115 II 460
82. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1989 i.S. W. und E. S. gegen K. AG (Berufung)
Regeste (de):
- Werkvertrag; angemessene Herabsetzung des Werklohns bei unverhältnismässiger Kostenüberschreitung (Art. 374
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 374 - Ist der Preis zum voraus entweder gar nicht oder nur ungefähr bestimmt worden, so wird er nach Massgabe des Wertes der Arbeit und der Aufwendungen des Unternehmers festgesetzt.
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 375 - 1 Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten.
1 Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. 2 Bei Bauten, die auf Grund und Boden des Bestellers errichtet werden, kann dieser eine angemessene Herabsetzung des Lohnes verlangen oder, wenn die Baute noch nicht vollendet ist, gegen billigen Ersatz der bereits ausgeführten Arbeiten dem Unternehmer die Fortführung entziehen und vom Vertrage zurücktreten. SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen.
- Im Regelfall gilt eine Kostenüberschreitung um 10% nicht als unverhältnismässig und ist der Werkpreis bloss um die Hälfte der Summe, welche diese Toleranzgrenze übersteigt, herabzusetzen. Umstände, welche ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts.
Regeste (fr):
- Contrat d'entreprise; réduction convenable du prix de l'ouvrage en cas de dépassement du devis approximatif (art. 374 et 375 al. 2 CO, art. 4 CC).
- Dans la règle, un dépassement de l'ordre de 10% n'est pas excessif; le prix de l'ouvrage doit simplement être diminué d'environ la moitié du montant qui dépasse cette tolérance. Circonstances justifiant de s'écarter de la règle. Pouvoir d'examen du Tribunal fédéral.
Regesto (it):
- Contratto di appalto; riduzione adeguata della mercede in caso di sorpasso sproporzionato del preventivo (art. 374 e 375 cpv. 2 CO, art. 4 CC).
- Di regola, un sorpasso di circa 10% non è sproporzionato; la mercede va ridotta solo della metà della somma eccedente tale limite di tolleranza. Circostanze che giustificano di derogare a questa regola. Potere d'esame del Tribunale federale.
Sachverhalt ab Seite 460
BGE 115 II 460 S. 460
A.- Gestützt auf einen Vertrag vom 21. Mai 1982 erstellte die K. AG für die Ehegatten S. ein Einfamilienhaus. Am 21. Oktober 1983 legte sie die Bauabrechnung über Gesamtkosten von Fr. 764'933.70 vor. Die Eheleute S., welche während der
BGE 115 II 460 S. 461
Bauausführung Akontozahlungen von insgesamt Fr. 654'197.65 geleistet hatten, weigerten sich, die Restforderung von Fr. 110'736.05 zu bezahlen; sie beriefen sich auf eine von ihnen nicht zu vertretende Kostenüberschreitung.
B.- Am 26. April 1984 belangte die K. AG die Ehegatten S. solidarisch auf Fr. 110'736.05 nebst Zins. Das Kantonsgericht Obwalden schützte die Klage am 18. Mai 1988 im Betrage von Fr. 86'366.10 nebst Zins. Mit Urteil vom 21. Juni 1989 wies das Obergericht des Kantons Obwalden eine Appellation der Ehegatten S. ab, hiess dagegen eine Anschlussappellation der K. AG teilweise gut, hob das Urteil des Kantonsgerichts auf und schützte die Klage im Umfange von Fr. 97'488.35 nebst Zins.
