Urteilskopf

110 Ia 50

8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Januar 1984 i.S. Gemeinde Thusis gegen Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 50

BGE 110 Ia 50 S. 50

Aus den Erwägungen:

4. a) Im zweiten Punkt geht es um den Umfang der Steuerhoheit der Gemeinde Thusis im vorliegenden Erbschaftsfall. Sie hat als Gemeinde des letzten Wohnsitzes des Erblassers darauf Anspruch erhoben, vom beweglichen Nachlass die kommunalen Erbschaftssteuern in vollem Umfange erheben zu können, während das Verwaltungsgericht ihr lediglich das Recht zugebilligt hat, drei Fünftel dieses Nachlasses zu besteuern; hinsichtlich der rechtlichen zwei Fünftel stehe die Steuerhoheit der Heimatgemeinde des Verstorbenen, Salouf, zu.
b) Soweit die Abgrenzung der Steuerhoheit zwischen zwei Gemeinden in Frage steht, kann keiner dieser Gemeinden ein geschützter Autonomiebereich im bisher erörterten Sinne zustehen; denn solche Autonomien würden sich notwendigerweise ausschliessen. Die Abgrenzung kann notwendigerweise nur durch ein Organ der übergeordneten öffentlichrechtlichen Einheit, also des Kantons, erfolgen (vgl. Urteil des Bundesgerichtes vom 18. September 1974, veröffentlicht in Archiv für schweizerisches Abgaberecht, ASA, 45. Band, S. 45). Die Gemeinde Thusis wird durch den
BGE 110 Ia 50 S. 51

angefochtenen Entscheid auch nicht in gleicher oder ähnlicher Weise wie ein Privater berührt. Fragen kann sich einzig, ob sie sich mit staatsrechtlicher Beschwerde auf die Bestandesgarantie berufen könnte, was sie allerdings nicht ausdrücklich getan hat. Das Bundesgericht hat die Frage, ob Eingriffe des Kantons in die Steuerhoheit einer Gemeinde einen Eingriff in deren Autonomie darstellen könne, zunächst verneint und später in zwei Urteilen ausdrücklich offen gelassen (BGE 93 I 446 E. 7c; ASA 45. Band, S. 45/46). In beiden Fällen wurde indessen betont, dass die Bestandesgarantie höchstens dann angerufen werden könnte, wenn das finanzielle Gleichgewicht der betroffenen Gemeinde durch die angefochtene kantonale Massnahme in einer Weise in Frage gestellt würde, dass ihre Existenz gefährdet oder mindestens bedroht wäre. Von beidem kann hier nicht die Rede sein. Verhält es sich aber so, dann läuft die vorliegende Beschwerde im zweiten Punkt auf eine reine Willkürbeschwerde hinaus. Eine solche steht der Gemeinde nicht zu, sofern sie sich nicht gleichzeitig auf eine Verletzung ihrer Autonomie berufen kann (BGE 104 Ia 338 E. 1 mit Hinweisen). Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt nicht begründet.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 110 IA 50
Datum : 25. Januar 1984
Publiziert : 31. Dezember 1985
Quelle : Bundesgericht
Status : 110 IA 50
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Gemeindeautonomie. Art. 4 BV. Eingriff des Kantons in die Steuerhoheit einer Gemeinde. Rechtsbehelfe der Gemeinde.


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BGE Register
104-IA-336 • 110-IA-50 • 93-I-437
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
archiv • autonomie • bundesgericht • entscheid • erblasser • finanzielles gleichgewicht • frage • gemeinde • gemeindeautonomie • staatsrechtliche beschwerde • steuerhoheit