Urteilskopf

114 Ib 317

48. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. Dezember 1988 i.S. A. gegen Gemeinde X. und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 318

BGE 114 Ib 317 S. 318

A. ist Eigentümerin eines Grundstückes in der Gemeinde X., das gemäss Zonenplan dieser Gemeinde vom 16. Dezember 1982 teilweise innerhalb und teilweise ausserhalb der Bauzone liegt. Sie beabsichtigt, ihr Wohnhaus, das sich ausserhalb der Bauzone befindet, durch einen unterirdischen Gang mit der Doppelgarage und dem Schwimmbad in der Bauzone zu verbinden. Das Bauvorhaben soll zum grössten Teil im ausserhalb der Bauzone gelegenen Bereich des Grundstückes errichtet werden. Am 26. Januar 1987 verweigerte der Gemeinderat in Übereinstimmung mit einer Weisung des Baudepartementes vom 21. Januar 1987 die Baubewilligung. Eine dagegen eingereichte Beschwerde wies der Regierungsrat ab. Ebenso entschied das Verwaltungsgericht am 25. Mai 1988, beide Instanzen nach Durchführung eines Augenscheins. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
BGE 114 Ib 317 S. 319

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. Eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz
RPG Art. 24 Ausnahmen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen - Abweichend von Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a können Bewilligungen erteilt werden, Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn:
a  der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert; und
b  keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.
RPG kann erteilt werden, wenn der Zweck der Baute einen Standort ausserhalb der Bauzone erfordert (lit. a) und wenn dem Vorhaben keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (BGE 113 Ib 141 E. 5; BGE 112 Ib 102). a) Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf die Standortgebundenheit nur dann bejaht werden, wenn eine Baute aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist. Dabei beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen noch auf die persönliche Zweckmässigkeit oder Bequemlichkeit ankommen (BGE 113 Ib 141 E. 5a; BGE 111 Ib 217 E. 3b). An diese Erfordernisse sind strenge Anforderungen zu stellen (BGE 113 Ib 142), um der Zersiedlung der Landschaft entgegenzuwirken. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festhält, beruht diese Regelung auf der räumlichen Ordnungsvorstellung, das Kulturland und das Siedlungsgebiet zu trennen, den Siedlungsraum zu beschränken und das Land ausserhalb des baulichen Bereichs grundsätzlich von Überbauungen freizuhalten (Art. 3 Abs. 2
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz
RPG Art. 3 Planungsgrundsätze - 1 Die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden achten auf die nachstehenden Grundsätze.
1    Die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden achten auf die nachstehenden Grundsätze.
2    Die Landschaft ist zu schonen. Insbesondere sollen:
a  der Landwirtschaft genügende Flächen geeigneten Kulturlandes, insbesondere Fruchtfolgeflächen, erhalten bleiben;
b  Siedlungen, Bauten und Anlagen sich in die Landschaft einordnen;
c  See- und Flussufer freigehalten und öffentlicher Zugang und Begehung erleichtert werden;
d  naturnahe Landschaften und Erholungsräume erhalten bleiben;
e  die Wälder ihre Funktionen erfüllen können.
3    Die Siedlungen sind nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen. Insbesondere sollen:
a  Wohn- und Arbeitsgebiete einander zweckmässig zugeordnet sein und schwergewichtig an Orten geplant werden, die auch mit dem öffentlichen Verkehr angemessen erschlossen sind;
abis  Massnahmen getroffen werden zur besseren Nutzung der brachliegenden oder ungenügend genutzten Flächen in Bauzonen und der Möglichkeiten zur Verdichtung der Siedlungsfläche;
b  Wohngebiete vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen wie Luftverschmutzung, Lärm und Erschütterungen möglichst verschont werden;
c  Rad- und Fusswege erhalten und geschaffen werden;
d  günstige Voraussetzungen für die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sichergestellt sein;
e  Siedlungen viele Grünflächen und Bäume enthalten.
4    Für die öffentlichen oder im öffentlichen Interesse liegenden Bauten und Anlagen sind sachgerechte Standorte zu bestimmen. Insbesondere sollen:
