110 Ib 201
34. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. September 1984 i.S. Salaheddine und Monika Reneja-Dittli gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Nichterneuerung der Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers im Verhältnis zum Recht auf Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- 1. Verweis auf den in dieser Sache ergangenen prozessleitenden Beschluss, der die verfahrensrechtlichen Grundsätze bei der Anwendung von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- 2. Die Berufung auf Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- 3. Sofern die massgebliche Familienbeziehung besteht und dem anwesenheitsberechtigten Ehegatten die Ausreise nicht zuzumuten ist, erfolgt eine Rechtsgüterabwägung gemäss Art. 8 Ziff. 2
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Regeste (fr):
- Police des étrangers; non-renouvellement d'une autorisation de séjour, en relation avec le respect de la vie privée et familiale garanti par l'art. 8 CEDH (RS 0.101).
- 1. Renvoi à une décision antérieure statuant sur la recevabilité du recours dans cette même affaire, décision qui expose les principes de procédure à appliquer lorsqu'est invoqué l'art. 8 CEDH en matière de police des étrangers (consid. 1; cf. ATF 109 Ib 183 ss).
- 2. Pour qu'un étranger puisse invoquer l'art. 8 CEDH dans la procédure de renouvellement de l'autorisation de séjour, il faut que la relation entre cet étranger et une personne de sa famille ayant le droit de résider en Suisse (conjoint ou enfant mineur) soit étroite et effective (consid. 2a/b) et qu'on ne puisse pas exiger de cette dernière personne qu'elle aille vivre dans le pays étranger en cause (consid. 2a/c).
- 3. Dans la mesure où les conditions ci-dessus sont remplies, il faut procéder à la pesée des intérêts en présence, selon l'art. 8 al. 2 CEDH. Le recours ne doit être admis que si l'intérêt privé des recourants (l'étranger et son conjoint) à pouvoir rester en Suisse l'emporte sur l'intérêt public qu'il y a à expulser le recourant étranger (consid. 3).
Regesto (it):
- Polizia degli stranieri; mancato rinnovo di un permesso di dimora in relazione con il rispetto della vita familiare garantito dall'art. 8 CEDU (RS 0.101).
- 1. Rinvio ad una precedente decisione di carattere processuale emanata nella stessa causa con cui venivano esposti i principi procedurali validi per l'applicazione dell'art. 8 CEDU in materia di polizia degli stranieri (consid. 1; cfr. DTF 109 Ib 183 segg.).
- 2. Il richiamo dell'art. 8 CEDU in caso di mancato rinnovo del permesso di dimora presuppone che lo straniero abbia una relazione particolarmente intensa ed effettiva con un membro della sua famiglia avente il diritto di risiedere in Svizzera (coniuge o figlio minorenne) e che, per altro verso, non si possa pretendere che questo membro della sua famiglia si trasferisca nel paese straniero in questione (consid. 2).
- 3. Ove le condizioni testé evocate siano adempiute, si deve procedere alla ponderazione degli interessi in gioco conformemente all'art. 8 n. 2 CEDU. Il ricorso può essere accolto soltanto se l'interesse privato dei ricorrenti (lo straniero e la sua consorte) a poter rimanere in Svizzera prevale sull'interesse pubblico volto all'espulsione del ricorrente straniero (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 202
BGE 110 Ib 201 S. 202
Salaheddine Reneja, marokkanischer Staatsangehöriger, erhielt am 28. März 1980 von der Fremdenpolizei des Kantons Zürich eine Aufenthaltsbewilligung. Reneja ist mit einer Schweizerin verheiratet. Mit Urteil vom 11. Mai 1982 sprach ihn das Bezirksgericht Zürich verschiedener Zuwiderhandlungen gegen das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel vom 3. Oktober 1951 (SR 812.121) schuldig und bestrafte ihn mit 24 Monaten Zuchthaus. Gestützt auf diese Verurteilung wies die Polizeidirektion des Kantons Zürich mit Verfügung vom 23. November 1982 das Gesuch des Rekurrenten vom 27. September 1982 um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab; die Verfügung bestimmte ferner, dass S. Reneja das zürcherische Kantonsgebiet unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafanstalt zu verlassen habe. Ein hiegegen gerichteter Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich blieb erfolglos. Salaheddine und Monika Reneja-Dittli erheben sowohl eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch eine staatsrechtliche Beschwerde gegen die ergangenen fremdenpolizeirechtlichen Entscheide. Sie beantragen namentlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheide und die Gewährung der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesgericht hat die beiden Beschwerdeverfahren vereinigt. In ihren Vernehmlassungen vom 25. und 29. August 1983 beantragt die Finanzdirektion des Kantons Zürich den Beschwerden
