Urteilskopf

116 IV 75

14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. März 1990 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 75

BGE 116 IV 75 S. 75

Erwägungen:

4. Der Beschwerdeführer wendet ein, es liege "kein richtiger Beweis" für seine Fahruntüchtigkeit vor. Soweit er damit geltend machen will, bei der Beantwortung der Tatfrage nach dem Grad seiner Alkoholisierung (vgl. BGE 105 IV 345 E. 1) hätte das Ergebnis des nach dem Gesagten rechtmässig angeordneten Atemlufttests
BGE 116 IV 75 S. 76

nicht in die Beweiswürdigung miteinbezogen werden dürfen, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde zu prüfen ist. a) Fahrzeugführer und an Unfällen beteiligte Strassenbenützer, bei denen Anzeichen von Angetrunkenheit vorliegen, sind geeigneten Untersuchungen zu unterziehen. Die Blutprobe kann angeordnet werden (Art. 55 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 55 - 1 Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer Atemalkoholprobe unterzogen werden.
SVG). Die geeignete Untersuchungsmassnahme, der sich Fahrzeugführer und an Unfällen beteiligte Strassenbenützer zur Feststellung der Angetrunkenheit nach Art. 55
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 55 - 1 Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer Atemalkoholprobe unterzogen werden.
SVG zu unterziehen haben, ist die Blutprobe (Art. 138 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 55 - 1 Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer Atemalkoholprobe unterzogen werden.
VZV). Zur Vorprobe kann ein Atemprüfgerät verwendet werden. Von den weiteren Untersuchungen wird abgesehen, wenn die Atemprobe einen Alkoholgehalt von weniger als 0,6 Gew.-%o ergibt (Art. 138 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 55 - 1 Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer Atemalkoholprobe unterzogen werden.
VZV). Verweigert ein Verdächtigter die Blutentnahme oder die zusätzliche ärztliche Untersuchung, so ist er auf die Folgen (Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
SVG) aufmerksam zu machen (Abs. 4). Wenn wichtige Gründe vorliegen, kann die Blutprobe gegen den Widerstand des Verdächtigten durchgeführt werden (Abs. 5). Vorbehalten bleiben weitergehende Bestimmungen des kantonalen Prozessrechts, ferner die Feststellung der Angetrunkenheit aufgrund von Zustand und Verhalten des Verdächtigten oder durch Ermittlung über den Alkoholkonsum und dergleichen, namentlich wenn die Blutprobe nicht vorgenommen werden kann (Abs. 6). Art. 138
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
VZV könnte die Auffassung nahelegen, dass der Atemlufttest nicht als Beweismittel für die Feststellung der Alkoholisierung berücksichtigt werden darf. Es fällt insbesondere auf, dass der Atemlufttest, der in Art. 138 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 55 - 1 Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer Atemalkoholprobe unterzogen werden.
VZV ausdrücklich als Mittel zur Vorprobe erwähnt wird, in Art. 138 Abs. 6
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
VZV, welcher namentlich die Fälle betrifft, in denen keine Blutprobe vorgenommen werden kann, nicht als eine Massnahme zur Feststellung der Angetrunkenheit aufgeführt wird; angesichts dessen könnte es zweifelhaft sein, ob der Atemlufttest unter "und dergleichen" im Sinne von Art. 138 Abs. 6
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
VZV - "etc." bzw. "ecc." im französischen bzw. italienischen Text - eingeordnet werden kann. b) Nach Sinn und Zweck von Art. 55 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 55 - 1 Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer Atemalkoholprobe unterzogen werden.
SVG und Art. 138
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
VZV muss indessen jedenfalls in Fällen, in denen, etwa wegen der Weigerung des Fahrzeuglenkers, eine Blutprobe nicht abgenommen werden kann, auch das Ergebnis eines Atemlufttests berücksichtigt werden dürfen (vgl. auch BGE 105 IV 345 E. 2b mit Hinweis). Die heute üblicherweise verwendeten Geräte
BGE 116 IV 75 S. 77

