114 V 169
35. Urteil vom 15. August 1988 i.S. H. gegen Schweizerische Krankenkasse Helvetia und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste (de):
- Art. 9 Abs. 1
SR 832.202 Ordinanza del 20 dicembre 1982 sull'assicurazione contro gli infortuni (OAINF)
OAINF Art. 9 Lesioni corporali parificabili ai postumi d'infortunio - Non costituiscono una lesione corporale ai sensi dell'articolo 6 capoverso 2 della legge i danni non imputabili all'infortunio causati alle strutture applicate in seguito a malattia che sostituiscono una parte del corpo o una funzione fisiologica.
- Die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen dem als Unfall zu qualifizierenden Abbrechen eines Zahnes beim Beissen auf eine Nussschale im Nussbrot und dem eingetretenen Zahnschaden darf nur dann verneint werden, wenn anzunehmen ist, der betroffene Zahn hätte selbst einer normalen Belastung nicht standgehalten.
Regeste (fr):
- Art. 9 al. 1 OLAA, art. 14 al. 2 Ord. III: Rapport de causalité adéquate en cas de dommage dentaire imputable à un accident.
- Le caractère adéquat du lien de causalité entre le fait constitutif d'un accident de se casser une dent en mordant dans un pain aux noix qui contient un résidu de coquille et la survenance du dommage dentaire ne peut être nié que s'il y a lieu d'admettre que la dent se fût brisée même en l'absence d'une sollicitation anormale.
Regesto (it):
- Art. 9 cpv. 1 OAINF, art. 14 cpv. 2 Ord. III: Nesso di causalità adeguata per danno della dentatura provocato da infortunio.
- L'adeguatezza del rapporto di causalità adeguata tra il fatto da ritenere infortunio di masticare un pane alle noci contenente il resto di un guscio rompendosi un dente e il danno alla dentatura non può essere negato che quando si debba ammettere che il dente in questione non avrebbe sopportato una normale sollecitazione.
Sachverhalt ab Seite 169
BGE 114 V 169 S. 169
A.- Doris H. (geb. 1941) ist bei der Schweizerischen Krankenkasse Helvetia u.a. auch gegen Unfälle versichert. Am 12. März 1987 biss sie beim Essen von Nussbrot auf eine Nussschale, wodurch sie sich einen Zahn abbrach. Mit Verfügung vom 7. Juli 1987 lehnte es die Krankenkasse ab, die Kosten der Zahnbehandlung ganz oder teilweise zu übernehmen, weil das Beissen auf eine Schale im Nussbrot nichts Ungewöhnliches darstelle; der Unfallbegriff sei deshalb nicht erfüllt.
B.- Die von Doris H. hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Oktober 1987 ab.
C.- Doris H. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, der vorinstanzliche Entscheid und die angefochtene Verfügung seien aufzuheben und die Krankenkasse sei zur Vergütung der Zahnbehandlungskosten zu verpflichten. Während die Krankenkasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen; eventuell sei die Sache zur Abklärung des Vorzustandes des
BGE 114 V 169 S. 170
gebrochenen Zahnes und zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. (Unfallbegriff: vgl. BGE 112 V 202 Erw. 1.)
2. (Ausführungen darüber, dass entgegen Krankenkasse und Vorinstanz ein Unfall im Rechtssinne zu bejahen ist.)
3. a) Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren wendet die Krankenkasse ein, selbst wenn der Unfallbegriff zu bejahen wäre, entfalle ihre Leistungspflicht, weil der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Biss auf die Nussschale und dem eingetretenen Zahnschaden wegen des Vorzustandes des abgebrochenen Zahnes als unterbrochen gelten müsse. Der Biss auf die Nussschale sei von der anderen Ursache der Schädigung - dem Vorzustand des Zahnes - so sehr in den Hintergrund gedrängt worden, dass er nach wertender Betrachtungsweise als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheine. Wie aus dem Frageblatt betreffend Zahnschäden - hervorgehe, sei der gebrochene Zahn durch Wurzelbehandlung und eine grosse Füllung bereits derart geschwächt gewesen, dass er früher oder später gebrochen wäre. Nach Ansicht ihres Vertrauensarztes hätte der Zahn schon vor dem schädigenden Ereignis mit einer Krone versehen werden müssen. b) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 103 V 180 Erw. 3a und im unveröffentlichten Urteil K. vom 4. September 1975 (zitiert und zusammengefasst in BGE 112 V 204 Erw. 3a und in BGE 103 V 180 Erw. 3a) ausgeführt hat, lässt es sich nicht rechtfertigen, die Erfüllung des Unfallbegriffs davon abhängig zu machen, ob das schädigende Ereignis einen völlig intakten oder aber einen bereits behandelten Zahn betroffen hat. Dass einzelne oder sogar eine Anzahl von Zähnen infolge zahnärztlicher Behandlung im Hinblick auf mechanischen Druck relativ geschwächt sind, bildet im Erwachsenenalter wohl die Regel, wogegen ein völlig intaktes Gebiss eher die Ausnahme sein dürfte. Es ist zwar anzunehmen, dass ein völlig gesunder Zahn stärkeren Belastungen standhält als ein sanierter. Indessen bleibt ein behandelter Zahn in der Regel für den normalen Kauakt durchaus funktionstüchtig. Wenn ein solcher Zahn einer plötzlichen, nicht beabsichtigten und aussergewöhnlichen Belastung nicht standhält, darf die Annahme eines Unfalles nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, ein völlig intakter
BGE 114 V 169 S. 171
Zahn hätte selbst diese Belastung überstanden. Vorbehalten bleiben Fälle, wo der Zahn so geschwächt ist, dass er auch eine normale Belastung nicht ausgehalten hätte. Diese Ausführungen erfolgten zwar im Zusammenhang mit der Erörterung des Unfallbegriffs, beschlagen aber die davon zu unterscheidende Frage des adäquaten Kausalzusammenhangs (vgl. MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 165); in diesem Sinne kann darauf zur Beantwortung der vorliegend interessierenden Frage abgestellt werden, was bedeutet, dass ein adäquater Kausalzusammenhang (vgl. BGE 113 V 312 Erw. 3b mit Hinweisen) zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Zahnschaden nur dann verneint werden darf, wenn anzunehmen ist, der betroffene Zahn hätte selbst einer normalen Belastung nicht standgehalten. Damit ist auch die in BGE 112 V 206 Erw. 3c noch offengelassene Frage, welche Bedeutung dem Vorzustand des betroffenen Zahnes beizumessen ist, beantwortet. c) Entgegen der Behauptung der Krankenkasse fehlen im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür, dass der abgebrochene Zahn der Beschwerdeführerin derart geschwächt gewesen wäre, dass er auch einer normalen Belastung nicht standgehalten hätte. Ergänzende Abklärungen erübrigen sich. Dass der Zahn auch ohne Unfall "früher oder später" Schaden genommen hätte, mag zutreffen, genügt aber nach dem Gesagten nicht, um den rechtserheblichen Kausalzusammenhang zu unterbrechen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Oktober 1987 und die angefochtene Verfügung vom 7. Juli 1987 aufgehoben, und die Schweizerische Krankenkasse Helvetia wird verpflichtet, für den Zahnschaden der Beschwerdeführerin die statutarischen Leistungen zu erbringen.