Urteilskopf

109 II 400

84. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Dezember 1983 i.S. X. gegen Z. (als Berufung behandelte staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 400

BGE 109 II 400 S. 400

Der am 7. August 1977 verstorbene A. X. hinterliess als gesetzliche Erben seine Ehefrau B. X.-Y. sowie neun Kinder. Durch das
BGE 109 II 400 S. 401

Urteil des Bundesgerichts (II. Zivilabteilung) vom 31. März 1982 wurde die zu seinem Nachlass gehörende landwirtschaftliche Liegenschaft rechtskräftig zum Ertragswert der Tochter C. Z.-X. zu Eigentum zugewiesen. Im übrigen blieb der Nachlass ungeteilt. In einem vom 12. März 1969 datierten Testament hatte der Erblasser unter anderem verfügt, dass seine Ehefrau von seinem Nachlassvermögen einen Viertel zu Eigentum und drei Viertel zur lebenslänglichen Nutzniessung erhalten soll. Auf Begehren von C. Z.-X. ordnete das zuständige Bezirksgerichtspräsidium mit superprovisorischer Verfügung vom 25. August 1982 an, dass verschiedene Banken die auf den Namen des Erblassers, der Ehefrau oder der Erbengemeinschaft lautenden Guthaben vorläufig zu sperren hätten. Nach durchgeführtem Verfahren wurde das von C. Z.-X. gegen ihre Mutter gestellte Sicherstellungsbegehren durch Verfügung des Gerichtspräsidiums vom 20. Dezember 1982 geschützt; die superprovisorisch angeordnete Sperre wurde bestätigt, wobei festgehalten wurde, dass B. X.-Y. lediglich ermächtigt sei, über den jeweiligen Zins zu verfügen.
Eine von B. X.-Y. gegen die bezirksgerichtliche Verfügung eingereichte Beschwerde wies die Rekurs-Kommission des Obergerichtes des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 11. März 1983 ab. Diesen Entscheid hat B. X.-Y. mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV beim Bundesgericht angefochten. Am 17. November 1983 hat die erkennende Abteilung beschlossen, die als staatsrechtliche Beschwerde bezeichnete Eingabe von B. X.-Y. werde als Berufung und die Vernehmlassung von C. Z.-X. als Berufungsantwort entgegengenommen. Die Berufungsverhandlung ist heute durchgeführt worden.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Gemäss Art. 84 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann. a) Streitig ist zwischen den Parteien die Sicherstellung erbrechtlicher Ansprüche im Sinne des Art. 464 in Verbindung mit den Art. 760 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 760 - 1 Der Eigentümer ist befugt, von dem Nutzniesser Sicherheit zu verlangen, sobald er eine Gefährdung seiner Rechte nachweist.
1    Der Eigentümer ist befugt, von dem Nutzniesser Sicherheit zu verlangen, sobald er eine Gefährdung seiner Rechte nachweist.
2    Ohne diesen Nachweis und schon vor der Übergabe der Sache kann er Sicherheit verlangen, wenn verbrauchbare Sachen oder Wertpapiere den Gegenstand der Nutzniessung bilden.
3    Für die Sicherstellung bei Wertpapieren genügt deren Hinterlegung.
. ZGB durch die am ganzen Nachlass nutzniessungsberechtigte Beklagte. Im Gegensatz zu gewissen andern im Zivilgesetzbuch vorgesehenen Sicherungsmassnahmen, etwa zu den vorsorglichen Massregeln gemäss Art. 594 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 594 - 1 Haben die Gläubiger des Erblassers begründete Besorgnis, dass ihre Forderungen nicht bezahlt werden, und werden sie auf ihr Begehren nicht befriedigt oder sichergestellt, so können sie binnen drei Monaten, vom Tode des Erblassers oder der Eröffnung der Verfügung an gerechnet, die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen.
1    Haben die Gläubiger des Erblassers begründete Besorgnis, dass ihre Forderungen nicht bezahlt werden, und werden sie auf ihr Begehren nicht befriedigt oder sichergestellt, so können sie binnen drei Monaten, vom Tode des Erblassers oder der Eröffnung der Verfügung an gerechnet, die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen.
2    Die Vermächtnisnehmer können unter der gleichen Voraussetzung zu ihrer Sicherstellung vorsorgliche Massregeln verlangen.
ZGB zu Gunsten
BGE 109 II 400 S. 402

