108 V 29
8. Auszug aus dem Urteil vom 23. April 1982 i.S. Schweizerische Krankenkasse Helvetia gegen Korab und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste (de):
- Art. 12 Abs. 2
KUVG. Zur Leistungspflicht der Krankenkassen für therapeutische Geräte (Erw. 1 und 2).
- Art. 23
KUVG. Der Versicherte hat keinen Anspruch auf Vergütung einer unwirtschaftlichen Behandlung (Präzisierung der Rechtsprechung; Erw. 3).
Regeste (fr):
- Art. 12 al. 2 LAMA. De la prise en charge par les caisses-maladie d'appareils servant à des fins thérapeutiques (consid. 1 et 2).
- Art. 23 LAMA. L'assuré n'a aucun droit au remboursement de frais résultant d'un traitement non économique (précision apportée à la jurisprudence; consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 12 cpv. 2 LAMI. Dell'obbligo di prestazioni delle casse-malati per apparecchi destinati a fini terapeutici (consid. 1 e 2).
- Art. 23 LAMI. L'assicurato non ha diritto al rimborso di spese determinate da un trattamento non economico (precisazione della giurisprudenza; consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 30
BGE 108 V 29 S. 30
A.- Julia Korab ist seit ihrer Geburt am 9. April 1979 Mitglied der Krankenkasse Helvetia und unter anderem für Krankenpflege versichert. Wegen angeborener Hüftdysplasie ordnete Dr. med. S. das Tragen eines Hüftspreiz-Apparates an, welcher vom Orthopädie-Techniker B. angefertigt wurde und Fr. 795.-- kostete. Die Invalidenversicherung lehnte mangels Erfüllens der versicherungsmässigen Voraussetzungen eine Leistungspflicht ab. Die Krankenkasse Helvetia leistete einen Kostenbeitrag aus der Krankenpflegeversicherung von Fr. 400.--. Weitergehende Leistungen lehnte sie mit der Begründung ab, der Hüftspreiz-Apparat sei ein abnehmbarer prothetischer Hilfsapparat und stelle keine medizinische Massnahme im Sinne von Art. 12
![](media/link.gif)
B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die vom Vater der Versicherten hiegegen erhobene Beschwerde gut und verpflichtete die Krankenkasse, die Kosten des Hüftspreiz-Apparates von Fr. 795.--, abzüglich 10% Selbstbehalt, zu übernehmen.
C.- Die Krankenkasse erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei die Verfügung vom 10. April 1980 zu bestätigen; eventuell sei das Verfahren auszusetzen bis zum Vorliegen einer Stellungnahme des Bundesrates im Sinne von Art. 12 Abs. 5
![](media/link.gif)
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. a) Art. 12 Abs. 2
![](media/link.gif)
BGE 108 V 29 S. 31
die vom Arzt vorgenommenen wissenschaftlich anerkannten diagnostischen und therapeutischen Massnahmen. Ist eine diagnostische oder therapeutische Massnahme wissenschaftlich umstritten, so entscheidet das Departement des Innern nach Anhören der Fachkommission für allgemeine Leistungen der Krankenversicherung, ob sie als Pflichtleistung zu übernehmen ist (Art. 12 Abs. 5
![](media/link.gif)
2. a) Die Beschwerdeführerin möchte die Leistungspflicht der Krankenkassen auf Therapiehilfen beschränken, deren Übernahme den Kassen in der Spezialitätenliste oder durch das Departement des Innern gestützt auf eine Empfehlung der Fachkommission gemäss Art. 26 Vo III vorgeschrieben ist oder welche die Kassen durch vertragliche Selbstverpflichtung anerkennen. Sie hält dafür, dass eine "Ausdehnung des Begriffs der ärztlichen Behandlung auf die Verordnung apparativer Heimbehandlung" nicht überzeuge, und nimmt eine Lücke an, die allenfalls durch den Gesetzgeber auszufüllen sei. Ob eine vom Richter auszufüllende Lücke vorliege, sei vom Eidg. Versicherungsgericht von Amtes wegen zu prüfen. Mit Bezug auf die streitige Rechtsfrage besteht indessen keine Lücke im Gesetz. Dass die Verwendung von Apparaten Bestandteil der ärztlichen Behandlung gemäss Art. 12 Abs. 2
![](media/link.gif)
BGE 108 V 29 S. 32
