109 II 193
44. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. April 1983 i.S. H. gegen S. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 156 Abs. 1 ZGB; Gestaltung der Elternrechte bei der Ehescheidung.
- Kleinere Kinder sind in der Regel der Mutter zuzuteilen, sofern dieser Lösung nicht schwerwiegende Mängel anhaften oder auf seiten des Vaters nicht erhebliche Vorzüge ins Gewicht fallen (Bestätigung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 156 al. 1 CC; exercice de l'autorité parentale en cas de divorce.
- Les enfants en bas âge doivent, en règle générale, être attribués à la mère, à moins que cette solution ne présente de graves inconvénients ou que l'attribution au père n'offre des avantages fortement prépondérants (confirmation de la jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 156 cpv. 1 CC; esercizio dell'autorità parentale in caso di divorzio.
- I figli di tenera età devono, di regola, essere attribuiti alla madre, salvo che tale soluzione presenti gravi inconvenienti o che l'attribuzione al padre offra vantaggi chiaramente prevalenti (conferma della giurisprudenza).
Erwägungen ab Seite 193
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Aus den Erwägungen:
2. Im Scheidungsprozess hat der Richter nach Art. 156 Abs. 1 ZGB über die Gestaltung der Elternrechte und der persönlichen Beziehungen der Eltern zu den Kindern die nötigen Verfügungen zu treffen nach Anhörung der Eltern und nötigenfalls der Vormundschaftsbehörde. Das Gesetz vermittelt dem Richter keine Anhaltspunkte, wie er diese schwierige Aufgabe zu lösen habe. Indessen ist unbestritten, dass für den Richter allein das Wohl der Kinder wegleitend zu sein hat (BGE 108 II 370, BGE 96 I 391 E. 3 unten, BGE 94 II 2 E. 2, BGE 79 II 241 /42, BGE 53 II 195). In Konkretisierung dieses Grundsatzes hat die Praxis bestimmte Regeln aufgestellt, die als solche nicht starr angewandt werden sollen, die aber einen Entscheid des Sachrichters, dem im Rahmen dieser Regeln ein weites Ermessen zusteht, erleichtern können. Im Vordergrund stehen dabei die erzieherischen Fähigkeiten der Eltern, ihre persönlichen Beziehungen zum Kind, ferner auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen sie leben und die für die äussere Entwicklung und Entfaltung der Kinder von einer gewissen Bedeutung sein können. Sind die erzieherischen Fähigkeiten, die persönlichen Beziehungen zum Kind und die äusseren Möglichkeiten bei beiden Eltern ungefähr gleich, fällt für die Frage der Zuteilung der Kinder vor allem deren Alter und die Möglichkeit der Eltern ins Gewicht, das Kind in eigener Obhut zu haben, es
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weitgehend persönlich betreuen und pflegen zu können. Demjenigen Elternteil, der bereit ist, im Interesse der persönlichen Betreuung und Pflege der Kinder seine berufliche Belastung zeitlich so weit als möglich einzuschränken, kommt in diesem Sinne eine gewisse Vorgabe zu. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Bundesgericht bis in die jüngste Zeit auch daran festgehalten, dass kleinere Kinder in der Regel der zur Erziehung fähigen und bereiten Mutter zuzuteilen sind, sofern dieser Lösung nicht schwerwiegende Mängel anhaften oder sofern auf seiten des Vaters nicht erhebliche Vorzüge ins Gewicht fallen (BGE 108 II 370). Weder in der Gerichtspraxis noch im alltäglichen Leben hat in dieser Hinsicht bisher ein "eigentliches Umdenken" stattgefunden, wie der Kläger behauptet, auch wenn Ansätze dazu durchaus vorhanden sind. Die Bedingungen des partnerschaftlichen und familiären Zusammenlebens haben sich, abgesehen von vorerst vereinzelten Fällen, noch keineswegs derart verändert, dass es sich rechtfertigen würde, vom Grundsatz der mütterlichen Vorgabe abzugehen. Der vom Kläger zitierte Dr. B. bringt denn auch nur seine persönliche Auffassung zum Ausdruck, ohne in der Lage zu sein, diese auf praktische Erfahrungen oder gar auf wissenschaftliche Ergebnisse abstützen zu können. Nach wie vor sind kleinere Kinder für ihre seelische, geistige und körperliche Entwicklung vorab auf die Fürsorge, Herzenswärme und Liebe ihrer Mutter angewiesen. Es ist zudem in aller Regel ja auch immer wieder die Mutter, die bereit ist, auf vollen beruflichen Einsatz und entsprechendes Fortkommen zu verzichten, um die Obhut über die ihr anvertrauten Kinder so weit als möglich persönlich ausüben zu können. Solange sich auf der Seite der Väter in dieser Hinsicht nichts Entscheidendes ändert, besteht entgegen der Auffassung des Klägers kein Anlass, von den in der Rechtsprechung herausgearbeiteten und in der Lehre grundsätzlich befürworteten Regeln abzugehen (HINDERLING, Schweiz. Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 153 f., Zusatzband S. 95 ff.; BÜHLER/SPÜHLER, N. 80-82 zu Art. 156 ZGB). Das Kantonsgericht hat sich bei seinem schwierigen Entscheid von diesen vom Bundesgericht aufgestellten Regeln leiten lassen. Es hat festgestellt, dass die Beklagte ohne weiteres in der Lage und auch fähig sei, die beiden nunmehr 7 1/2- und 5 1/2jährigen Kinder zu erziehen. Sie habe sich auch bereit erklärt, ihre heutige Erwerbsarbeit erheblich einzuschränken, um sich persönlich den Kindern widmen zu können. In der restlichen Zeit wären die Kinder in der
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Obhut der Grossmutter mütterlicherseits, die mit ihrer Tochter zusammenwohnt. Auf seiten des Klägers verneinte das Kantonsgericht erhebliche Vorzüge, welche eine Zuteilung an ihn als günstiger für die weitere Entwicklung der Kinder erscheinen liessen. Die Kinder hätten zwar auch zu ihm ein gutes Verhältnis. Der Kläger hätte jedoch infolge seines starken beruflichen Engagements nicht die Möglichkeit, die Kinder selbst zu betreuen. Er müsste die Erziehungs- und Betreuungsaufgaben weitgehend seiner Freundin überlassen. Zwar wäre diese auf Grund ihrer beruflichen Ausbildung und ihrer Erfahrungen dazu durchaus geeignet. Aber der Erziehung und Betreuung durch die natürliche Mutter sei nach Möglichkeit der Vorzug zu geben. Die Vorinstanz hat nun keineswegs Bundesrecht verletzt, wenn sie dieser Möglichkeit den Vorzug gab. Sie hat zutreffend festgestellt, dass die Vorteile einer solchen Zuteilung der beiden noch kleinen Kinder an ihre von ihrer Krankheit längst genesene Mutter, die ihnen wie der Vater geordnete äussere Verhältnisse, daneben aber die durch nichts zu ersetzende und gerade in diesem Alter besonders wichtige mütterliche Liebe und Fürsorge bieten könne und welche, anders als der Kläger, die Möglichkeit haben werde, die Kinder sehr weitgehend persönlich zu betreuen, klar überwiegen würden. Sie hat sich somit bei ihren Überlegungen vom Kindeswohl leiten lassen und sich dabei an die vom Bundesgericht aufgestellten Regeln gehalten, die vorläufig grundsätzlich und vor allem auch im konkreten Fall ihre Bedeutung und Berechtigung behalten (BGE 108 II 370 /71 und 85 II 228 E. 1).