113 Ia 433
64. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Dezember 1987 i.S. A. Candrian AG gegen Gysi und Kantonsgericht von Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- a) Es ist nicht willkürlich, wenn im Bündner Zivilprozess die richterliche Fragepflicht gemäss Art. 112 Abs. 1
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 112 Stundung, Erlass, Verjährung und Verzinsung der Gerichtskosten - 1 Gerichtskosten können gestundet oder bei dauernder Mittellosigkeit erlassen werden.
1 Gerichtskosten können gestundet oder bei dauernder Mittellosigkeit erlassen werden. 2 Die Forderungen verjähren zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens. 3 Der Verzugszins beträgt 5 Prozent. - b) Die Verhandlungsmaxime gemäss Art. 156 Abs. 2
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen - Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdigen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen.
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen - Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdigen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen.
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; procédure civile cantonale.
- a) En procédure civile du canton des Grisons, il n'est pas arbitraire de ne pas faire porter sans autre sur les offres de preuves l'obligation que l'art. 112 al. 1 CPC fait au juge de poser des questions (consid. 1).
- b) Le principe de la maxime des débats institué à l'art. 156 al. 2 et 3 CPC des Grisons est violé de manière arbitraire lorsqu'une demande est rejetée pour défaut de preuves, alors même que l'existence du fait à prouver résulte clairement des moyens et du comportement des parties (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 4 Cost; procedura civile cantonale.
- a) Nella procedura civile del cantone dei Grigioni non è arbitrario non applicare senz'altro alle proposte di prove l'obbligo che l'art. 112 cpv. 1 CPC/GR pone al giudice d'interrogare in forma libera una parte (consid. 1).
- b) Il principio cd. attitatorio stabilito dall'art. 156 cpv. 2 e 3 CPC/GR è violato in modo arbitrario se un'azione è respinta per mancanza di prove allorquando l'esistenza del fatto da provare risulta chiaramente ammessa in base alle allegazioni e al comportamento delle parti (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 433
BGE 113 Ia 433 S. 433
Rudolf Gysi ist Eigentümer der Parzelle Nr. 6486, Plan 15, des Grundbuches der Stadt Chur, auf der er ein Einfamilienhaus erstellen liess. Am 22. Oktober 1985 verfügte der Kreispräsident von Chur zugunsten der A. Candrian AG superprovisorisch die Vormerkung
BGE 113 Ia 433 S. 434
eines Bauhandwerkerpfandrechts im Betrage von Fr. 37'735.60. Diese Verfügung wurde vom Kreispräsidenten am 11. Dezember 1985 bestätigt. Gleichzeitig setzte er der A. Candrian AG Frist an zur Einleitung der Klage auf definitive Eintragung des Pfandrechts. Das Bezirksgericht Plessur wies die Klage am 12. Dezember 1986 ab. Die von der A. Candrian AG dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht von Graubünden mit Urteil vom 27. April 1987 ebenfalls ab. Gegen diesen Entscheid wendet sich die A. Candrian AG mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Die Sache sei zu neuer Entscheidung an das Kantonsgericht von Graubünden zurückzuweisen. Rudolf Gysi und das Kantonsgericht von Graubünden beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss Art. 112 Abs. 1 der bündnerischen Zivilprozessordnung soll der Richter die Partei formfrei befragen, wenn das Vorbringen einer Partei unklar, unvollständig oder unbestimmt bleibt. Die Beschwerdeführerin behauptet, das Kantonsgericht habe diese Bestimmung willkürlich angewendet und ihr rechtliches Gehör verletzt, weil ihr Verwaltungsratspräsident nicht befragt worden ist. Das Kantonsgericht hat indessen von einer formfreien Befragung abgesehen, weil die im Gesetz genannten Voraussetzungen für eine richterliche Befragung nicht erfüllt seien. Sinn von Art. 112 Abs. 1
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 112 Stundung, Erlass, Verjährung und Verzinsung der Gerichtskosten - 1 Gerichtskosten können gestundet oder bei dauernder Mittellosigkeit erlassen werden. |
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1 | Gerichtskosten können gestundet oder bei dauernder Mittellosigkeit erlassen werden. |
2 | Die Forderungen verjähren zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens. |
3 | Der Verzugszins beträgt 5 Prozent. |
BGE 113 Ia 433 S. 435
(BGE 108 II 340). Es erscheint daher nicht als sachlich völlig unvertretbar, wenn die Fragepflicht auf die Beweisofferten nicht unbesehen angewendet wird. Andere Umstände, aus denen diesbezüglich eine völlig unhaltbare Anwendung des kantonalen Prozessrechts hervorgehen würde, werden nicht angeführt. Die Rüge, Art. 112 Abs. 1
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 112 Stundung, Erlass, Verjährung und Verzinsung der Gerichtskosten - 1 Gerichtskosten können gestundet oder bei dauernder Mittellosigkeit erlassen werden. |
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1 | Gerichtskosten können gestundet oder bei dauernder Mittellosigkeit erlassen werden. |
2 | Die Forderungen verjähren zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens. |
3 | Der Verzugszins beträgt 5 Prozent. |
