118 II 235
47. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Januar 1992 i.S. P. gegen P. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 153 Abs. 1 ZGB; Verlust des Rentenanspruchs des im Konkubinat lebenden geschiedenen Ehegatten.
- Für die Basis der Vermutung, dass bei einem im Zeitpunkt der Klageeinleitung bereits fünf Jahre dauernden Konkubinat die rentenberechtigte Beklagte aus der neuen Gemeinschaft eheähnliche Vorteile ziehe und nur zur Vermeidung des Rentenverlusts keine neue Ehe eingehe, d.h. für das Bestehen des Konkubinats, hat der unterhaltsverpflichtete Kläger vollen Beweis zu leisten. Er genügt seiner Beweispflicht nicht, wenn er bloss dartut, dass die Beklagte mit einem Angehörigen des andern Geschlechts in Hausgemeinschaft lebt und den Anschein einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft geschaffen hat.
Regeste (fr):
- Art. 153 al. 1 CC; perte du droit à la rente du conjoint divorcé vivant en concubinage.
- Pour la présomption selon laquelle, en cas de concubinage durant depuis cinq ans déjà au moment de l'ouverture d'action, la défenderesse crédirentière tire de la nouvelle communauté de vie des avantages comparables à ceux du mariage et ne se remarie pas dans la seule intention d'éviter la perte de sa rente, c'est-à-dire l'existence du concubinage, le demandeur débirentier doit apporter une preuve complète. Il ne satisfait pas à ce devoir en se bornant à alléguer que la défenderesse partage son habitation avec une personne de l'autre sexe et qu'elle a créé l'apparence d'une communauté de vie semblable au mariage.
Regesto (it):
- Art. 153 cpv. 1 CC; perdita della rendita da parte del coniuge divorziato che vive in concubinato.
- L'attore debitore della rendita deve fornire la prova completa del fondamento della presunzione secondo cui la convenuta beneficiaria della rendita, che vive, al momento in cui è promossa l'azione, già da cinque anni in concubinato, ricava dalla nuova unione vantaggi simili a quelli scaturienti da un matrimonio e che non contrae nuove nozze per evitare la perdita del diritto alla rendita; egli deve cioè provare l'esistenza del concubinato. L'attore debitore della rendita non adempie tale onere probatorio se si limita a provare che la convenuta convive con una persona dell'altro sesso e che essa ha creato l'apparenza di una comunione simile al matrimonio.
Sachverhalt ab Seite 236
BGE 118 II 235 S. 236
A.- Die Ehe von A. und E. P.-K. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Luzern-Land vom 29. November 1982 geschieden. Der Ehemann wurde verpflichtet, seiner geschiedenen Ehefrau während eines Jahres nach Rechtskraft des Urteils einen monatlich vorauszahlbaren, indexierten Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'200.-- und danach von Fr. 500.-- gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB zu entrichten.
B.- Am 2. Mai 1989 erhob A. P. beim Amtsgericht Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils und verlangte, dass mit Wirkung ab 1. April 1989 seine Unterhaltspflicht gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau aufgehoben werde. Zur Begründung brachte er vor, die Beklagte lebe seit mehr als fünf Jahren mit F. L. im Konkubinat und werde von diesem finanziell unterstützt. Das Amtsgericht wies die Klage am 12. Februar 1990 ab. Der Kläger focht dieses Urteil mit einer Appellation beim Obergericht des Kantons Luzern an. Dieses hiess die Appellation am 23. Oktober 1990 gut und hob die Rentenverpflichtung des Klägers ab Urteilsdatum auf.
C.- Die Beklagte legte beim Bundesgericht Berufung ein mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und das
BGE 118 II 235 S. 237
Urteil des Amtsgerichts vom 12. Dezember 1990 und darin eingeschlossen dasjenige vom 29. November 1982 seien zu bestätigen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht heisst die Berufung gut, soweit es darauf eintritt, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Klage ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Das Obergericht ging davon aus, dass die Beklagte und F. L. seit Februar 1984 in der gleichen Wohnung leben. Im Zeitpunkt der Klageeinreichung, d.h. am 2. Mai 1989, habe ihr Zusammenleben mehr als fünf Jahre gedauert, so dass die Tatsachenvermutung Platz greife, zwischen ihnen bestehe eine eheähnliches Verhältnis. In Würdigung der festgestellten Tatsachen gelangte das Obergericht zur Auffassung, gesamthaft gesehen sei nicht auszuschliessen, dass zwischen der Beklagten und F. L. ein solches Verhältnis bestehe, auch wenn gewisse Indizien gegen eine solche Annahme sprächen. Diese unsichere Beweislage gehe aber zu Lasten der Beklagten; dieser sei der Nachweis, ihr Verhältnis mit F. L. sei nicht derart eng und stabil, dass sie von ihm Unterstützung und Beistand ähnlich wie in einer Ehe erwarten könne, misslungen. Die Beklagte wendet sich gegen diese Betrachtungsweise des Obergerichts und bezeichnet sie als bundesrechtswidrig. Ihre Beziehung mit F. L. könne überhaupt nicht mit einer Ehe verglichen werden; weder könne sie von ihrem Mitbewohner Beistand und Unterstützung wie in einer Ehe erwarten, noch bestehe die für eine Schicksalsgemeinschaft erforderliche innere Verbundenheit der Partner. Es handle sich vielmehr um eine blosse Wohngemeinschaft.
