Urteilskopf

114 IV 148

42. Urteil des Kassationshofes vom 15. Dezember 1988 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 149

BGE 114 IV 148 S. 149

A.- X. fuhr am 3. März 1986, um 19.20 Uhr, von Zürich herkommend, wo er nach eigenen Angaben um ca. 15.30 Uhr und um ca. 17.00 Uhr je eine Stange Bier getrunken hatte, mit seinem PW VW Passat durch die Alte Landstrasse in Rüschlikon in Richtung Thalwil. Das Fahrzeug geriet auf einem geraden und ebenen, mit Schnee bedeckten Streckenabschnitt ins Schleudern und prallte mit der Front gegen eine rund 80 cm hohe Schneemauer am rechtsseitigen Strassenrand. X. versuchte zunächst erfolglos, das Fahrzeug zurückzusetzen. Als ihm ein Anwohner und eine weitere Person zu Hilfe kommen wollten, drückte er den Sicherungsknopf der Wagentür auf der Fahrerseite hinunter, so dass diese von aussen nicht geöffnet werden konnte. Es gelang ihm wenig später, den Wagen zurückzusetzen. Er fuhr, ohne ausgestiegen zu sein und nachgeschaut zu haben, ob ein Schaden entstanden sei, nach Hause. Dort trank er nach eigenen Angaben in der Zeit zwischen 19.45 und 20.30 Uhr zunächst eine grosse Flasche Bier und dann zum Nachtessen fünf Gläser Rotwein. Infolge des Aufpralls
BGE 114 IV 148 S. 150

waren der Lebhag, der sich hinter der Schneemauer befand, und der Eisenzaun hinter dem Lebhag beschädigt worden. Der Wagen wies Schäden am Kühlergitter und an der Stossstange sowie eine kleine Delle auf der Motorhaube auf. Um 20.30 Uhr traf die Polizei in der Wohnung des X. ein; der Anwohner, der X. hatte helfen wollen, hatte die Kontrollschildnummer notiert und die Polizei verständigt. Die Analyse der um 21.28 Uhr abgenommenen Blutprobe ergab unter Berücksichtigung des von X. angegebenen Nachtrunks eine Blutalkoholkonzentration von 0,78 Gew.-%o im massgebenden Zeitpunkt.
B.- Der Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Horgen sprach X. am 26. Februar 1987 von der Anschuldigung der Vereitelung einer Blutprobe frei. Er bestrafte ihn wegen Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90 Ziff. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.
3    Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren wird bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen.
3bis    Die Mindeststrafe von einem Jahr kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 unterschritten werden, wenn ein Strafmilderungsgrund nach Artikel 48 StGB235 vorliegt, insbesondere wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat.236
3ter    Der Täter kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wenn er nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Tat wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Strassenverkehr mit ernstlicher Gefahr für die Sicherheit anderer, respektive mit Verletzung oder Tötung anderer verurteilt wurde.237
4    Eine besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt vor, wenn diese überschritten wird um:
a  mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt;
b  mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt;
c  mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt;
d  mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.238
5    Artikel 237 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches239 findet in diesen Fällen keine Anwendung.
SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 31 - 1 Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann.
1    Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann.
2    Wer wegen Alkohol-, Betäubungsmittel- oder Arzneimitteleinfluss oder aus anderen Gründen nicht über die erforderliche körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügt, gilt während dieser Zeit als fahrunfähig und darf kein Fahrzeug führen.103
2bis    Der Bundesrat kann folgenden Personengruppen das Fahren unter Alkoholeinfluss verbieten:
a  Personen, die den konzessionierten oder den grenzüberschreitenden Personenverkehr auf der Strasse durchführen (Art. 8 Abs. 2 des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 2009104 sowie Art. 3 Abs. 1 des BG vom 20. März 2009105 über die Zulassung als Strassentransportunternehmen);
b  Personen, die berufsmässig Personentransporte oder mit schweren Motorwagen Gütertransporte durchführen oder die gefährliche Güter transportieren;
c  Fahrlehrern;
d  Inhabern des Lernfahrausweises;
e  Personen, die Lernfahrten begleiten;
f  Inhabern des Führerausweises auf Probe.106
2ter    Der Bundesrat legt fest, ab welcher Atemalkohol- und Blutalkoholkonzentration Fahren unter Alkoholeinfluss vorliegt.107
3    Der Führer hat dafür zu sorgen, dass er weder durch die Ladung noch auf andere Weise behindert wird. Mitfahrende dürfen ihn nicht behindern oder stören.
und 32 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen.
1    Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen.
2    Der Bundesrat beschränkt die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen.108
3    Die vom Bundesrat festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde nur auf Grund eines Gutachtens herab- oder heraufgesetzt werden. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen.109
4    ...110
5    ...111
SVG sowie Art. 4 Abs. 2
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 4 Angemessene Geschwindigkeit - (Art. 32 Abs. 1 SVG)
1    Der Fahrzeugführer darf nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überblickbaren Strecke halten kann; wo das Kreuzen schwierig ist, muss er auf halbe Sichtweite halten können.
2    und 3 ...44
4    ...45
5    Der Fahrzeugführer darf ohne zwingende Gründe nicht so langsam fahren, dass er einen gleichmässigen Verkehrsfluss hindert.
VRV) und wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (Art. 92 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
in Verbindung mit Art. 51 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 51 - 1 Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
1    Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
2    Sind Personen verletzt, so haben alle Beteiligten für Hilfe zu sorgen, Unbeteiligte, soweit es ihnen zumutbar ist. Die Beteiligten, in erster Linie die Fahrzeugführer, haben die Polizei zu benachrichtigen. Alle Beteiligten, namentlich auch Mitfahrende, haben bei der Feststellung des Tatbestandes mitzuwirken. Ohne Zustimmung der Polizei dürfen sie die Unfallstelle nur verlassen, soweit sie selbst Hilfe benötigen, oder um Hilfe oder die Polizei herbeizurufen.
3    Ist nur Sachschaden entstanden, so hat der Schädiger sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und Namen und Adresse anzugeben. Wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen.
4    Bei Unfällen auf Bahnübergängen haben die Beteiligten die Bahnverwaltung unverzüglich zu benachrichtigen.
SVG) mit einer Busse von Fr. 750.--. Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach X. am 2. Juli 1987 auf Berufung der Staatsanwaltschaft zusätzlich der Vereitelung einer Blutprobe (Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG) schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 45 Tagen sowie zu einer Busse von Fr. 300.--.
C.- Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Sache sei zu seiner Freisprechung vom Vorwurf der Vereitelung einer Blutprobe an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die vom Verurteilten gegen den Entscheid des Zürcher Obergerichts erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde am 19. Juli 1988 ab, soweit es darauf eintrat. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben auf Vernehmlassungen verzichtet.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Das Obergericht ist mit der 1. Instanz der Auffassung, dass der Unfall als solcher angesichts der winterlichen Verhältnisse nicht die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe begründete. Es bejaht dennoch die hohe Wahrscheinlichkeit dieser Massnahme und hält dazu fest, der Beschwerdeführer habe nach seinen Angaben im Verlauf des fraglichen Nachmittags zwei Stangen
BGE 114 IV 148 S. 151