eines Vermächtnisnehmers, handelt es sich hier um einen ganz bestimmten materiell-rechtlichen Anspruch. Das wird daraus ersichtlich, dass der zur Sicherstellung der Miterben Verpflichtete unter Umständen auch zu einer eigenen Leistung wie der Pfandbestellung oder der Bürgschaft angehalten werden kann. Die gerichtliche Auseinandersetzung über einen solchen Anspruch ist als Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne der Art. 44
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 594 - 1 Haben die Gläubiger des Erblassers begründete Besorgnis, dass ihre Forderungen nicht bezahlt werden, und werden sie auf ihr Begehren nicht befriedigt oder sichergestellt, so können sie binnen drei Monaten, vom Tode des Erblassers oder der Eröffnung der Verfügung an gerechnet, die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen.
1    Haben die Gläubiger des Erblassers begründete Besorgnis, dass ihre Forderungen nicht bezahlt werden, und werden sie auf ihr Begehren nicht befriedigt oder sichergestellt, so können sie binnen drei Monaten, vom Tode des Erblassers oder der Eröffnung der Verfügung an gerechnet, die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen.
2    Die Vermächtnisnehmer können unter der gleichen Voraussetzung zu ihrer Sicherstellung vorsorgliche Massregeln verlangen.
und 46
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 594 - 1 Haben die Gläubiger des Erblassers begründete Besorgnis, dass ihre Forderungen nicht bezahlt werden, und werden sie auf ihr Begehren nicht befriedigt oder sichergestellt, so können sie binnen drei Monaten, vom Tode des Erblassers oder der Eröffnung der Verfügung an gerechnet, die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen.
1    Haben die Gläubiger des Erblassers begründete Besorgnis, dass ihre Forderungen nicht bezahlt werden, und werden sie auf ihr Begehren nicht befriedigt oder sichergestellt, so können sie binnen drei Monaten, vom Tode des Erblassers oder der Eröffnung der Verfügung an gerechnet, die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen.
2    Die Vermächtnisnehmer können unter der gleichen Voraussetzung zu ihrer Sicherstellung vorsorgliche Massregeln verlangen.
OG zu bezeichnen (vgl. BGE 104 II 140). Aus dieser Sicht ist gegen den angefochtenen Entscheid somit die Berufung gegeben. b) Die Berufung ist grundsätzlich erst gegen Endentscheide zulässig (Art. 48
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ZGB Art. 594 - 1 Haben die Gläubiger des Erblassers begründete Besorgnis, dass ihre Forderungen nicht bezahlt werden, und werden sie auf ihr Begehren nicht befriedigt oder sichergestellt, so können sie binnen drei Monaten, vom Tode des Erblassers oder der Eröffnung der Verfügung an gerechnet, die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen.
1    Haben die Gläubiger des Erblassers begründete Besorgnis, dass ihre Forderungen nicht bezahlt werden, und werden sie auf ihr Begehren nicht befriedigt oder sichergestellt, so können sie binnen drei Monaten, vom Tode des Erblassers oder der Eröffnung der Verfügung an gerechnet, die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen.
2    Die Vermächtnisnehmer können unter der gleichen Voraussetzung zu ihrer Sicherstellung vorsorgliche Massregeln verlangen.
OG). Die Rekurs-Kommission des Obergerichtes bestätigte einen Entscheid, der im summarischen Verfahren gemäss den § 193 ff. der thurgauischen Zivilprozessordnung ergangen war. Bezüglich des (summarischen) Befehlsverfahrens, wie es bis Ende 1976 im Kanton Zürich in Kraft stand, nahm das Bundesgericht an, dass obergerichtliche Entscheide betreffend Befehlsbegehren auf dem Wege der Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden könnten, sofern das Begehren gutgeheissen und der Beklagte zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet worden sei, ohne dass dadurch zwangsläufig ein ordentliches Verfahren ausgelöst worden sei. Den endgültigen Charakter solcher Entscheidungen erblickte das Bundesgericht darin, dass die dem Beklagten auferlegte Verpflichtung in der Regel doch während längerer Zeit ihre Wirkungen entfalte und sogar Gegenstand von Vollstreckungsmassnahmen bilden könne (vgl. BGE 102 II 62 E. 2; BGE 100 II 288 f. E. 1; dazu auch WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, Diss. Lausanne 1964, S. 194). Diese Voraussetzungen sind beim hier angefochtenen Entscheid der obergerichtlichen Rekurs-Kommission erfüllt. c) ...
d) Die falsche Wahl oder Bezeichnung eines Rechtsmittels an das Bundesgericht schadet der betreffenden Partei nicht, wenn ihre Eingabe den gesetzlichen Anforderungen des allein zulässigen Rechtsmittels genügt (so BGE 95 II 378 E. 2 und 3 bezüglich einer als staatsrechtliche Beschwerde zu behandelnden Berufung und BGE 103 II 71 f. E. 2 hinsichtlich einer staatsrechtlichen Beschwerde, die als Nichtigkeitsbeschwerde zu behandeln war). Die Beklagte wirft der obergerichtlichen Rekurs-Kommission eine willkürliche Anwendung der Art. 464 bzw. 760
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 760 - 1 Der Eigentümer ist befugt, von dem Nutzniesser Sicherheit zu verlangen, sobald er eine Gefährdung seiner Rechte nachweist.
1    Der Eigentümer ist befugt, von dem Nutzniesser Sicherheit zu verlangen, sobald er eine Gefährdung seiner Rechte nachweist.
2    Ohne diesen Nachweis und schon vor der Übergabe der Sache kann er Sicherheit verlangen, wenn verbrauchbare Sachen oder Wertpapiere den Gegenstand der Nutzniessung bilden.
3    Für die Sicherstellung bei Wertpapieren genügt deren Hinterlegung.
ff. ZGB vor. Sie rügt mithin eine Verletzung von Bundesprivatrecht im Sinne von
BGE 109 II 400 S. 403