- im konkreten Fall ein Alcometer 'Lion S-D II' - sind vergleichsweise zuverlässig (vgl. auch das insoweit nicht publizierte Urteil des Bundesgerichts vom 13. März 1980 i.S. W. gegen AR, E. 3). Es besteht kein sachlicher Grund für die Auffassung, dass die Verurteilung eines Fahrzeuglenkers zwar etwa gestützt auf Zeugenaussagen über dessen Zustand bzw. Alkoholkonsum (vgl. Art. 138 Abs. 6
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
VZV) zulässig sein soll, dass dagegen das Ergebnis eines Atemlufttests (im konkreten Fall 1,8%o) nicht soll berücksichtigt werden dürfen. Dem eindeutigen Ergebnis eines Atemlufttests den Beweiswert abzusprechen, widerspräche im übrigen auch dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 249
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
BStP; 115 IV 268 E. 1). c) Ob der Beweis einer 0,8%o übersteigenden Blutalkoholkonzentration ohne Willkür als erbracht betrachtet werden konnte, ist eine die Beweiswürdigung betreffende Frage, die im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde bejaht wurde. Daran knüpft Art. 2 Abs. 2
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 2 Zustand des Führers - (Art. 31 Abs. 2 und 55 Abs. 7 Bst. a SVG)15
1    Wer wegen Übermüdung, Einwirkung von Alkohol, Arznei- oder Betäubungsmitteln oder aus einem anderen Grund nicht fahrfähig ist, darf kein Fahrzeug führen.16
2    Fahrunfähigkeit gilt als erwiesen, wenn im Blut des Fahrzeuglenkers nachgewiesen wird:
a  Tetrahydrocannabinol (Cannabis);
b  freies Morphin (Heroin/Morphin);
c  Kokain;
d  Amphetamin (Amphetamin);
e  Methamphetamin;
f  MDEA (Methylendioxyethylamphetamin); oder
g  MDMA (Methylendioxymethamphetamin).17
2bis    Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) erlässt nach Rücksprache mit Fachexperten Weisungen über den Nachweis der Substanzen nach Absatz 2.18
2ter    Für Personen, die nachweisen können, dass sie eine oder mehrere der in Absatz 2 aufgeführten Substanzen gemäss ärztlicher Verschreibung einnehmen, gilt Fahrunfähigkeit nicht bereits beim Nachweis einer Substanz nach Absatz 2 als erwiesen.19
3    Niemand darf ein Fahrzeug einem Führer überlassen, der nicht fahrfähig ist.
4    ...20
5    ...21
VRV die unwiderlegbare gesetzliche Vermutung der Fahrunfähigkeit.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 116 IV 75
Datum : 20. März 1990
Publiziert : 31. Dezember 1991
Quelle : Bundesgericht
Status : 116 IV 75
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Fahren in angetrunkenem Zustand; Atemlufttest als Beweismittel (Art. 55 Abs. 2 und Art. 91 Abs. 1 SVG, Art. 138 VZV; Art.


Gesetzesregister
BStP: 249
SVG: 55 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 55 - 1 Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können einer Atemalkoholprobe unterzogen werden.
91
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
VRV: 2
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 2 Zustand des Führers - (Art. 31 Abs. 2 und 55 Abs. 7 Bst. a SVG)15
1    Wer wegen Übermüdung, Einwirkung von Alkohol, Arznei- oder Betäubungsmitteln oder aus einem anderen Grund nicht fahrfähig ist, darf kein Fahrzeug führen.16
2    Fahrunfähigkeit gilt als erwiesen, wenn im Blut des Fahrzeuglenkers nachgewiesen wird:
a  Tetrahydrocannabinol (Cannabis);
b  freies Morphin (Heroin/Morphin);
c  Kokain;
d  Amphetamin (Amphetamin);
e  Methamphetamin;
f  MDEA (Methylendioxyethylamphetamin); oder
g  MDMA (Methylendioxymethamphetamin).17
2bis    Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) erlässt nach Rücksprache mit Fachexperten Weisungen über den Nachweis der Substanzen nach Absatz 2.18
2ter    Für Personen, die nachweisen können, dass sie eine oder mehrere der in Absatz 2 aufgeführten Substanzen gemäss ärztlicher Verschreibung einnehmen, gilt Fahrunfähigkeit nicht bereits beim Nachweis einer Substanz nach Absatz 2 als erwiesen.19
3    Niemand darf ein Fahrzeug einem Führer überlassen, der nicht fahrfähig ist.
4    ...20
5    ...21
VZV: 138
BGE Register
105-IV-343 • 115-IV-267 • 116-IV-75
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
atemlufttest • blutprobe • beweismittel • strafuntersuchung • fahren in angetrunkenem zustand • kassationshof • aargau • tatfrage • wille • verhalten • richtigkeit • bundesgericht • verurteilung • frage • blutalkoholkonzentration • staatsrechtliche beschwerde