Bier getrunken und nach den Berechnungen des Gerichtlich- Medizinischen Instituts der Universität Zürich unter Berücksichtigung des geltend gemachten Nachtrunks einen Blutalkoholgehalt von mindestens 0,78 Gew.-%o aufgewiesen. Damit steht für das Obergericht "ausser Frage", dass der Beschwerdeführer "in der kritischen Zeit einen merklichen Mundalkoholgeruch aufgewiesen haben musste, welcher dem Polizeibeamten bei einer Einvernahme nicht verborgen geblieben wäre", so dass allein schon deshalb die Anordnung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich war. Hinzu kommen nach den Ausführungen des Obergerichts die weiteren Tatsachen, dass der Beschwerdeführer den Sicherungsknopf der Wagentür hinunterdrückte, als ihm Drittpersonen bei seinen Bemühungen, den in der Schneemauer festgefahrenen Wagen wieder frei zu bekommen, behilflich sein wollten, dass er, nachdem ihm dies kurz darauf gelungen war, davonfuhr, ohne sich um den Schaden zu kümmern, und dass er zu Hause reichlich Alkohol konsumierte. Die Erklärungen des Beschwerdeführers zu den Beweggründen für dieses Verhalten, dass er nämlich die Strasse wegen der sich von beiden Seiten stauenden Fahrzeuge so schnell wie möglich habe freigeben wollen und dass er im Schreck ob des Unfalls in die Hosen gemacht habe, vermochten das Obergericht nicht zu überzeugen. Für die Vorinstanz liegt der Verdacht nahe, dass die "unkontrollierte, rein emotionale Reaktion" des Beschwerdeführers auf den angesichts der hochwinterlichen Strassenverhältnisse eher alltäglichen Schleuderunfall und die überstürzte Flucht aus Angst vor der drohenden Blutprobe und vor einer erneuten Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (nach seiner Verurteilung am 7. April 1983) erfolgten. Jedenfalls deuten nach der Meinung der Vorinstanz "alle diese äusseren Anzeichen (Mundgeruch, Verwirrungszustand, in die Hosen machen, Herunterdrücken der Sicherungsknöpfe, Unfallflucht, Nachtrunk) auf die Alkoholisierung des Fahrzeuglenkers hin, ... darf damit füglich angenommen werden, dass die Polizei mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet hätte", und ist daher der objektive Tatbestand von Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG erfüllt. Aus dem angefochtenen Entscheid geht nicht deutlich hervor, worin genau die Vorinstanz die Vereitelungshandlung erblickte, ob in der Unterlassung der Unfallmeldung und/oder im Nachtrunk.
2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfüllt die Unterlassung der sofortigen Meldung eines Unfalls an die Polizei dann den objektiven Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe,
BGE 114 IV 148 S. 152