3. a) Nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Scheidungsrente aufzuheben, wenn der Rentenberechtigte in einem gefestigten Konkubinat lebt, aus dem er ähnliche Vorteile zieht, wie sie ihm eine Ehe bieten würde, so dass anzunehmen ist, der neue Partner leiste ihm Beistand und Unterstützung, wie es Art. 159 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 159 - 1 Durch die Trauung werden die Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft verbunden. |
|
1 | Durch die Trauung werden die Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft verbunden. |
2 | Sie verpflichten sich gegenseitig, das Wohl der Gemeinschaft in einträchtigem Zusammenwirken zu wahren und für die Kinder gemeinsam zu sorgen. |
3 | Sie schulden einander Treue und Beistand. |
BGE 118 II 235 S. 238
Dem unterhaltsverpflichteten Kläger obliegt dann nur der entsprechende Nachweis. Hingegen ist es Sache der unterhaltsberechtigten Beklagten zu beweisen, das Konkubinat sei nicht so eng und stabil, dass sie Beistand und Unterstützung ähnlich wie in einer Ehe erwarten könne, oder dass sie trotz des qualifizierten Konkubinats aus besondern und ernsthaften Gründen weiterhin Anspruch auf die Scheidungsrente erheben dürfe (BGE 114 II 299 E. 1). b) Welches das Thema des vom unterhaltspflichtigen Kläger zu leistenden Nachweises sei, ist in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bisher nicht näher umschrieben worden. Es ergibt sich, soweit das Konkubinat betreffend, aus dessen Begriffsbestimmung. Als Konkubinat im engern Sinne gilt eine auf längere Zeit, wenn nicht auf Dauer angelegte umfassende Lebensgemeinschaft von zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts mit grundsätzlich Ausschliesslichkeitscharakter, die sowohl eine geistig-seelische, als auch eine körperliche und eine wirtschaftliche Komponente aufweist und auch etwa als Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft bezeichnet wird (BGE 109 II 16 E. 1b mit Hinweisen und BGE 108 II 205 E. 2; HAUSHEER, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1978, ZBJV 116/1980, S. 99 mit Hinweisen). Indessen kommt nicht allen drei Komponenten dieselbe Bedeutung zu. Fehlt die Geschlechtsgemeinschaft oder die wirtschaftliche Komponente, leben die beiden Partner aber trotzdem in einer festen und ausschliesslichen Zweierbeziehung, halten sich gegenseitig die Treue und leisten sich umfassenden Beistand, so ist eine eheähnliche Gemeinschaft zu bejahen (MESSMER, Die Rechtslage in der Schweiz, in "Die eheähnliche Gemeinschaft", Beihefte zur Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Heft 5, Basel 1986, S. 51 f., FRANK, Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, Zürich 1984, S. 29 f.). Der Richter hat in jedem Fall eine Würdigung sämtlicher massgeblicher Faktoren vorzunehmen. Die gesamten Umstände des Zusammenlebens sind von Bedeutung, um die Qualität einer Lebensgemeinschaft beurteilen zu können. c) Dass ein Konkubinat im engern Sinne zwischen der unterhaltsberechtigten Beklagten und ihrem neuen Partner besteht, hat der unterhaltsverpflichtete Kläger zu beweisen. Er hat demnach Tatsachen darzutun, aus denen sich das Vorhandensein einer solchen umfassenden Lebensgemeinschaft ergibt. Ein Beweis gilt grundsätzlich als erbracht, wenn der Richter von der Richtigkeit der Sachbehauptung überzeugt ist (BGE 98 II 242 E. 5 mit Hinweisen; KUMMER, N 20 zu Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
BGE 118 II 235 S. 239
nach schweizerischem Zivilprozessrecht, S. 5; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl., S. 380 Nr. 635). Unannehmbar ist es, nach blosser Wahrscheinlichkeit zu urteilen, wo richterliche Überzeugung fehlt und der Sachverhalt letztlich doch im Zweifel bleibt (KUMMER, N 28 und 84 zu Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
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BGE 118 II 235 S. 240
Umkehrung der Beweislast in bezug auf den von ihr erfassten Sachverhalt (BGE 114 II 298 E. b).