4. Willkür erblickt die Beschwerdeführerin schliesslich darin, dass das Kantonsgericht das prozessuale Verhalten des Beschwerdegegners nicht berücksichtigt habe. Aus diesem gehe ganz klar hervor, dass der Grundbucheintrag nicht bestritten, ja sinngemäss sogar zugestanden worden sei. Eines besonderen Beweises habe es daher nicht bedurft. b) Die Rüge ist begründet. Die Beschwerdeführerin hat bereits in der Klageschrift vom 25. April 1986 behauptet, der vorsorgliche Pfandeintrag sei am 22. Oktober 1985 rechtzeitig vollzogen worden. In der Klageantwort vom 11. Juli 1985 hat der Beschwerdegegner diese Behauptung nicht konkret bestritten, sondern sich mit einer Pauschalbestreitung sämtlicher Vorbringen der Gegenpartei begnügt. Gemäss Art. 156 Abs. 1
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen - Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdigen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen. |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen - Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdigen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen. |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen - Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdigen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 839 - 1 Das Pfandrecht der Handwerker und Unternehmer kann von dem Zeitpunkte an, da sie sich zur Arbeitsleistung verpflichtet haben, in das Grundbuch eingetragen werden. |
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1 | Das Pfandrecht der Handwerker und Unternehmer kann von dem Zeitpunkte an, da sie sich zur Arbeitsleistung verpflichtet haben, in das Grundbuch eingetragen werden. |
2 | Die Eintragung hat bis spätestens vier Monate nach der Vollendung der Arbeit zu erfolgen. |
3 | Sie darf nur erfolgen, wenn die Pfandsumme vom Eigentümer anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist, und kann nicht verlangt werden, wenn der Eigentümer für die angemeldete Forderung hinreichende Sicherheit leistet. |
4 | Handelt es sich beim Grundstück unbestrittenermassen um Verwaltungsvermögen und ergibt sich die Schuldpflicht des Eigentümers nicht aus vertraglichen Verpflichtungen, so haftet er den Handwerkern oder Unternehmern für die anerkannten oder gerichtlich festgestellten Forderungen nach den Bestimmungen über die einfache Bürgschaft, sofern die Forderung ihm gegenüber spätestens vier Monate nach Vollendung der Arbeit schriftlich unter Hinweis auf die gesetzliche Bürgschaft geltend gemacht worden war. |
5 | Ist strittig, ob es sich um ein Grundstück im Verwaltungsvermögen handelt, so kann der Handwerker oder Unternehmer bis spätestens vier Monate nach der Vollendung seiner Arbeit eine vorläufige Eintragung des Pfandrechts im Grundbuch verlangen. |
6 | Steht aufgrund eines Urteils fest, dass das Grundstück zum Verwaltungsvermögen gehört, so ist die vorläufige Eintragung des Pfandrechts zu löschen. An seine Stelle tritt die gesetzliche Bürgschaft, sofern die Voraussetzungen nach Absatz 4 erfüllt sind. Die Frist gilt mit der vorläufigen Eintragung des Pfandrechts als gewahrt. |
BGE 113 Ia 433 S. 436
gewahrt worden. Der Beschwerdegegner beantragte deshalb die Abweisung der Klage. Eventuell verlangte er die Gutheissung der Klage im Umfange der Sanitärinstallationsarbeiten. Hieraus ergibt sich Verschiedenes: Erstens hätten sich die Ausführungen über die Fristwahrung erübrigt, wenn sich das Hauptbegehren des Beschwerdegegners, die Klage abzuweisen, auf die fehlende Vormerkung des Bauhandwerkerpfandrechts im Grundbuch gestützt hätte. Zweitens wäre das Eventualbegehren auf teilweise Gutheissung der Klage unverständlich, wenn der Beschwerdegegner nicht zumindest davon ausgegangen wäre, dass das Bauhandwerkerpfandrecht provisorisch eingetragen sein könnte. Drittens setzten die Ausführungen über die Dreimonatsfrist stillschweigend voraus, dass der provisorische Grundbucheintrag erfolgt sei. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die behauptete Nichteinhaltung der Dreimonatsfrist ausdrücklich oder aufgrund sämtlicher Ausführungen wenigstens sinngemäss als Eventualstandpunkt bezeichnet worden wäre. Hievon kann jedoch keine Rede sein. Vielmehr betrafen auch die Beweisofferten des Beschwerdegegners vor Bezirksgericht ausschliesslich den Zeitpunkt der Ausführung der Arbeiten. In der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht verweigerte der Beschwerdegegner dann seine Zustimmung zur Vorlegung eines Grundbuchauszuges. Wohl mag die gemäss Art. 108 Abs. 2
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 108 Unnötige Prozesskosten - Unnötige Prozesskosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht hat. |
BGE 113 Ia 433 S. 437
c) Es ergibt sich somit, dass die Beschwerdeführerin nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, ihre Behauptung, wonach die Grundbucheintragung erfolgt sei, werde vom Beschwerdegegner zugestanden. Das Kantonsgericht hat sich in unhaltbarer Weise über die Vorbringen und das Verhalten des Beschwerdegegners im Prozess hinweggesetzt und damit Art. 156 Abs. 2
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen - Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdigen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen. |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen - Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdigen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen. |
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen - Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdigen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen. |