109 II 188
43. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Januar 1983 i.S. X. gegen Y. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 153 Abs. 1 ZGB; Rentenanspruch des im Konkubinat lebenden geschiedenen Ehegatten; Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen für den Verlust dieses Anspruches.
- Dass die Lebensgemeinschaft des rentenberechtigten geschiedenen Ehegatten mit einem Angehörigen des andern Geschlechts so stabil und eng ist, dass sie jenem wirtschaftlich ähnliche Vorteile bietet wie eine Ehe, und dass das Bestehen auf dem scheidungsrechtlichen Unterhaltsbeitrag demnach als rechtsmissbräuchlich erscheint, hat grundsätzlich der rentenbelastete Ehegatte nachzuweisen. Im Sinne einer Tatsachenvermutung (mit Umkehrung der Beweislast) ist jedoch bei einem Konkubinat, das im Zeitpunkt der Einleitung der Klage betreffend Abänderung des Scheidungsurteils (Aufhebung des Unterhaltsbeitrages) seit mindestens fünf Jahren gedauert hat, grundsätzlich anzunehmen, dass die Voraussetzungen für den Verlust des Rentenanspruches erfüllt seien.
Regeste (fr):
- Art. 153 al. 1 CC; droit à la rente du conjoint divorcé vivant en concubinage; fardeau de la preuve au sujet des conditions exigées pour la perte de ce droit.
- C'est au conjoint débirentier qu'il incombe en principe de prouver que l'union du conjoint divorcé crédirentier avec un individu de l'autre sexe est si stable et si étroite qu'elle lui procure des avantages économiques analogues à ceux qu'offre le mariage et que, dès lors, le maintien de la contribution alimentaire allouée par le jugement de divorce apparaît comme un abus de droit. Toutefois, quand le concubinage a duré cinq ans au moins depuis l'ouverture de l'action en modification du jugement de divorce (soit en suppression des aliments), on doit admettre en principe qu'il y a présomption de fait (avec renversement du fardeau de la preuve) que les conditions de la perte du droit à la rente sont réalisées.
Regesto (it):
- Art. 153 cpv. 1 CC; diritto ad una rendita del coniuge divorziato che vive in concubinato; onere della prova concernente l'adempimento delle condizioni a cui è subordinata la perdita di tale diritto.
- Incombe, di regola, al coniuge debitore della rendita di provare che l'unione tra il coniuge divorziato creditore della rendita e una persona dell'altro sesso è così stabile e stretta da procurare al primo vantaggi economici analoghi a quelli del matrimonio, e che, di conseguenza, l'obbligo di continuare a versare il contributo di mantenimento accordato dal giudice del divorzio costituirebbe un abuso di diritto. Nondimeno, laddove al momento in cui è promossa l'azione volta alla modifica della sentenza di divorzio (ossia alla soppressione del contributo alimentare) il concubinato sia già durato almeno cinque anni, può presumersi in linea di principio (ciò che comporta l'inversione dell'onere della prova) che siano date le condizioni a cui è subordinata la perdita del diritto alla rendita.
Sachverhalt ab Seite 189
BGE 109 II 188 S. 189
Die Ehe von A. X. und B. Y. wurde im Dezember 1974 geschieden. A. X. wurde dabei verpflichtet, der geschiedenen Ehefrau einen Unterhaltsbeitrag gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB von Fr. 1'000.-- im Monat zu bezahlen. Nachdem B. Y. auf April 1978 eine neue Wohnung gemietet hatte, schloss sie am 19. März 1978 mit C. Z. folgende schriftliche Vereinbarung: "1. ...
