116 Ia 81
15. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. April 1990 i.S. X. AG gegen Kantonales Steuergericht Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Besteuerung von stillen Reserven bei Verlegung des Geschäftsbetriebes einer Unternehmung in einen andern Kanton; Wegzugssteuer (Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Bei Wegfall der Steuerhoheit wegen Verlegung des Geschäftsbetriebes einer Unternehmung aus dem Kanton ist es sachlich vertretbar und damit nicht willkürlich, wenn die zulasten früherer Erträge auf angefangenen Arbeiten gebildeten stillen Reserven der Liquidationsgewinnsteuer unterworfen werden.
Regeste (fr):
- Imposition des réserves latentes en cas de transfert de l'exploitation d'une entreprise dans un autre canton; impôt de départ (art. 4 Cst.; arbitraire, principe de l'égalité de traitement).
- En cas d'abolition de la souveraineté fiscale due au déplacement de l'exploitation d'une entreprise hors du canton, il est objectivement soutenable, et, partant, non arbitraire, de soumettre à l'impôt sur le bénéfice de liquidation les réserves latentes constituées, à charge de rendements antérieurs, sur des travaux commencés.
Regesto (it):
- Imposizione delle riserve nascoste in caso di trasferimento in un altro cantone dell'esercizio di un'impresa; imposta di partenza (art. 4 Cost.; arbitrio, principio dell'uguaglianza di trattamento).
- Ove la sovranità fiscale venga meno in seguito al trasferimento dell'esercizio di un'impresa fuori del cantone, è obiettivamente sostenibile, e pertanto non arbitrario, assoggettare all'imposta sull'utile risultante da una liquidazione le riserve nascoste costituite, a carico di redditi anteriori, su lavori cominciati.
Sachverhalt ab Seite 81
BGE 116 Ia 81 S. 81
A.- Die X. AG verlegte im Frühjahr 1982 ihre Produktionsstätte (Maschinen und Einrichtungen) von Y. (Kanton Solothurn) nach Z. (Kanton Baselland). Den zivilrechtlichen Sitz dagegen beliess sie im Kanton Solothurn. Auf den Zeitpunkt der Betriebsverlegung erstellte sie keine Zwischenbilanz; die Buchwerte der Aktiven und Passiven wurden nicht verändert.
B.- Im Rahmen der Veranlagung für das Steuerjahr 1983 erfasste die Kantonale Steuerverwaltung Solothurn nach § 59 lit. d
BGE 116 Ia 81 S. 82
des solothurnischen Steuergesetzes (in der pro 1983 massgeblichen Fassung vom 29. Januar 1961) einen steuerbaren Liquidationsgewinn im Betrage von Fr. ... Sie stellte anlässlich einer Buchprüfung der Geschäftsjahre 1981 und 1982 per 31. Dezember 1981 auf der Bilanzposition angefangene Arbeiten zulasten der jeweiligen Geschäftserträge gebildete stille Reserven in der Höhe von Fr. ... fest. Diesen Betrag erachtete sie wegen der Verlegung des Betriebes ausser Kanton als nicht realisierten Liquidationsgewinn. Sie unterwarf ihn daher pro 1983 mit Fr. ... einer Jahressteuer.