a  regionale Bedürfnisse berücksichtigt und störende Ungleichheiten abgebaut werden;
b  Einrichtungen wie Schulen, Freizeitanlagen oder öffentliche Dienste für die Bevölkerung gut erreichbar sein;
c  nachteilige Auswirkungen auf die natürlichen Lebensgrundlagen, die Bevölkerung und die Wirtschaft vermieden oder gesamthaft gering gehalten werden.
und 3
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz
RPG Art. 3 Planungsgrundsätze - 1 Die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden achten auf die nachstehenden Grundsätze.
1    Die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden achten auf die nachstehenden Grundsätze.
2    Die Landschaft ist zu schonen. Insbesondere sollen:
a  der Landwirtschaft genügende Flächen geeigneten Kulturlandes, insbesondere Fruchtfolgeflächen, erhalten bleiben;
b  Siedlungen, Bauten und Anlagen sich in die Landschaft einordnen;
c  See- und Flussufer freigehalten und öffentlicher Zugang und Begehung erleichtert werden;
d  naturnahe Landschaften und Erholungsräume erhalten bleiben;
e  die Wälder ihre Funktionen erfüllen können.
3    Die Siedlungen sind nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen. Insbesondere sollen:
a  Wohn- und Arbeitsgebiete einander zweckmässig zugeordnet sein und schwergewichtig an Orten geplant werden, die auch mit dem öffentlichen Verkehr angemessen erschlossen sind;
abis  Massnahmen getroffen werden zur besseren Nutzung der brachliegenden oder ungenügend genutzten Flächen in Bauzonen und der Möglichkeiten zur Verdichtung der Siedlungsfläche;
b  Wohngebiete vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen wie Luftverschmutzung, Lärm und Erschütterungen möglichst verschont werden;
c  Rad- und Fusswege erhalten und geschaffen werden;
d  günstige Voraussetzungen für die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sichergestellt sein;
e  Siedlungen viele Grünflächen und Bäume enthalten.
4    Für die öffentlichen oder im öffentlichen Interesse liegenden Bauten und Anlagen sind sachgerechte Standorte zu bestimmen. Insbesondere sollen:
a  regionale Bedürfnisse berücksichtigt und störende Ungleichheiten abgebaut werden;
b  Einrichtungen wie Schulen, Freizeitanlagen oder öffentliche Dienste für die Bevölkerung gut erreichbar sein;
c  nachteilige Auswirkungen auf die natürlichen Lebensgrundlagen, die Bevölkerung und die Wirtschaft vermieden oder gesamthaft gering gehalten werden.
RPG). Der Gesetzgeber hat somit grundsätzlich selber eine Interessenabwägung vorgenommen; die Baubewilligungs- und die entsprechende Rechtsmittelbehörde hat sie lediglich anzuwenden. Hierin unterscheidet sich die Handhabung des Kriteriums der Standortgebundenheit (Art. 24 Abs. 1 lit. a
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz
RPG Art. 24 Ausnahmen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen - Abweichend von Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a können Bewilligungen erteilt werden, Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn:
a  der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert; und
b  keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.
RPG) von demjenigen der überwiegenden entgegenstehenden Interessen (Art. 24 Abs. 1 lit. b
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz
RPG Art. 24 Ausnahmen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen - Abweichend von Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a können Bewilligungen erteilt werden, Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn:
a  der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert; und
b  keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.
RPG). b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie benötige den Durchgang, um trockenen Fusses vom Wohnhaus zur Garage zu gelangen, vor allem im Hinblick auf zunehmendes Alter und zunehmende Gebrechlichkeit. Das Verwaltungsgericht hält dem entgegen, der vorgesehene Durchgang sei aus sachlichen Gründen nicht auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen. Das zonenwidrige Wohnhaus könne die Standortgebundenheit des Bauvorhabens nicht begründen. Im übrigen könnten die Garage und das Schwimmbad bereits heute vom Wohnhaus aus problemlos über den geteerten bzw. gekiesten Hausplatz erreicht werden, womit die Verbindung gewährleistet sei. Eine weitere interne Erschliessung
BGE 114 Ib 317 S. 320

