117 II 145
31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Februar 1991 i.S. Stiftung für biologischen Landbau gegen Erben des Ernst Schmid-Übelmann (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 505 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512
1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 2 Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 520 - 1 Leidet die Verfügung an einem Formmangel, so wird sie auf erhobene Klage für ungültig erklärt.
1 Leidet die Verfügung an einem Formmangel, so wird sie auf erhobene Klage für ungültig erklärt. 2 Liegt die Formwidrigkeit in der Mitwirkung von Personen, die selber oder deren Angehörige in der Verfügung bedacht sind, so werden nur diese Zuwendungen für ungültig erklärt. 3 Für das Recht zur Klage gelten die gleichen Vorschriften wie im Falle der Verfügungsunfähigkeit. - Unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einer falschen Datumsangabe führt auch eine formell vollständige, aber inhaltlich unrichtige Ortsangabe nicht zur Ungültigkeit des Testaments (Anpassung der Rechtsprechung an die geänderte Rechtsprechung bezüglich einer unrichtigen Datumsangabe).
Regeste (fr):
- Art. 505 al. 1 et art. 520 al. 1 CC; annulation du testament olographe pour une fausse indication du lieu?
- Aux conditions qui s'appliquent pour une fausse indication de date, une indication de lieu complète au point de vue formel, mais inexacte par son contenu n'entraîne pas non plus l'annulation du testament (adaptation de la jurisprudence à la modification de la jurisprudence relative à l'indication inexacte de la date).
Regesto (it):
- Art. 505 cpv. 1 e art. 520 cpv. 1 CC; annullamento del testamento olografo per indicazione inesatta del luogo?
- Ove siano date le condizioni applicabili all'indicazione inesatta della data, una indicazione del luogo formalmente completa ma dal contenuto inesatto non comporta l'annullamento del testamento (adeguamento della giurisprudenza al cambiamento della stessa relativo all'indicazione di una data inesatta).
Sachverhalt ab Seite 145
BGE 117 II 145 S. 145
A.- Der in Küttigen, Kanton Aargau, wohnhaft gewesene Ernst Schmid-Übelmann wurde am 26. Februar 1988 wegen schwerer Herzinsuffizienz in das Kantonsspital in Aarau überführt. Während seines Spitalaufenthaltes errichtete er am 1. März 1988 ein eigenhändiges Testament, in welchem er alle früheren letztwilligen Verfügungen aufhob und die Ausrichtung einer Reihe
BGE 117 II 145 S. 146
von Legaten vorsah. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau der Schweizerischen Stiftung zur Förderung des biologischen Landbaus wurde dabei mit Fr. 50'000.-- bedacht. Entgegen dem tatsächlichen Errichtungsort wurde dieses Testament wie folgt datiert: "Küttingen, 1. März 1988". Ein inhaltlich gleiches Legat hatte Ernst Schmid-Übelmann bereits in einem vom 22. Februar 1988 datierten und mit Schreibmaschine geschriebenen Testament ausgesetzt. Am 14. März 1988 verstarb er.
B.- Die Stiftung für biologischen Landbau reichte am 20. April 1989 beim Bezirksgericht Aarau gegen die Erben von Ernst Schmid-Übelmann Klage ein, weil diese sich geweigert hatten, das zugunsten der Stiftung ausgesetzte Vermächtnis auszurichten. Die Stiftung beantragte, die Beklagten seien solidarisch zu verpflichten, ihr Fr. 50'000.-- nebst Zins zu 5% seit 24. Oktober 1988 zu bezahlen. Mit Urteil vom 22. November 1989 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Eine Appellation der Stiftung für biologischen Landbau wurde vom Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 3. Mai 1990 abgewiesen.