C.- Mit seinem Urteil wies das Kantonale Steuergericht Solothurn einen Rekurs der X. AG ab. Zur Verfassungsmässigkeit der wegen des Wegzuges auf den stillen Reserven erhobenen Steuer (sog. Wegzugssteuer) führte es aus, die beanstandete Besteuerung verstosse nicht gegen Art. 4
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Erwägungen
Aus den Erwägungen:
6. a) Die Beschwerdeführerin rügt, der angefochtene Entscheid verletze Art. 4
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BGE 116 Ia 81 S. 83
b) Ein Erlass verstösst gegen das Willkürverbot, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist; er verletzt das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird (BGE 114 Ia 323 E. 3a, mit Hinweisen). c) BLUMENSTEIN hat die Wegzugssteuer bei deren Einführung im Kanton Bern bereits im Jahre 1945 kritisiert (ASA 14 225 ff.). Seither haben mehrere Kantone entsprechende Normen erlassen (SPORI, ASA 57 85; REICH, Die Realisation stiller Reserven im Bilanzsteuerrecht, Zürich 1983 S. 133). Die Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes begründet BLUMENSTEIN damit, dass der Wegzug eines Geschäftsunternehmens aus dem Kanton angesichts der in Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
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1 | Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung. |
2 | Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 62 * - 1 Für das Schulwesen sind die Kantone zuständig. |
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1 | Für das Schulwesen sind die Kantone zuständig. |
2 | Sie sorgen für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offensteht. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch und untersteht staatlicher Leitung oder Aufsicht. An öffentlichen Schulen ist er unentgeltlich.23 |
3 | Die Kantone sorgen für eine ausreichende Sonderschulung aller behinderten Kinder und Jugendlichen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr.24 |
4 | Kommt auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung des Schulwesens im Bereich des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und von deren Übergängen sowie der Anerkennung von Abschlüssen zustande, so erlässt der Bund die notwendigen Vorschriften.25 |
5 | Der Bund regelt den Beginn des Schuljahres.26 |
6 | Bei der Vorbereitung von Erlassen des Bundes, welche die Zuständigkeit der Kantone betreffen, kommt der Mitwirkung der Kantone besonderes Gewicht zu.27 |
BGE 116 Ia 81 S. 84
auf Knobbe-Keuk, wo für das internationale Verhältnis umgekehrt ausgeführt wird, kein Staat dürfe stille Reserven besteuern, die nicht unter seiner Hoheit entstanden, ihm wirtschaftlich somit nicht zurechenbar seien). Als steuersystematischer Realisationstatbestand scheint denn auch der Wegzug ins Ausland allgemein nicht bestritten zu sein, sofern jedenfalls keine anderen Möglichkeiten bestehen, den Besteuerungsanspruch später zu gewährleisten (SPORI, a.a.O. S. 83 ff.). Aus dieser Begründung ist indes ebensosehr abzuleiten, dass die Besteuerung von zulasten früherer Geschäftserträge gebildeten stillen Reserven sachlicher Begründung entbehrt, soweit die Steuerhoheit des Wegzugskantons erhalten bleibt (REYMOND, a.a.O. S. 127). d) Die behauptete Verfassungswidrigkeit ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht schon daraus, dass keine handelsrechtliche, sondern nur eine steuersystematische Realisation vorliegt. Steuersystematische Realisationstatbestände sind nicht an sich schon willkürlich. Der Beschwerde ist zudem nicht zu entnehmen, inwiefern die Gründung einer ausserkantonalen Betriebsstätte in bezug auf die hier umstrittene Frage mit der bei der Beschwerdeführerin gegebenen Sachlage vergleichbar sein soll; auch nicht, inwiefern eine derartige Situation - soweit sie vergleichbar wäre - bei der Anwendung der massgebenden Bestimmung des kantonalen Steuergesetzes tatsächlich von den zuständigen kantonalen Behörden ungleich behandelt worden sein soll. Schliesslich kann die Verfassungsmässigkeit der Besteuerung bei rein fiskalischen Steuern, d.h. bei Steuern, die allein zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs des betreffenden Gemeinwesens erhoben werden, nicht mit dem Einwand bestritten werden, die Steuern würden aus rein fiskalischen Interessen erhoben. Das fiskalische Interesse an der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs bildet im Gegenteil einen hinreichenden sachlichen Grund für die Besteuerung, sofern die sich aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 116 Ia 81 S. 85
Besteuerungsaufschub auch dann nur bis zur Beendigung der kantonalen Steuerhoheit gewährt wird, wenn die Steuerpflicht im Zuzugskanton im Falle handelsgerechter Realisierung gewährleistet wäre. Es ist deshalb im Entwurf zur Steuerharmonisierung vorgesehen, dass die Wegzugssteuern im interkantonalen Verhältnis aufgehoben werden sollen (SPORI, a.a.O. S. 83, Fn. 76). Dass aber die Wegzugssteuer, weil sachlich unbefriedigend, abgeschafft werden soll, genügt nicht, um die kantonale Eigenständigkeit in Frage zu stellen, d.h. die Besteuerung bei Beendigung der kantonalen Steuerhoheit als schlechterdings nicht haltbar zu erachten, weil die spätere Besteuerung durch einen andern Kanton möglich wäre.