mittels unterirdischem Durchgang sei daher keineswegs erforderlich. c) Diesen verwaltungsgerichtlichen Überlegungen ist zuzustimmen. Es liegt auf der Hand, dass der unterirdische Durchgang als solcher nicht standortgebunden ist, sondern einem persönlichen Komfortbedürfnis entspringt, das der gesetzgeberischen räumlichen Ordnungsvorstellung widerspricht (BGE 111 Ib 217 E. 3b, BGE 108 Ib 135 E. 3a; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 2. März 1987 i.S. EJPD c. Wismer betreffend Minigolfanlage und Parkplatzerweiterung zu einem bestehenden Restaurant). Die Verhältnisse liegen hier nicht anders als bei einem Schwimmbad und einem Gartenhaus, das ein Bauherr in der Nähe seines Privathauses errichten wollte. Auch in diesem Fall fand das Bundesgericht, der Wunsch danach entspreche nicht einem Bedürfnis, das im Hinblick auf die sinnvolle Nutzung der Wohnliegenschaft als sachlich ausgewiesen oder gar notwendig erscheine. Dieses Ergebnis könne für einen Bauherrn, der seinerzeit rechtens gebaut habe und dessen Liegenschaft nunmehr zonenwidrig geworden sei, eine gewisse Härte bedeuten. Diese Härte sei indessen vom Bundesgesetzgeber im Interesse einer klaren Trennung von Siedlungs- und Nichtsiedlungsgebiet, die zur Vermeidung der Zersiedlung der Landschaft nötig sei, bewusst in Kauf genommen worden (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 23. Mai 1986 i.S. Mayer c. Weinfelden betreffend Schwimmbad und Gartenhaus). d) Die Standortgebundenheit kann auch nicht aus der Tatsache hergeleitet werden, dass der Durchgang dem bestehenden Wohnhaus dient, da eine bestehende, zonenfremde Baute als solche eine weitere Ausdehnung der zonenwidrigen Nutzung nicht rechtfertigen und somit die Standortgebundenheit für weitere zonenfremde Anlagen nicht begründen kann (nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 20. Mai 1987 i.S. Schärer E. 3, vom 2. März 1987 i.S. EJPD c. Wismer E. 3a und vom 18. März 1981 i.S. Henselmann E. 5b).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 114 IB 317
Datum : 01. Dezember 1988
Publiziert : 31. Dezember 1988
Quelle : Bundesgericht
Status : 114 IB 317
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Art. 24 Abs. 1 RPG; Standortgebundenheit eines unterirdischen Durchganges. 1. Das in Art. 24 Abs. 1 RPG enthaltene Erfordernis


Gesetzesregister
RPG: 3 
SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz
RPG Art. 3 Planungsgrundsätze - 1 Die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden achten auf die nachstehenden Grundsätze.
1    Die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden achten auf die nachstehenden Grundsätze.
2    Die Landschaft ist zu schonen. Insbesondere sollen:
a  der Landwirtschaft genügende Flächen geeigneten Kulturlandes, insbesondere Fruchtfolgeflächen, erhalten bleiben;
b  Siedlungen, Bauten und Anlagen sich in die Landschaft einordnen;
c  See- und Flussufer freigehalten und öffentlicher Zugang und Begehung erleichtert werden;
d  naturnahe Landschaften und Erholungsräume erhalten bleiben;
e  die Wälder ihre Funktionen erfüllen können.
3    Die Siedlungen sind nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen. Insbesondere sollen:
a  Wohn- und Arbeitsgebiete einander zweckmässig zugeordnet sein und schwergewichtig an Orten geplant werden, die auch mit dem öffentlichen Verkehr angemessen erschlossen sind;
abis  Massnahmen getroffen werden zur besseren Nutzung der brachliegenden oder ungenügend genutzten Flächen in Bauzonen und der Möglichkeiten zur Verdichtung der Siedlungsfläche;
b  Wohngebiete vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen wie Luftverschmutzung, Lärm und Erschütterungen möglichst verschont werden;
c  Rad- und Fusswege erhalten und geschaffen werden;
d  günstige Voraussetzungen für die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sichergestellt sein;
e  Siedlungen viele Grünflächen und Bäume enthalten.
4    Für die öffentlichen oder im öffentlichen Interesse liegenden Bauten und Anlagen sind sachgerechte Standorte zu bestimmen. Insbesondere sollen:
a  regionale Bedürfnisse berücksichtigt und störende Ungleichheiten abgebaut werden;
b  Einrichtungen wie Schulen, Freizeitanlagen oder öffentliche Dienste für die Bevölkerung gut erreichbar sein;
c  nachteilige Auswirkungen auf die natürlichen Lebensgrundlagen, die Bevölkerung und die Wirtschaft vermieden oder gesamthaft gering gehalten werden.
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SR 700 Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) - Raumplanungsgesetz
RPG Art. 24 Ausnahmen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen - Abweichend von Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a können Bewilligungen erteilt werden, Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn:
a  der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert; und
b  keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.
BGE Register
108-IB-130 • 111-IB-213 • 112-IB-99 • 113-IB-138 • 114-IB-317
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aargau • angewiesener • augenschein • ausserhalb • baubewilligung • bauherr • baute und anlage • bauzone • begründung des entscheids • bundesgericht • ejpd • errichtung eines dinglichen rechts • erschliessung • gemeinde • gemeinderat • innerhalb • kulturland • landschaft • regierungsrat • restaurant • sachverhalt • schwimmbad • standortgebundenheit • stelle • terrain • voraussetzung • weisung • wiese • wohnhaus • zonenplan