C.- Die Stiftung für biologischen Landbau hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung an das Bundesgericht erhoben. Sie verlangt die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Beklagten seien solidarisch zu verurteilen, ihr Fr. 50'000.-- nebst Zins 5% seit dem 24. Oktober 1988 zu bezahlen. Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Die Klägerin anerkennt, dass das mit Schreibmaschine errichtete Testament des Erblassers vom 22. Februar 1988 mangels Einhaltung der in Art. 505 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
BGE 117 II 145 S. 147
Die Vorinstanz hat sich in ihrem Entscheid auf die bis zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte bundesgerichtliche Rechtsprechung berufen und gestützt darauf angenommen, die Angabe des Wohnortes des Erblassers anstelle des damit nicht übereinstimmenden Errichtungsortes der letztwilligen Verfügung führe zwangsläufig zur Formungültigkeit des Testaments. Eine Minderheit des Obergerichts vertrat demgegenüber die Auffassung, die Formvorschrift des Art. 505 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
2. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesgericht verlangt, dass die Ortsangabe in einer letztwilligen Verfügung vollständig und grundsätzlich auch richtig sein müsse. Absichtlich falsche Angaben führten zur Ungültigkeit des Testaments. Für eine unabsichtlich unrichtige oder unvollständige Angabe des Ortes der Testamentserrichtung galt dies ebenfalls. Diesbezüglich liess die Rechtsprechung allerdings eine Ausnahme zu, wenn die unzutreffende Ortsangabe auf einem Versehen beruhte und aus dem Inhalt oder der materiellen Beschaffenheit der Testamentsurkunde berichtigt oder ergänzt werden konnte, wobei zur genaueren Feststellung und Auslegung auch ausserhalb der Urkunde liegende Beweismittel herangezogen werden durften. Diese Rechtsprechung, die bis auf BGE 44 II 354 f. und BGE 50 II 6 ff. zurückverfolgt werden kann, hat das Bundesgericht letztmals im Entscheid BGE 101 II 31 ff. bestätigt. Der in BGE 50 II 6 ff. beurteilte Sachverhalt entspricht dabei demjenigen, der dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegt. BGE 101 II 31 ff. bezieht sich hingegen auf ein Testament, in welchem nur der Wohnort der Erblasserin erwähnt worden war, die Angabe eines Errichtungsortes aber gänzlich fehlte. Insofern besteht ein wesentlicher Unterschied zum vorliegenden Testament, in welchem ein Errichtungsort genannt wird. Hinsichtlich der unrichtigen Angabe der Errichtungszeit in einer eigenhändigen letztwilligen Verfügung hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung in BGE 116 II 117 ff. inzwischen aber geändert. Aufgrund der heute geltenden gesetzlichen Ordnung müsse zwar in formeller Hinsicht ein vollständiges Datum vorhanden sein. Grundsätzlich sei auch die inhaltliche Richtigkeit erforderlich. Im Unterschied zu bisher soll jedoch ein erwiesenermassen unrichtiges Datum dann nicht mehr zur Ungültigkeit des Testaments führen, wenn der Mangel nicht auf der Absicht des Erblassers beruht und
BGE 117 II 145 S. 148
die Richtigkeit des Datums in keiner Weise von Bedeutung ist. Nach dieser neuen Rechtsprechung fehlt es an einem solch schützenswerten Interesse, wenn keine sich widersprechenden letztwilligen Verfügungen vorliegen und keine Hinweise dargetan werden, die Zweifel an der Verfügungsfähigkeit des Erblassers erwecken. Dabei ist es Sache der sich auf die Ungültigkeit des Testaments berufenden Partei, die Gründe dafür nachzuweisen, weshalb es auf den genauen Zeitpunkt der Testamentserrichtung ankommen soll. Wo für die Angabe des richtigen Datums jedes rechtliche oder tatsächliche Interesse fehlt und auch der besondere Schutzgedanke nicht spielt, soll die versehentliche Unrichtigkeit des angegebenen Datums ein sonst unanfechtbares Testament nicht zu Fall bringen können. Dass das richtige Datum aufgrund von Anhaltspunkten im Testament erstellt werden kann, ist in solchen Fällen damit nicht mehr erforderlich. a) Es fragt sich, ob diese Grundsätze auch auf die Angabe des Errichtungsortes übertragen werden können. Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung betont, die gesetzlichen Anforderungen an die Angabe des Ortes der Testamentserrichtung seien nicht weniger streng als jene an die Errichtungszeit (BGE 101 II 36). Zur Begründung ist angeführt worden, die von Art. 505 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