wenn der Fahrzeugführer zur unverzüglichen Benachrichtigung der Polizei verpflichtet (Art. 51
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 51 - 1 Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
1    Ereignet sich ein Unfall, an dem ein Motorfahrzeug oder Fahrrad beteiligt ist, so müssen alle Beteiligten sofort anhalten. Sie haben nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen.
2    Sind Personen verletzt, so haben alle Beteiligten für Hilfe zu sorgen, Unbeteiligte, soweit es ihnen zumutbar ist. Die Beteiligten, in erster Linie die Fahrzeugführer, haben die Polizei zu benachrichtigen. Alle Beteiligten, namentlich auch Mitfahrende, haben bei der Feststellung des Tatbestandes mitzuwirken. Ohne Zustimmung der Polizei dürfen sie die Unfallstelle nur verlassen, soweit sie selbst Hilfe benötigen, oder um Hilfe oder die Polizei herbeizurufen.
3    Ist nur Sachschaden entstanden, so hat der Schädiger sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und Namen und Adresse anzugeben. Wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen.
4    Bei Unfällen auf Bahnübergängen haben die Beteiligten die Bahnverwaltung unverzüglich zu benachrichtigen.
SVG) und diese möglich war und wenn bei objektiver Betrachtung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet hätte. Zu diesen Umständen gehören der Unfall als solcher und das Verhalten des Fahrzeuglenkers vor und nach dem Unfall (BGE 109 IV 137). Dabei kann allerdings nur das Verhalten des Fahrzeuglenkers bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Meldung des Unfalls spätestens hätte erfolgen müssen, bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe mitberücksichtigt werden (nicht publiziertes Urteil des Kassationshofes vom 14. Juli 1988 i.S. M. gegen Zürich, mit Hinweisen). Die Unterlassung der Unfallmeldung als solche fällt, soweit sie die Tathandlung ist, bei der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung ebenso ausser Betracht wie die aus der Unterlassung bei Fehlen anderer plausibler Tatmotive allenfalls ableitbare Angst des Fahrzeuglenkers vor der Blutprobe; denn zu prüfen ist ja gerade, ob der Fahrzeugführer durch die Unterlassung der Unfallmeldung eine Blutprobe; die im Falle der pflichtgemässen Meldung des Unfalls sehr wahrscheinlich angeordnet worden wäre, vereitelt habe. a) Der Beschwerdeführer hatte nach seinen Aussagen, die im angefochtenen Urteil nicht in Zweifel gezogen werden, unmittelbar nach dem Unfall in die Hosen gemacht. Damit hatte er an sich einen plausiblen Grund, beim Herannahen der beiden Personen, die ihm behilflich sein wollten, den Sicherungsknopf der Fahrertür hinunterzudrücken und zur Vermeidung eines Kontakts mit Dritten möglichst rasch wegzufahren. Ob die Stresssituation, die nach den Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Defäkation führte, ihren Grund allein schon im Unfall bzw. in den Schwierigkeiten, den Wagen wieder frei zu bekommen, hatte oder ob sie durch die Alkoholisierung bzw. die Angst des Beschwerdeführers vor dem Ergebnis einer Blutprobe begründet wurde, wie die Vorinstanz offenbar annimmt, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Es kann auch offenbleiben, ob bei Meldung des Unfalls die Polizei wegen Alkoholgeruchs in der Atemluft des Beschwerdeführers mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet hätte. Indem der Beschwerdeführer die Unfallmeldung, die er spätestens sofort nach seiner Ankunft zu Hause hätte erstatten müssen, unterliess, erfüllte er aus nachstehenden Gründen jedenfalls den subjektiven