4. a) Im vorliegenden Fall hat das Obergericht übersehen, dass auch den Kläger eine Beweispflicht trifft, die über die Erbringung eines blossen Anscheinsbeweises hinausgeht. Dies ergibt sich deutlich aus seiner Überlegung, gesamthaft gesehen sei es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass zwischen der Beklagten und F. L. ein eheähnliches Verhältnis im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bestehe. Diese unsichere Beweislage gehe nun aber zu Lasten der Beklagten. Damit hat sich das Obergericht nicht darüber ausgesprochen, ob dem Kläger der ihm obliegende Beweis gelungen sei. Es hat vielmehr die Beklagte im Zusammenhang mit der Beweislastverteilung klar benachteiligt und somit schon aus diesem Grunde gegen Bundesrecht verstossen. b) In tatsächlicher Hinsicht stellt das Obergericht fest, dass die Beklagte und F. L. seit Februar 1984 in der gleichen Wohnung leben, was unbestritten sei. Die Vorinstanz schliesst daraus, dass im Zeitpunkt der Klageeinreichung ein mehr als fünfjähriges Konkubinat bestanden habe. Ferner erachtet es das Obergericht als erwiesen, dass die Beklagte und F. L. seit Beginn ihres Zusammenlebens im Jahre 1984 keinen Geschlechtsverkehr mehr gehabt haben. Es besteht somit keine Geschlechtsgemeinschaft zwischen den beiden Partnern. Es fehlt aber auch an der wirtschaftlichen Verflechtung. Die Beklagte ist allein Mieterin der gemeinsamen Wohnung und auch weitgehend Eigentümerin des Wohnungsinventars. Sie ist zudem zu 50% erwerbstätig. F. L. bezahlt ihr monatlich einen Betrag von Fr. 1'700.-- für Kost und Logis sowie für das Besorgen der Wäsche. Im übrigen haben die beiden aber getrennte Kassen. Ob schliesslich eine so enge geistig-seelische Verbundenheit zwischen den beiden Partnern besteht, wie sie in der Regel zu einem eheähnlichen Verhältnis gehört, ist mehr als fraglich. Das Obergericht stellte nämlich fest, dass sie zwar das Morgen- und Abendessen gemeinsam einnehmen und regelmässig auch die Ferien gemeinsam verbringen, dass sie aber die Freizeit getrennt gestalten, ausser dass sie zusammen skifahren. Sie scheinen auch keine gemeinsamen Interessen und keine gemeinsamen Freunde zu haben; jedenfalls ist hierüber nichts festgestellt worden. c) Der Vorinstanz ist zwar beizupflichten, dass das Fehlen der Geschlechtsgemeinschaft nicht zwingend gegen die Bejahung eines Konkubinatsverhältnisses spricht (FRANK, a.a.O., S. 33 Rz. 12). Auch in einer Ehe kann dieses Element zeitweise oder gar für längere Dauer fehlen. Doch müssen dann die übrigen Komponenten einer eheähnlichen
BGE 118 II 235 S. 241
Verbindung, insbesondere die geistig-seelische Zusammengehörigkeit der Partner, deutlich in Erscheinung treten, dass von einer eigentlichen Schicksalsgemeinschaft gesprochen werden kann. Das ist aber hier, wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts ergibt, gerade nicht der Fall. Es finden sich weder Anzeichen für eine enge geistig-seelische Verbundenheit der beiden Partner noch für eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen ihnen. Schliesslich sind auch keine Indizien dafür vorhanden, dass F. L. der Beklagten in einer Notlage Hilfe und Beistand wie in einer Ehe gewähren würde. Jedenfalls rechtfertigt die Tatsache, dass F. L. der Beklagten für den vorliegenden Prozess einen Anwalt vermittelt hat, entgegen der Meinung des Obergerichts eine solche Annahme nicht. Eine umfassende Würdigung der Beziehungen der beiden Partner führt daher zum Schluss, dass zwischen der Beklagten und F. L. kein eheähnliches Verhältnis besteht. Da dem Kläger der ihm obliegende Nachweis eines Konkubinats nicht gelungen ist, muss die Klage abgewiesen werden.