BGE 117 II 145 S. 149
benachbarten Aarau errichtet worden ist, wo sich der Erblasser in Spitalpflege befunden hat. Die Vorinstanz stellt hierzu fest, Aarau und Küttigen seien nicht nur politisch eigenständige, sondern auch räumlich abgegrenzte Gemeinden, die nicht zu verwechseln seien. Der Erblasser sei sich auch durchaus seines Aufenthaltes in Aarau bewusst gewesen, habe sich jedoch über die Anforderungen des Gesetzes geirrt. Daraus ergibt sich, dass der Erblasser mit der Nennung von Küttigen nicht absichtlich eine unrichtige Ortsangabe gemacht hat. Die falsche Ortsangabe beruht vielmehr auf einem Irrtum über die gesetzliche Vorschrift von Art. 505 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
BGE 117 II 145 S. 150
c) Zu prüfen bleibt, ob die Unrichtigkeit der Ortsangabe im Testament des Erblassers vom 1. März 1988 in irgend einer Hinsicht von praktischer Bedeutung ist. Als Zweck der Ortsangabe ist schon in BGE 64 II 410 festgehalten worden, sie vervollständige die Zeitangabe, vermöge Anhaltspunkte für die Ermittlung der Echtheit der Urkunde zu bieten und könne für die örtliche Rechtsanwendung von Bedeutung sein (ebenso BGE 101 II 33). In BGE 116 II 126 f. ist sodann beiläufig erwähnt worden, ein besonderer Zweck der Ortsangabe lasse sich nur insoweit ausmachen, als es um die Echtheit der Urkunde gehe oder im internationalen Verhältnis die Formwahrung selbst in Frage stehe; aufgrund der alternativen Anknüpfungsmöglichkeiten könne allerdings dem Errichtungsort auch für die Bestimmung des anwendbaren Rechts hinsichtlich der Formungültigkeit einer letztwilligen Verfügung keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Zur Bedeutung dieser besonderen Zwecke der Ortsangabe ist hier nicht abschliessend Stellung zu beziehen. Es genügt festzustellen, dass die strittige Ortsangabe unter keinem dieser Gesichtspunkte erheblich ist. Die Beklagten haben zwar Zweifel an der Echtheit des Testaments geäussert. Sie machen aber zu Recht nicht geltend, dass es in diesem Zusammenhang in irgendeiner Weise auf die Richtigkeit des Ortsdatums ankomme. Ein besonderer Schutzzweck der Ortsangabe ist demnach nicht ersichtlich. In Übereinstimmung mit den Erwägungen von BGE 116 II 117 ff. ist daher festzuhalten, dass im vorliegenden Fall ein rechtliches oder tatsächliches Interesse für die Richtigkeit der Ortsangabe im streitigen Testament nicht zu erkennen ist. Zwar wird in der Lehre angeführt, dass die Ortsangabe auch zur Unterscheidung zwischen Entwurf und endgültigem Testament beitragen könne (sogenannter Perfektionszweck); durch die Erfüllung der entsprechenden Formvorschrift diene sie ausserdem der Charakterisierung der Willensäusserung als letztwillige Verfügung und werde der Erblasser vor übereilten Rechtshandlungen bewahrt (sogenannter Solennitätszweck; vgl. COTTIER, a.a.O., S. 22 f., 71; KARL FAHRLÄNDER, Die aussenstehende Tatsache in der bundesgerichtlichen Praxis zur Testamentsauslegung, Diss. Bern 1948, S. 91 f.; HANS IMOBERSTEG, Das Datum im eigenhändigen Testament, Diss. Bern 1956, S. 20-22; LINIGER, a.a.O., S. 161; sowie die ausführliche Kritik bei BREITSCHMID. a.a.O., N. 130 und 174-176). Die in bezug auf das Ortsdatum ohnehin untergeordneten Perfektions- und
BGE 117 II 145 S. 151
Solennitätszwecke kommen aber gemäss BGE 116 II 129 schon deshalb nicht zum Tragen, weil das fragliche Testament einen Errichtungsort angibt. Diese allgemeinen Zwecke vermögen somit nichts daran zu ändern, dass das streitige Testament trotz der durch einen Irrtum bedingten Unrichtigkeit der Ortsangabe als formell gültig zu betrachten ist.