BGE 110 Ib 201 S. 203
keine aufschiebende Wirkung zu erteilen und auf die Sache selbst nicht einzutreten. Mit Verfügung vom 15. Juni 1983 hat das Bundesamt für Ausländerfragen die Wegweisung von S. Reneja auf das ganze Gebiet der Schweiz ausgedehnt und gleichzeitig eine fünfjährige Einreisesperre über ihn verhängt. Am 9. Dezember 1983 beschloss das Bundesgericht auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten, nicht indes auf die staatsrechtliche Beschwerde (BGE 109 Ib 183 ff.). Gleichzeitig überwies es die Akten an das Bundesamt für Ausländerfragen zur Vernehmlassung lassen. Dem Bundesamt für Ausländerfragen wurde aufgetragen, sich namentlich über folgende Fragen tatsächlicher Natur vernehmen zu lassen: "- Sind die behaupteten familiären Beziehungen zu dem über ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügenden Ehegatten oder minderjährigen Kind intakt und werden sie auch tatsächlich intensiv gelebt? - Bestehen besondere Gründe, die den Weggang der Familienangehörigen ins Ausland als völlig unzumutbar erscheinen lassen? - Soweit die Vorwürfe an den Familienangehörigen, dessen Aufenthaltsbewilligung nicht erneuert werden soll, nicht bereits rechtsgenügend festgehalten sind, Ausführungen zu diesen unter Gewährung des rechtlichen Gehörs." In der innert verlängerter Frist eingereichten Vernehmlassung des Bundesamtes für Ausländerfragen vom 24. Februar 1984, die den Akzent mehr auf die dem Bundesgericht zukommende Beantwortung von Rechtsfragen als auf die verlangte weitere Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse legt, kommt das Amt zum Schluss, dass die angefochtene Nichterneuerung der Aufenthaltsbewilligung von Salaheddine Reneja zu bestätigen und die Beschwerden abzuweisen seien. Aufgrund einer Verfügung des Instruktionsrichters vom 21. März 1984 liessen sich die Beschwerdeführer am 10. April 1984 zum durchgeführten Verfahren vernehmen: Sie halten an ihren ursprünglich gestellten Anträgen fest. Auf ihre einzelnen Vorbringen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Am 16. Juli 1984 hat eine Delegation des Bundesgerichts eine Instruktionsverhandlung mit den Eheleuten Reneja, der Sozialarbeiterin Frau Riemensberger sowie einem Vertreter des Zürcher Regierungsrates und einem solchen des Bundesamtes für Ausländerfragen durchgeführt. Auf ein Schreiben des Bundesgerichts vom 3. August 1984 erklärte sich der Urner Regierungsrat am 14. August 1984 bereit, Salaheddine Reneja "auf Zusehen hin" und unter Vorbehalt eines ordentlichen fremdenpolizeilichen
BGE 110 Ib 201 S. 204
Verfahrens eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Die Chance, für Reneja im Kanton Uri einen Arbeitsplatz zu finden, beurteilte der Regierungsrat positiv. "Aufgrund dieser neuen Sachlage und der anlässlich der Instruktionsverhandlung gewonnenen Erkenntnisse" hob das Bundesamt für Ausländerfragen am 29. August 1984 "im Verfahren nach Art. 58
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 58 - 1 Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. |
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1 | Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. |
2 | Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis. |
3 | Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. a) Es wäre dem Bundesgericht zwar verfahrensrechtlich möglich, auf den prozessleitenden Entscheid vom 9. Dezember 1983 (BGE 109 Ib 183 ff.) zurückzukommen, soweit das Eintreten auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerden der Eheleute Reneja beschlossen wurde; es besteht hiezu aber kein Anlass.