2. Frau Y. ist bereit, Herrn Z., gegen eine monatlich im voraus zu bezahlende Entschädigung, d.h. der Hälfte des Mietzinses, die Mitbenützung des Wohnraumes zu gestatten, zudem wird Herrn Z. ein Zimmer, als sein Schlafzimmer zur alleinigen Benützung überlassen. 3. Der Wohnraum ist von Frau Y. möbeliert und ist ihr alleiniges Eigentum. Das Zimmer von Herrn Z. ist von ihm möbeliert und ist sein alleiniges Eigentum. 4. Solange Frau Y. und Herr Z. das Essen gemeinsam einnehmen, entschädigt Herr Z. an Frau Y. die Hälfte der entstehenden Essenskosten zum voraus, zur Zeit monatlich Fr. 350.--. Sollte der Haushalt monatlich mehr als Fr. 700.-- kosten, erklärt sich Herr Z. bereit, die Hälfte der Mehrkosten nachzuzahlen. 5. Herr Z. erklärt sich auch bereit, die anfallenden Heizungs- und Warmwasser-Kosten, zur Hälfte an Frau Y. zu zahlen. 6. Diese Vereinbarung ist je auf das Ende eines Monats, mit vorausgehender Kündigungsfrist von 30 Tagen auflösbar. Sie besteht im Original bei Frau Y., als Fotokopie beim Anwalt von Frau Y., sowie als Fotokopie bei Herrn Z." B. Y. und C. Z. leben seit dem 5. April 1978 zusammen. Das Verhältnis zwischen den beiden ist auch intim geworden. Mit Eingabe vom 7. November 1979 erhob A. X. gegen B. Y. Klage mit dem Rechtsbegehren, das Scheidungsurteil sei in dem Sinne abzuändern, dass der der Beklagten zugesprochene Unterhaltsbeitrag mit sofortiger Wirkung aufzuheben sei. Zur Begründung der Klage wurde vorgebracht, die Beklagte lebe mit C. Z. in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, heirate diesen aber nicht, um den Rentenanspruch nicht zu verlieren. Darin sei ein offenbarer Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
BGE 109 II 188 S. 190
Unter Erneuerung des im kantonalen Verfahren gestellten Antrages hat der Kläger gegen den obergerichtlichen Entscheid beim Bundesgericht Berufung erhoben. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 153 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 159 - 1 Durch die Trauung werden die Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft verbunden. |
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1 | Durch die Trauung werden die Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft verbunden. |
2 | Sie verpflichten sich gegenseitig, das Wohl der Gemeinschaft in einträchtigem Zusammenwirken zu wahren und für die Kinder gemeinsam zu sorgen. |
3 | Sie schulden einander Treue und Beistand. |
2. Derjenige, der sich auf Art. 2 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
BGE 109 II 188 S. 191
bereit wäre, diesem Beistand und Unterstützung zu gewähren, wie es für einen Ehegatten gestützt auf Art. 159 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 159 - 1 Durch die Trauung werden die Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft verbunden. |
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1 | Durch die Trauung werden die Ehegatten zur ehelichen Gemeinschaft verbunden. |
2 | Sie verpflichten sich gegenseitig, das Wohl der Gemeinschaft in einträchtigem Zusammenwirken zu wahren und für die Kinder gemeinsam zu sorgen. |
3 | Sie schulden einander Treue und Beistand. |
BGE 109 II 188 S. 192
Ablauf der angeführten Frist gutzuheissen ist. Es kann eine eheähnliche Lebensgemeinschaft schon von Anfang an oder jedenfalls nach kürzerer Zeit auf Dauer angelegt und von einem grossen gegenseitigen Verantwortungsbewusstsein getragen sein, auch wenn dies nicht der Regel entspricht.
3. Was den hier zu beurteilenden Fall betrifft, so hatte die Beklagte im Zeitpunkt der Klageeinleitung erst etwas mehr als ein Jahr mit Z. zusammengelebt. Dass ihr Beharren auf dem im Scheidungsurteil zugesprochenen Unterhaltsbeitrag gleichwohl rechtsmissbräuchlich wäre, vermag der Kläger nicht darzutun. In Würdigung der von ihm festgestellten tatsächlichen Gegebenheiten, namentlich des Vertrages mit Z., gelangte das Obergericht zum Schluss, dass Z. der Beklagten nicht mehr zuwende als das, was als angemessene Entschädigung für die von ihr erbrachten Leistungen betrachtet werden müsse. Es könne der Beklagten unter diesen Umständen nicht der Vorwurf gemacht werden, sie nehme von zwei Männern gleichzeitig denselben finanziellen Beistand in Anspruch. Diese Auffassung des Obergerichts verstösst nicht gegen Bundesrecht. Sodann hält das Obergericht fest, es bestünden keine Indizien dafür, dass die Beklagte im Notfall von Z. einen ähnlichen Beistand zu erwarten hätte wie von einem Ehemann. Es gelangt zum Schluss, dass nicht gesagt werden könne, die Beklagte und Z. seien an sich ehewillig und ausserdem imstande, sich gegenseitig Beistand zu leisten, und die Beklagte würde Z. nur deshalb nicht heiraten, weil sie vom Kläger unterstützt werde und Z. nicht belasten wolle. Die Vorinstanz weist in diesem Zusammenhang auf die Erklärung von Z. hin, er habe durch die Scheidung nach 25jähriger Ehe einen grossen Schock erlitten und werde durch die Scheidung finanziell dermassen in Anspruch genommen, dass er keine Möglichkeit sehe, in eine neue Ehe einzutreten. Die Beklagte habe ihrerseits geäussert, sie habe nach den erlebten Enttäuschungen keine ernsthafte Bekanntschaft gesucht; sie stehe mit Z. nur in einem lockeren Verhältnis. Das Obergericht hebt weiter auch das Alter der Beklagten und von Z. hervor, um zu bekräftigen, dass die Gründe, welche die beiden Partner dafür anführten, dass sie nicht heiraten würden, als glaubwürdig erschienen. Die Vorbringen des Klägers sind auch in diesem Punkt nicht geeignet, eine Verletzung von Bundesrecht darzutun.