117 Ia 324
52. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. November 1991 i.S. E. gegen V. und G., Gerichtspräsident H., Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg und Kriminalgericht des Seebezirks (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 58 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert.
1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. 2 Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen. 3 Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18 IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; b ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; c sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; d Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; e unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. - Ein Richter, der bei der Beurteilung eines vom Angeschuldigten gegen ein anderes Gericht eingereichten Ausstandsbegehrens mitgewirkt hat, muss deswegen bei der materiellen Beurteilung der Strafsache nicht in den Ausstand treten.
Regeste (fr):
- Art. 58 al. 1 Cst. et art. 6 ch. 1 CEDH; droit à un juge exempt de parti pris.
- Un juge peut prendre part à une cause pénale même s'il a participé à l'examen d'une demande de récusation présentée par l'accusé, dirigée contre un autre tribunal.
Regesto (it):
- Art. 58 cpv. 1 Cost. e art. 6 n. 1 CEDU; diritto a un giudice imparziale.
- Un giudice può prendere parte a un procedimento penale anche se in precedenza ha partecipato all'esame di una domanda di ricusa presentata dall'accusato contro un altro tribunale.
Sachverhalt ab Seite 324
BGE 117 Ia 324 S. 324
Vor dem Kriminalgericht des Sensebezirks begann am 17. April 1990 der Strafprozess gegen E., dem strafbare Handlungen im Zusammenhang mit der "Lucona-Sache" vorgeworfen wurden. Am 23. April 1990 begab sich das Kriminalgericht, bestehend aus
BGE 117 Ia 324 S. 325
dem Gerichtspräsidenten und vier Amtsrichtern, nach Wien, um verschiedene Zeugen einzuvernehmen. Der die Verhandlungen in Wien leitende österreichische Untersuchungsrichter bat am letzten Tag der Zeugeneinvernahmen die fünf Schweizer Richter, in das seiner Sekretärin gehörende Exemplar des von einem österreichischen Journalisten verfassten Buches "Der Fall Lucona" ihre Unterschrift hineinzusetzen, welchem Wunsch die Richter entsprachen. An der Sitzung vom 30. April 1990 vor dem Kriminalgericht des Sensebezirks wurden sie deswegen von E. als befangen abgelehnt. Mit Urteil vom 30. April 1990 wies das Kriminalgericht des Sensebezirks das Ausstandsbegehren ab. An diesem Entscheid wirkte der Gerichtspräsident des Seebezirks als Vorsitzender mit. Das Kriminalgericht des Sensebezirks verurteilte E. am 1. Juni 1990 wegen Urkundenfälschung und Gehilfenschaft zu versuchtem Betrug zu drei Jahren Gefängnis. Das Kantonsgericht Freiburg hob dieses Urteil am 26. Februar 1991 in teilweiser Gutheissung einer Beschwerde des Angeklagten auf, soweit dieser darin der Urkundenfälschung schuldig gesprochen worden war, und wies die Sache zur neuen Beurteilung an ein anderes Kriminalgericht, nämlich an dasjenige des Seebezirks, zurück. Dessen Präsident teilte E. am 24. September 1991 die Zusammensetzung des Gerichts mit, das die Neubeurteilung der Strafsache vornehmen werde. In der Folge reichte E. gegen den Gerichtspräsidenten ein Ausstandsbegehren ein, das vom Kriminalgericht des Seebezirks am 17. Oktober 1991 abgewiesen wurde. Gegen diesen Entscheid hat E. staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der Beschwerdeführer macht geltend, das angefochtene Urteil, mit dem sein Ausstandsbegehren gegen den Gerichtspräsidenten des Seebezirks abgewiesen wurde, verletze den Anspruch auf einen unbefangenen und unparteiischen Richter im Sinne der Art. 58 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
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1 | Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
2 | Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen. |
3 | Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18 |
BGE 117 Ia 324 S. 326
in die Unparteilichkeit eines Richters zu erwecken. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten persönlichen Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten begründet sein. In beiden Fällen wird aber nicht verlangt, dass der Richter deswegen tatsächlich befangen ist. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Bei der Beurteilung des Anscheins der Befangenheit und der Gewichtung solcher Umstände kann nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abgestellt werden; das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen (BGE 116 Ia 33 f. E. 2b mit Hinweisen). Das Bundesgericht hatte wiederholt zu prüfen, ob ein Richter deswegen als befangen abgelehnt werden könne, weil er sich bereits in einem früheren Zeitpunkt in amtlicher Funktion mit der konkreten Streitsache befasst hatte. Es hat zu diesem Umstand der sogenannten Vorbefassung ausgeführt, es könne nicht allgemein gesagt werden, in welchen Fällen die Tatsache, dass ein Richter schon zu einem früheren Zeitpunkt in der betreffenden Angelegenheit tätig war, unter dem Gesichtswinkel von Verfassung und Konvention die Ausstandspflicht begründe, und in welchen Fällen das nicht zutreffe. Als massgebendes Kriterium für die Beurteilung dieser Frage im Einzelfall hielt es aber fest, es sei generell zu fordern, dass das Verfahren in bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu entscheidenden Rechtsfragen trotz der Vorbefassung als offen erscheine und nicht der Anschein der Vorbestimmtheit erweckt werde (BGE 116 Ia 34 f. E. 3a mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer lehnte Gerichtspräsident H. in dem vor dem Kriminalgericht des Seebezirks hängigen Verfahren betreffend Neubeurteilung der Strafsache deshalb als befangen ab, weil dieser Richter als Vorsitzender am Urteil des Kriminalgerichts des Sensebezirks vom 30. April 1990 mitgewirkt hatte, mit dem das Ausstandsbegehren des Beschwerdeführers gegen fünf Richter des Kriminalgerichts des Sensebezirks abgewiesen worden war. Der Gerichtspräsident des Seebezirks hatte in jenem Ausstandsverfahren darüber zu befinden, ob die fünf Richter dadurch, dass sie anlässlich der Zeugeneinvernahmen in Wien am 25. April 1990 ihre Unterschrift in ein Exemplar des Buches "Der Fall Lucona" setzten, den Anschein erweckt hätten, sie könnten im Strafprozess gegen den Beschwerdeführer nicht mehr unbefangen urteilen. Demgegenüber wird er bei der Neubeurteilung der Strafsache zu entscheiden
BGE 117 Ia 324 S. 327
haben, ob der Beschwerdeführer im Anklagepunkt der Urkundenfälschung schuldig zu sprechen sei. Mit dieser Frage hatte sich der Gerichtspräsident beim Ausstandsentscheid vom 30. April 1990 nicht zu befassen. Es kann deshalb nicht gesagt werden, das Verfahren, in dem die Strafsache neu beurteilt wird, sei wegen des Umstands, dass der Gerichtspräsident an jenem Rekusationsentscheid mitwirkte, nicht mehr offen und es werde der Anschein der Vorbestimmtheit erweckt. Der Beschwerdeführer beruft sich zu Unrecht auf ein den Kanton Freiburg betreffendes Urteil des Bundesgerichts (BGE 113 Ia 72), wonach die Personalunion von Untersuchungsrichter und Gerichtspräsident vor Art. 58 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
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1 | Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
2 | Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen. |
3 | Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18 |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
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1 | Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
2 | Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen. |
3 | Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18 |