im Vordergrund, so ist die Leistungspflicht der Krankenkasse grundsätzlich zu bejahen. Dieser Auffassung ist jedenfalls mit Bezug auf Geräte der vorliegenden Art beizupflichten. Die Abgrenzung entspricht Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung, was für die von der Beschwerdeführerin beantragte Einschränkung der Leistungspflicht auf die durch das Departement des Innern als Pflichtleistungen bezeichneten Behelfe nicht angenommen werden kann. Es besteht somit auch kein Anlass, das Verfahren zu sistieren im Hinblick auf einen bundesrätlichen Entscheid im Sinne von Art. 12 Abs. 5
![](media/link.gif)
b) Der streitige Apparat ersetzt nicht einen fehlenden Körperteil und ist daher keine Prothese. Die Beschwerdeführerin beruft sich somit zu Recht nicht mehr auf Art. 69 Abs. 1 lit. a ihrer Statuten, wonach u.a. "prothetische Ersatz- und Hilfsapparate" von der Leistungspflicht ausgeschlossen sind. Unbestritten ist, dass bei der angeborenen Hüftdysplasie als Therapie das Tragen eines Spreizapparates oder die operative Hüftkorrektur üblich sind. Der verordnete Hüftspreiz-Apparat, dessen Wissenschaftlichkeit nach den Ausführungen des ärztlichen Dienstes des Bundesamtes für Sozialversicherung nicht in Frage zu stellen ist, dient somit eindeutig der Behandlung, wobei der Heilungsvorgang durch den Apparat unmittelbar bewirkt und nicht - wie die Beschwerdeführerin annimmt - lediglich gefördert oder unterstützt wird. Er ist demzufolge als therapeutische Massnahme zu qualifizieren, welche - unter Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit - gemäss Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1
![](media/link.gif)
3. a) Gemäss Art. 23
![](media/link.gif)
BGE 108 V 29 S. 33
der Krankenkasse und dem Arzt; dem Versicherten dürfe er nicht entgegengehalten werden. Soweit sich diese Feststellung auf den Anwendungsbereich von Art. 23
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI) LAI Art. 13 Droit à des mesures médicales pour le traitement des infirmités congénitales - 1 Les assurés ont droit jusqu'à ce qu'ils atteignent l'âge de 20 ans à des mesures médicales pour le traitement des infirmités congénitales (art. 3, al. 2, LPGA112). |
|
1 | Les assurés ont droit jusqu'à ce qu'ils atteignent l'âge de 20 ans à des mesures médicales pour le traitement des infirmités congénitales (art. 3, al. 2, LPGA112). |
2 | Les mesures médicales au sens de l'al. 1 sont accordées pour le traitement des malformations congénitales, des maladies génétiques ainsi que des affections prénatales et périnatales qui: |
a | font l'objet d'un diagnostic posé par un médecin spécialiste; |
b | engendrent une atteinte à la santé; |
c | présentent un certain degré de gravité; |
d | nécessitent un traitement de longue durée ou complexe, et |
e | peuvent être traitées par des mesures médicales au sens de l'art. 14. |
3 | L'al. 2, let. e, ne s'applique pas aux mesures médicales pour le traitement de la trisomie 21. |
BGE 108 V 29 S. 34
4. Den Eventualantrag, die Kasse sei zu verpflichten, 70% der Kosten des Hüftspreiz-Apparates zu übernehmen, begründet die Beschwerdeführerin damit, dass der in Rechnung gestellte Betrag von Fr. 795.-- auf dem zwischen dem Verband der Orthopädisten und Bandagisten einerseits und der SUVA und Invalidenversicherung anderseits vereinbarten Tarif beruhe. Dieser auch von der Vorinstanz als massgeblich erachtete Tarif habe für die Krankenkassen keine Gültigkeit. Weil die Krankenkassentarife gegenüber denjenigen der SUVA und Invalidenversicherung um 20 bis 25% tiefer angesetzt seien, könne er höchstens mit entsprechend reduzierten Ansätzen herangezogen werden, so dass unter Abzug des Selbstbehaltes von 10% lediglich rund 70% der Kosten vergütet werden könnten. Es trifft zu, dass die genannte Tarifvereinbarung für die Krankenkassen nicht verbindlich ist. Mangels einer besonderen Regelung mit den Krankenkassen rechtfertigt es sich indessen, diesen Tarif als Richtlinie heranzuziehen. Anhaltspunkte dafür, dass die für den streitigen Apparat geltende Tarifposition unter krankenversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten unangemessen wäre, liegen nicht vor. Es muss daher bei der Feststellung bleiben, dass die Kasse für die Kosten des Hüftspreiz-Apparates (abzüglich des Selbstbehaltes) voll aufzukommen hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.