117 II 530
97. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. November 1991 i.S. A. gegen S. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 620 ff. ZGB; bäuerliches Erbrecht.
- Verkauft der Erblasser sein landwirtschaftliches Gewerbe zu seinen Lebzeiten einem zukünftigen Erben, so finden die Bestimmungen des bäuerlichen Erbrechts keine Anwendung. Der Erwerber muss daher zur Übernahme des Gewerbes bzw. zur Selbstbewirtschaftung nicht geeignet sein.
Regeste (fr):
- Art. 620 ss CC; droit successoral paysan.
- Lorsque le disposant vend son entreprise agricole de son vivant à un futur héritier, les dispositions du droit successoral paysan ne sont pas applicables. Par conséquent, l'aptitude de l'acquéreur à se charger de l'entreprise, respectivement à l'exploiter lui-même, n'entre pas en ligne de compte.
Regesto (it):
- Art. 620 segg. CC; diritto successorio rurale.
- Se il testatore, mentre è ancora in vita, vende la sua azienda agricola a un futuro erede, non sono applicabili le norme del diritto successorio rurale. L'acquirente non deve quindi essere idoneo all'assunzione dell'azienda, rispettivamente ad assumerne lui stesso l'esercizio.
Sachverhalt ab Seite 530
BGE 117 II 530 S. 530
A.- Mit öffentlich beurkundetem Kauf- und Verpfründungsvertrag vom 9. Juni 1967 verkaufte Anna A.-B. ihrer Tochter Emma S.-A. die Grundstücke und Gebäude ihres Landwirtschaftsbetriebs sowie das Wohn- und Gasthaus "Krone" in X. zum Preise von Fr. 380'000.--. Gleichzeitig verpflichtete sich die Tochter, ihrer Mutter lebenslänglich Wohnung, Nahrung und Pflege zu gewähren. Da der Verkauf der Liegenschaften unter dem Verkehrswert erfolgte, vereinbarten die Vertragsparteien ein Gewinnanteilsrecht im Sinne von Art. 619 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
BGE 117 II 530 S. 531
B.- Karl und Emil A. verlangten mit Klage vom 26. August 1985 die Feststellung des Nachlasses ihrer Mutter Anna A.-B., unter Einbezug der im Jahre 1967 und später verkauften Grundstücke, sowie die Festlegung ihrer Erbansprüche. Das Bezirksgericht trat am 2. November 1987 auf die Klage nicht ein. Eine dagegen gerichtete Appellation der Kläger hiess das Obergericht des Kantons Aargau am 16. Dezember 1988 teilweise gut und wies die Streitsache zur materiellen Beurteilung an das Bezirksgericht zurück. Dieses wies die Klage mit Urteil vom 29. Dezember 1989 ab.
Gegen dieses Urteil erhoben die Kläger wiederum Appellation an das Obergericht, die mit Entscheid vom 6. Dezember 1990 abgewiesen wurde.
C.- Mit Berufung an das Bundesgericht beantragen die Kläger, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Die Beklagte stellt Antrag auf Abweisung der Berufung. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen zur Berufung verzichtet. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Das Obergericht ist davon ausgegangen, dass die Parteien als Kinder der Erblasserin hinsichtlich des Kaufvertrages vom 9. Juni 1967 grundsätzlich ausgleichungspflichtig seien, falls die übrigen Voraussetzungen hiefür erfüllt seien. Die Ausgleichungspflicht sei gegeben, soweit im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine unentgeltliche Zuwendung vorliege. Dabei müsse es sich um ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung handeln. Die objektive Bewertung der beidseitigen Leistungen richte sich im allgemeinen nach dem Verkehrswert, während bei landwirtschaftlichen Liegenschaften der Ertragswert massgebend sei. Dies gelte aber nur, wenn der Präsumptiverbe die landwirtschaftlichen Grundstücke tatsächlich weiterhin landwirtschaftlich nutze. Hingegen sei nicht nötig, dass er die Grundstücke selbst bewirtschafte und zur Selbstbewirtschaftung geeignet sei. Gestützt auf die Ausführungen im bezirksgerichtlichen Urteil gelangte das Obergericht zum Schluss, dass es sich beim Kaufvertrag vom 9. Juni 1967 nicht um eine gemischte Schenkung gehandelt habe, weshalb auch keine Ausgleichungspflicht der Beklagten gegeben sei.
4. Die Kläger erblicken in der Integralzuweisung des Landwirtschaftsbetriebs an die Beklagte einen Verstoss gegen Bundesrecht.
BGE 117 II 530 S. 532
Sie weisen darauf hin, dass es im bäuerlichen Erbrecht möglich sei, den ganzen Nachlass einem Erben auszuhändigen; dabei gehe es aber um agrarpolitische Ziele. Demgemäss verlange auch Art. 620
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
Im übrigen existiere der Landwirtschaftsbetrieb längst nicht mehr. Das Land sei an mehrere Bauern verpachtet worden, das Bauernhaus stehe leer und die Ökonomiegebäude würden anderweitig genutzt. Daraus erhelle, dass mit der Integralzuweisung kein einziges Ziel der bäuerlichen Gesetzgebung - weder auf dem Gebiete der Struktur- noch der Agrarpolitik - erreicht worden sei.
5. a) Art. 620
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
BGE 117 II 530 S. 533
verhindern. Zu diesem Zwecke schuf das ZGB aber keine besondere Erbfolgeordnung, sondern nahm das für das bäuerliche Erbrecht wichtige Institut der Integralzuweisung und das Ertragswertprinzip in die Bestimmungen über die Erbteilung auf. Der Ansatzpunkt für diese Sonderregelung liegt somit in der Erbteilung, deren Bestandteil das bäuerliche Erbrecht bildet (STEIGER, Zur Frage des Anwendungsbereiches und der Geltungskraft des bäuerlichen Erbrechts sowie der allgemeinen Voraussetzungen der Integralzuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes, Diss. Bern 1966, S. 16 f.). Ausserhalb des Erbteilungsverfahrens bleibt demnach kein Raum für die Anwendung des bäuerlichen Erbrechts. Insbesondere finden die Bestimmungen von Art. 620 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 616 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 616 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 616 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 616 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 616 |
BGE 117 II 530 S. 534
Erben, der das Gewerbe selber bewirtschaften will und dafür geeignet erscheint, das Recht auf ungeteilte Zuweisung vom Erblasser weder durch letztwillige Verfügung noch durch Erbvertrag entzogen werden kann. Hingegen wurde wiederum auf eine Regelung des Kindskaufs zu Lebzeiten des Erblassers verzichtet. In der Lehre wurde dies bedauert (STEIGER, a.a.O., S. 45; NEUKOMM/CZETTLER, a.a.O., S. 165; BÜHLER, Zwei Lücken der Gesetzgebung über den Kindskauf (Art. 218quinquies
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 616 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 616 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 616 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 616 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |
BGE 117 II 530 S. 535
Integralzuweisung gemäss Art. 620
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 619 - Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991541 über das bäuerliche Bodenrecht. |