b) Im vorliegenden Beschwerdeverfahren stellt sich die Frage, ob sich die Eheleute Reneja im Zusammenhang mit der Nichterneuerung der Zürcher Aufenthaltsbewilligung von Salaheddine Reneja auf den im Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
c) Zwar ist im vorliegenden Verfahren nur zu entscheiden, ob die Nichterneuerung der Zürcher Aufenthaltsbewilligung von S. Reneja bundesrechtskonform ist und ob er demzufolge aus dem Gebiet des Kantons Zürich weggewiesen werden kann. Hinsichtlich der vom Bundesamt für Ausländerfragen gestützt auf Art. 12 Abs. 3
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Ausdehnungsverfügung erlassen. Da die von den Bundesbehörden zu erlassende Ausdehnungsverfügung nicht beim Bundesgericht angefochten werden kann (Bundesgerichtsurteil vom 24. Mai 1984 i.S. Parsons c. EJPD), hat die Prüfung der kantonalen Wegweisungsverfügung jeweils unter der Annahme zu geschehen, dass eine Ausdehnung auf die ganze Schweiz erfolgt.
2. a) Gemäss Art. 8 Ziff. 1
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Fremdsprachen; es darf wohl ausgeschlossen werden, dass sie sich mit ihren marokkanischen Schwiegereltern, die ihrerseits lediglich einen marokkanischen Dialekt sprechen und nach Angabe von S. Reneja weder schreiben noch lesen können, jemals würde verständigen können. Als gläubige Katholikin wäre sie sodann auch religiös in einem moslemischen Umfeld isoliert. Ausserdem stammt Monika Reneja aus dem kleinen Gebirgsdorf Gurtnellen. Sie betont denn auch selbst, aus den Bergen zu stammen und nur in der (Deutsch-)Schweiz leben zu können. Unter diesen Umständen darf man der jungen Frau nicht zumuten, mit ihrem Mann nach Marokko ziehen zu müssen.
3. a) Aus dem Umstand, dass Monika Reneja die Ausreise nach Marokko nicht zuzumuten ist, können die Eheleute Reneja aber noch keinen Anspruch auf Gewährung einer Aufenthaltsbewilligung für S. Reneja ableiten. Eine solche Unzumutbarkeit bedeutet lediglich, dass die Sache nunmehr unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 Ziff. 2
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BGE 110 Ib 201 S. 207
15. Juni 1984 als Chauffeur für ein Architekturbüro gearbeitet hat, wobei sein Arbeitgeber im Arbeitszeugnis vom 20. Juni 1984 festhielt: "Seine aufrichtige und zuverlässige Art haben wir sehr zu schätzen gelernt." Auch hat S. Reneja vor der bundesgerichtlichen Instruktionskommission versichert, von seiner ehemals deliktischen Tätigkeit endgültig Abstand genommen zu haben. Schliesslich stellt ihm auch seine Betreuerin, Frau Riemensberger, ein gutes Zeugnis aus. Die von S. Reneja begangenen Straftaten begründeten wohl ein gewisses öffentliches Interesse an dessen Wegweisung aus der Schweiz, doch darf dieses Interesse angesichts der besonderen Umstände des Falles als nicht allzu gewichtig angesehen werden. Auf der anderen Seite kann Monika Reneja, der es nicht zuzumuten ist, ihrem Ehemann nach Marokko nachzufolgen (E. 2), ein sehr gewichtiges privates Interesse an einer Aufenthaltsbewilligung für S. Reneja geltend machen. Gesamthaft wiegt dieses private Interesse an einer Aufenthaltsbewilligung für S. Reneja schwerer als das öffentliche Interesse an seiner Wegweisung, weshalb die Beschwerden gutzuheissen sind. c) Der vorliegende Fall liegt, dies muss betont werden, verglichen mit zahlreichen andern Fällen, aussergewöhnlich. In den meisten Fällen kann einer Ehefrau, deren Ehemann straffällig geworden ist, zugemutet werden, ihm ins Ausland zu folgen. Dabei muss insbesondere gelten, dass bei sehr schweren Verfehlungen oder gar bei Rückfälligkeit des Ehemanns das öffentliche Interesse an der Wegweisung auch dann überwiegt, wenn damit gerechnet werden muss, dass eine Ehefrau nur mit sehr erheblichen Schwierigkeiten im Heimatland des Weggewiesenen wird leben können (Urteil vom 7. September 1984 i.S. Oezaltay).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Eheleute Reneja wird gutgeheissen, und die Verfügung der Fremdenpolizei des Kantons Zürich vom 23. November 1982 sowie der Rekursentscheid des Regierungsrats des Kantons Zürich vom 18. Mai 1983 werden aufgehoben.