Art. 43
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 760 - 1 Der Eigentümer ist befugt, von dem Nutzniesser Sicherheit zu verlangen, sobald er eine Gefährdung seiner Rechte nachweist.
1    Der Eigentümer ist befugt, von dem Nutzniesser Sicherheit zu verlangen, sobald er eine Gefährdung seiner Rechte nachweist.
2    Ohne diesen Nachweis und schon vor der Übergabe der Sache kann er Sicherheit verlangen, wenn verbrauchbare Sachen oder Wertpapiere den Gegenstand der Nutzniessung bilden.
3    Für die Sicherstellung bei Wertpapieren genügt deren Hinterlegung.
OG. Ihre Eingabe ist demnach als Berufung entgegenzunehmen.
2. Gemäss Art. 602 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
ZGB werden die Erben Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände; unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse verfügen sie über die Rechte der Erbschaft gemeinsam. Das Prinzip der Gesamthandschaft gilt auch dann, wenn gegenüber einem nutzniessungsberechtigten Erben die Sicherstellung erbrechtlicher Ansprüche auf dem Prozessweg erwirkt werden soll. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein einzelnes Mitglied einer Erbengemeinschaft von den Miterben an der Durchsetzung seines Sicherstellungsanspruches gehindert werden könnte oder dass bei einer Weigerung der Miterben, sich dem Sicherstellungsbegehren eines einzelnen anzuschliessen, im Sinne von Art. 602 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
ZGB ein Erbenvertreter zu bestellen wäre. Eine Sicherstellung im Sinne von Art. 464 ZGB muss jeder einzelne Erbe unabhängig von den andern verlangen können. Da jedoch vor der Teilung die Erbanteile der einzelnen Erben noch nicht ausgeschieden sind, bezieht sich eine Sicherstellung der erwähnten Art naturgemäss auf den ganzen Nachlass. Unter dem Gesichtspunkt des Gesamthandprinzips genügt es bei dieser Sachlage, dass sich sämtliche Erben zum Sicherstellungsbegehren äussern und, soweit sie weder dem Begehren beitreten noch sich von vornherein einem darüber ergehenden Urteil unterziehen wollen, auf der Seite des Beklagten am Prozess teilnehmen (vgl. BGE 74 II 215 ff., insbes. S. 217 E. 3, worin es um die Anfechtung eines Kaufvertrages betreffend eine zum Nachlass gehörende Liegenschaft ging, der zwischen einem Erben und den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft abgeschlossen worden war). Im vorliegenden Fall sind die Miterben der Parteien in keiner Weise in das Verfahren einbezogen worden. Die für das klägerische Begehren erforderliche Sachlegitimation ist mithin nicht gegeben, so dass der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Klage abzuweisen ist (vgl. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 139).
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 109 II 400
Date : 22. Dezember 1983
Published : 31. Dezember 1983
Source : Bundesgericht
Status : 109 II 400
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Sicherstellung der Miterben durch einen nutzniessungsberechtigten Erben (Art. 464, 760 ff. ZGB). 1. Der Entscheid der letzten


Legislation register
BV: 4
OG: 43  44  46  48  84
ZGB: 464  594  602  760
BGE-register
100-II-285 • 102-II-59 • 103-II-69 • 104-II-136 • 109-II-400 • 74-II-215 • 95-II-374
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heir • federal court • appeal relating to public law • defendant • community of heirs • remedies • property • thurgau • law of succession • testator • decision • summary proceedings • civil code • cantonal remedies • infringement of a right • protective measures • usufruct • answer to appeal • duration • condition
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