C.- Die Beklagten haben beim Bundesgericht Berufung eingelegt. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Wird ein ungefährer Kostenansatz, der subjektive Geschäftsgrundlage bildet, unverhältnismässig überschritten, so hat der Besteller bei Bauten, die auf seinem Grund errichtet werden, Anspruch auf angemessene Herabsetzung des nach Art. 374
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 374 - Ist der Preis zum voraus entweder gar nicht oder nur ungefähr bestimmt worden, so wird er nach Massgabe des Wertes der Arbeit und der Aufwendungen des Unternehmers festgesetzt. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 375 - 1 Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. |
|
1 | Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. |
2 | Bei Bauten, die auf Grund und Boden des Bestellers errichtet werden, kann dieser eine angemessene Herabsetzung des Lohnes verlangen oder, wenn die Baute noch nicht vollendet ist, gegen billigen Ersatz der bereits ausgeführten Arbeiten dem Unternehmer die Fortführung entziehen und vom Vertrage zurücktreten. |
BGE 115 II 460 S. 462
Die Beklagten erachten die Annahme einer Toleranzgrenze von 20% als Verletzung von Bundesrecht. Im konkreten Fall sei diese Grenze bei höchstens 10% anzusetzen. b) Durch die Ausübung des Gestaltungsrechts des Bestellers nach Art. 375 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 375 - 1 Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. |
|
1 | Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. |
2 | Bei Bauten, die auf Grund und Boden des Bestellers errichtet werden, kann dieser eine angemessene Herabsetzung des Lohnes verlangen oder, wenn die Baute noch nicht vollendet ist, gegen billigen Ersatz der bereits ausgeführten Arbeiten dem Unternehmer die Fortführung entziehen und vom Vertrage zurücktreten. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 375 - 1 Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. |
|
1 | Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. |
2 | Bei Bauten, die auf Grund und Boden des Bestellers errichtet werden, kann dieser eine angemessene Herabsetzung des Lohnes verlangen oder, wenn die Baute noch nicht vollendet ist, gegen billigen Ersatz der bereits ausgeführten Arbeiten dem Unternehmer die Fortführung entziehen und vom Vertrage zurücktreten. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 375 - 1 Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. |
|
1 | Wird ein mit dem Unternehmer verabredeter ungefährer Ansatz ohne Zutun des Bestellers unverhältnismässig überschritten, so hat dieser sowohl während als nach der Ausführung des Werkes das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. |
2 | Bei Bauten, die auf Grund und Boden des Bestellers errichtet werden, kann dieser eine angemessene Herabsetzung des Lohnes verlangen oder, wenn die Baute noch nicht vollendet ist, gegen billigen Ersatz der bereits ausgeführten Arbeiten dem Unternehmer die Fortführung entziehen und vom Vertrage zurücktreten. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 374 - Ist der Preis zum voraus entweder gar nicht oder nur ungefähr bestimmt worden, so wird er nach Massgabe des Wertes der Arbeit und der Aufwendungen des Unternehmers festgesetzt. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen. |
BGE 115 II 460 S. 463
vollumfänglich der Klägerin an und verzichtet auf eine Risikoteilung in diesem Bereich. Diese Ermessensausübung ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist in den Fachkreisen allgemein bekannt, dass die Kosten umso genauer erfasst werden können, je weiter die Projektierungs- und Bauarbeiten fortgeschritten sind und je mehr konkrete Angaben aufgrund der Offerten und Arbeitsvergebungen vorliegen. Demgegenüber lässt die kubische Berechnung anhand eines Volumen-Einheitspreises lediglich eine grobe Schätzung nach allgemeinen Erfahrungswerten zu. Die geltende SIA-Ordnung 102 misst denn solchen Berechnungen lediglich einen Genauigkeitsgrad von 20-25% bei (Ziff. 4.1.4 und 4.2.2; SCHUMACHER, Die Haftung des Architekten aus Vertrag, in: Das Architektenrecht, S. 105 ff., 178 Rz. 617 ff.). Diese Überlegungen sind auch bei einem Totalunternehmervertrag zu beachten, zumal die Parteien nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz die SIA-Ordnung 102 als Vertragsbestandteil erklärt haben. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Erstbeklagte fachkundig ist, die Parteien auf einen detaillierten Kostenvoranschlag vor Baubeginn verzichtet und zudem ausschliesslich die Bestimmung des Werkpreises aufgrund einer offenen Abrechnung vereinbart haben. Beurteilt sich letztlich aber aufgrund der Geschäftsgrundlage und des Grundlagenirrtums, ob und inwieweit der Besteller mit Überschreitungen rechnen muss, ist den Beklagten entgegenzuhalten, dass sie jedenfalls nicht von einem erhöhten Genauigkeitsgrad des approximativen Kostenansatzes ausgehen durften. Aus den Feststellungen der Vorinstanz sowie aus ihren Vorbringen vor Bundesgericht ist auch nicht zu entnehmen, dass die Beklagten auf die Kostenzusammenstellung vom 18. Oktober 1982, welche bereits Fr. 776'918.-- auswies, ablehnend reagiert hätten. In Würdigung all dieser Umstände ist daher eine Toleranzgrenze von 20% durchaus vertretbar und der angefochtene Entscheid somit bundesrechtskonform. Das Ergebnis rechtfertigt sich umso mehr, als das Obergericht die Baukosten jenseits der Toleranzgrenze voll der Klägerin angelastet und auf die sonst übliche Risikoteilung verzichtet hat.