BGE 114 IV 148 S. 153

Tatbestand von Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG nicht.
b) Der subjektive Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe durch Unterlassung der Unfallmeldung ist nach der Rechtsprechung erfüllt, wenn der Fahrzeuglenker die die Meldepflicht sowie die die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe begründenden Tatsachen kannte und daher die Unterlassung der gesetzlich vorgeschriebenen und ohne weiteres möglichen Meldung vernünftigerweise nur als Inkaufnahme der Vereitelung der Blutprobe gewertet werden kann (BGE 109 IV 137). Der Beschwerdeführer wurde lediglich wegen fahrlässigen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (Art. 92
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 92 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift.
SVG) verurteilt, wie sich aus dem vor Obergericht insoweit nicht angefochtenen Entscheid der 1. Instanz ergibt. Der Einzelrichter billigte dem Beschwerdeführer sinngemäss zu, dass er den durch den Aufprall verursachten Schaden am Lebhag und am Eisenzaun, die sich hinter der Schneemauer befanden, nicht wahrgenommen habe, und warf ihm vor, dass er diesen Schaden aber bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Da der Beschwerdeführer somit die die Meldepflicht begründenden Umstände (Drittschaden) - wenn auch aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit - nicht kannte, kann die Unterlassung der Unfallmeldung nicht den subjektiven Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe, die ein Vorsatzdelikt ist, erfüllen.
3. Es bleibt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer den Tatbestand von Art. 91 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 91 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer:
1    Mit Busse wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt;
b  das Verbot, unter Alkoholeinfluss zu fahren, missachtet;
c  in fahrunfähigem Zustand ein motorloses Fahrzeug führt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt;
b  aus anderen Gründen fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt.
SVG dadurch erfüllte, dass er nach seinen eigenen Angaben zu Hause in der Zeit zwischen 19.45 und 20.30 Uhr zunächst eine grosse Flasche (5,8 dl) Bier und dann zum Nachtessen fünf Gläser Rotwein trank. Ob durch diesen Nachtrunk der objektive Tatbestand der erwähnten Bestimmung erfüllt worden sei, kann dahingestellt bleiben, weil es vorliegend jedenfalls am subjektiven Tatbestand fehlt.
Der Beschwerdeführer hatte nach den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil - wenn auch aus pflichtwidriger Unaufmerksamkeit - den angerichteten Schaden nicht bemerkt. Er wusste somit nicht, dass er einen Schaden verursacht hatte, den er hätte melden müssen, dass er seine Meldepflicht verletzt hatte und die Polizei deswegen unter Umständen eine Blutprobe anordnen könnte. Wohl kann Vorsatz nicht nur dann gegeben sein, wenn der Fahrzeuglenker die die hohe Wahrscheinlichkeit der Blutprobe begründenden Tatsachen kannte, sondern auch dann, wenn er diese Umstände zwar nicht kannte, ihm aber eine Äusserung nachgewiesen

BGE 114 IV 148 S. 154

werden kann, die belegt, dass er an das Risiko einer Blutprobe dachte (vgl. BGE 106 IV 398, 109 IV 140 E. 2b). Eine solche Äusserung kann dem Beschwerdeführer jedoch nicht nachgewiesen werden. Der von ihm angegebene Konsum von einer grossen Flasche (5,8 dl) Bier und von fünf Gläsern Rotwein (zum Nachtessen) in der Zeit zwischen 19.45 und 20.30 Uhr mag zwar etwas auffällig sein, doch kann nicht gesagt werden, dieser Alkoholkonsum kurze Zeit nach dem Unfall lasse sich vernünftigerweise nur damit erklären, dass der Beschwerdeführer die Anordnung einer Blutprobe als sehr wahrscheinlich erkannte und den Zweck dieser Massnahme vereiteln wollte. Der Beschwerdeführer pflegte zum Nachtessen zusammen mit seiner Lebensgefährtin meistens eine Flasche Wein zu trinken, und der Konsum von einer Flasche Bier kurz nach der Heimkehr, vor dem Essen, kann mit dem Arger über den Unfall erklärt werden. Gegen die Annahme, der Beschwerdeführer habe die Anordnung einer Blutprobe für sehr wahrscheinlich gehalten und durch den Alkoholkonsum den Zweck dieser Massnahme vereiteln wollen, spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass er nach dem Unfall sofort nach Hause fuhr, obschon er wusste, dass es Zeugen gab, welche die Kontroll.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 114 IV 148
Date : 15. Dezember 1988
Published : 31. Dezember 1988
Source : Bundesgericht
Status : 114 IV 148
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 91 Abs. 3 SVG. Vereitelung einer Blutprobe. 1. Vereitelung einer Blutprobe durch Unterlassen der Unfallmeldung mangels


Legislation register
SVG: 31  32  51  90  91  92
VRV: 4
BGE-register
106-IV-398 • 109-IV-137 • 114-IV-148
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
blood sample • watch • beer • damage • lower instance • convicted person • obligation to register • intent • behavior • meadow • consumption • court of cassation • forfeit • judge sitting alone • sentencing • conduct contrary to one's duty at an accident • third party damage • federal court • language • statement of affairs
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