108 IV 48
12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. März 1982 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 312
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 312 - Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Unter diese Bestimmung können nur jene unzulässigen Verfügungen und Massnahmen fallen, die der Beamte kraft seines Amtes, in Anwendung seiner hoheitlichen Gewalt, trifft. Der Polizeibeamte, der einer von ihm festgenommenen Person spontan ins Gesicht schlägt, weil sie ihn mit Schimpfwörtern in seiner Ehre als Mensch verletzte, begeht daher keinen Amtsmissbrauch, sondern ist allenfalls wegen Tätlichkeit strafbar.
Regeste (fr):
- Art. 312 CP; abus d'autorité.
- Cette disposition ne réprime que les décisions et mesures prises par le magistrat ou fonctionnaire qui use des pouvoirs dont il dispose en vertu de sa fonction. Le fonctionnaire de police qui frappe sans réfléchir une personne qu'il vient d'arrêter parce qu'elle lui adresse des injures portant atteinte à sa dignité d'être humain ne commet pas un abus d'autorité mais se rend coupable, le cas échéant, de voies de fait.
Regesto (it):
- Art. 312 CP; abuso di autorità.
- Questa norma reprime soltanto le decisioni e i provvedimenti che il membro di un'autorità o il funzionario prende usando dei poteri di cui dispone in virtù della propria funzione. Il funzionario di polizia che percuote senza riflettere una persona da lui arrestata, per avere la stessa offeso con ingiurie la sua dignità di essere umano, non commette abuso di autorità, ma è eventualmente punibile per vie di fatto.
Sachverhalt ab Seite 48
BGE 108 IV 48 S. 48
A.- In der Nacht vom 17. zum 18. April 1980 waren die Polizeibeamten X. und Y. beauftragt, Personen anzuhalten, die der Beteiligung an Schmierereien an der Fassade des Gebäudes des britischen Generalkonsulats in Zürich verdächtig waren. Den beiden Beamten gelang es, Frau B. und W. zu stellen. W. konnte fliehen. Er wurde von X. nach einer Verfolgungsjagd über rund einen Kilometer durch das Seefeldquartier gefasst und zum Streifenwagen zurückgebracht, bei dem in der Zwischenzeit der Polizeibeamte Y. mit Frau B. gewartet hatte. Nachdem X. den W. auf
BGE 108 IV 48 S. 49
die Sinnlosigkeit seiner Flucht und die Gefahr des Schusswaffengebrauchs aufmerksam gemacht hatte, äusserte Frau B. sinngemäss, es wäre nicht das erste Mal, dass jemand von der Polizei grundlos abgeknallt würde, das kenne man inzwischen, das sei das Einzige, was die Polizei machen könne. Darüber hinaus beschimpfte Frau B. den Polizeibeamten X. und seinen Kollegen mit Wörtern wie "Dreckhüng", "Dreckchaibe", "Dreckmore", "Drecksau", "Sauhund". Auf diese Beschimpfungen reagierte X. mit einem Schlag mit dem Handrücken der offenen Hand gegen das Kinn von Frau B.
B.- Am 7. Juli 1981 sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich X. von der Anschuldigung des Amtsmissbrauchs und - in Anwendung von Art. 177 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
|
1 | Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
2 | Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien. |
3 | Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
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1 | Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.234 |
2 | Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien. |
3 | Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien. |
C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung von der Anschuldigung des Amtsmissbrauchs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss Art. 312
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 312 - Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 312 - Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 108 IV 48 S. 50
N. 4 zu Art. 312, S. 750, STRATENWERTH, BT II, S. 340).
2. a) Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass der Polizeibeamte X. und sein Kollege auch dann noch "in amtlicher Funktion tätig" waren, als sie mit den festgenommenen B. und W. auf das Eintreffen des per Funk herbeigerufenen Gefangenenwagens warteten, und dass von einer "zwanglos verbrachten Wartezeit" (so das Urteil des Einzelrichters) keine Rede sein kann. Aus dem Umstand allein, dass die beiden Polizeibeamten auch während dieser Wartezeit in amtlicher Funktion tätig waren, zumal sie ja die beiden Festgenommenen zu bewachen hatten, lässt sich jedoch entgegen der Auffassung des Obergerichts nicht ableiten, der inkriminierte Schlag stelle - wie die Verfolgung, Festnahme und Bewachung usw. - eine "dienstliche Verrichtung" dar und erfülle, da er unter den gegebenen Umständen unzulässig war, den objektiven Tatbestand von Art. 312
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 312 - Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 312 - Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |