockwerkeigentümer haben an die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und an die Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung Beiträge nach Massgabe ihrer Wertquoten zu leisten.
ZGB).
119 II 404 08. Oktober 1993 31. Dezember 1993 Bundesgericht 119 II 404 BGE - Zivilrecht

Subject Stockwerkeigentum. Haftung der einzelnen Stockwerkeigentümer neben der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer (Art. 647 ff.