Urteilskopf

108 IV 21

6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Januar 1982 i.S. W. und Z. gegen X. AG (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 21

BGE 108 IV 21 S. 21

Aus den Erwägungen:

2. Die Beschwerdeführer bestreiten die Aktivlegitimation der X. AG, indem sie geltend machen, es handle sich bei der Beschwerdegegnerin wohl in formeller Hinsicht um eine juristische Person, die aber in Wirklichkeit - vom Staat Y. beherrscht - eine öffentlichrechtliche Körperschaft darstelle und - wie sich aus BGE 69 IV 81 ergebe - der Beleidigungsfähigkeit entbehre. Zunächst ist klarzustellen, dass das Bundesgericht im zitierten Entscheid über den strafrechtlichen Ehrenschutz von Behörden (Stadtrat), und nicht über jenen öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher juristischer Körperschaften zu befinden hatte. Im zu beurteilenden Falle indessen führt die X. AG als eine Personengesamtheit mit eigener Rechtspersönlichkeit Ehrverletzungsklage. Nach den unbestrittenen und verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist die X. AG eine gemischtwirtschaftliche Unternehmung, die nach den Bestimmungen des Obligationenrechts strukturiert ist und nicht spezialrechtlicher (hoheitsrechtlicher) Normierung unterliegt, so dass sie trotz Verfolgung eines öffentlichen Zweckes und erheblicher Beteiligung öffentlichrechtlicher Körperschaften (Kantone, Gemeinden etc.) eine juristische Person des Privatrechts bleibt (Art. 762
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 762 - 1 Haben Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Bund, Kanton, Bezirk oder Gemeinde ein öffentliches Interesse an einer Aktiengesellschaft, so kann der Körperschaft in den Statuten der Gesellschaft das Recht eingeräumt werden, Vertreter in den Verwaltungsrat oder in die Revisionsstelle abzuordnen, auch wenn sie nicht Aktionärin ist.654
1    Haben Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Bund, Kanton, Bezirk oder Gemeinde ein öffentliches Interesse an einer Aktiengesellschaft, so kann der Körperschaft in den Statuten der Gesellschaft das Recht eingeräumt werden, Vertreter in den Verwaltungsrat oder in die Revisionsstelle abzuordnen, auch wenn sie nicht Aktionärin ist.654
2    Bei solchen Gesellschaften sowie bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmungen, an denen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts als Aktionär beteiligt ist, steht das Recht zur Abberufung der von ihr abgeordneten Mitglieder des Verwaltungsrates und der Revisionsstelle655 nur ihr selbst zu.
3    Die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts abgeordneten Mitglieder des Verwaltungsrates und der Revisionsstelle haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die von der Generalversammlung gewählten.656
4    Für die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts abgeordneten Mitglieder haftet die Körperschaft der Gesellschaft, den Aktionären und den Gläubigern gegenüber, unter Vorbehalt des Rückgriffs nach dem Recht des Bundes und der Kantone.
5    Das Recht von Körperschaften des öffentlichen Rechts, Vertreter in den Verwaltungsrat abzuordnen oder abzuberufen, gilt auch bei Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind.657
und 926
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 926 - 1 Bei Genossenschaften, an denen Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie Bund, Kanton, Bezirk oder Gemeinde, ein öffentliches Interesse besitzen, kann der Körperschaft in den Statuten der Genossenschaft das Recht eingeräumt werden, Vertreter in die Verwaltung oder in die Revisionsstelle abzuordnen.759
1    Bei Genossenschaften, an denen Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie Bund, Kanton, Bezirk oder Gemeinde, ein öffentliches Interesse besitzen, kann der Körperschaft in den Statuten der Genossenschaft das Recht eingeräumt werden, Vertreter in die Verwaltung oder in die Revisionsstelle abzuordnen.759
2    Die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts abgeordneten Mitglieder haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die von der Genossenschaft gewählten.
3    Die Abberufung der von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts abgeordneten Mitglieder der Verwaltung und der Revisionsstelle steht nur der Körperschaft selbst zu.760 Diese haftet gegenüber der Genossenschaft, den Genossenschaftern und den Gläubiger für diese Mitglieder, unter Vorbehalt des Rückgriffs nach dem Rechte des Bundes und der Kantone.
OR; SCHÜRMANN, Das Recht der gemischtwirtschaftlichen und öffentlichen Unternehmung mit privatrechtlicher Organisation, ZSR 72/1953, S. 181a Ziff. 1;
BGE 108 IV 21 S. 22

SCHWARZENBACH, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1980, S. 224/225). Juristische Personen des Privatrechts oder allenfalls des öffentlichen Rechts (unter Vorbehalt von Spezialgesetz und Hoheitsrecht) sind aller (privatrechtlichen) Rechte fähig und teilhaftig, die nicht natürliche Eigenschaften des Menschen zur notwendigen Voraussetzung haben (Art. 52 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 52 - 1 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
1    Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
2    Keiner Eintragung bedürfen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten sowie die Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen.80
3    Personenverbindungen und Anstalten zu unsittlichen oder widerrechtlichen Zwecken können das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen.
, Art. 53
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 53 - Die juristischen Personen sind aller Rechte und Pflichten fähig, die nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen, wie das Geschlecht, das Alter oder die Verwandtschaft zur notwendigen Voraussetzung haben.
, Art. 59 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 59 - 1 Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
1    Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
2    Personenverbindungen, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, stehen unter den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.
3    Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften verbleiben unter den Bestimmungen des kantonalen Rechtes.
ZGB; EGGER, ZH-Komm., 1930, N. 11 zu Art. 53, N. 14 zu Art. 59; GUTZWILLER, Schweiz. Privatrecht, Bd. II, 1967, S. 475; BGE 96 IV 148, BGE 95 II 488 E. 4, BGE 71 IV 36 /37). So steht ihnen nach geltender Lehre und Rechtsprechung zumindest für jene Fälle, in welchen die eingeklagte Äusserung gegenüber Dritten getan wurde, und so die äussere Geltung der Persönlichkeit tangiert wird, die strafrechtlich geschützte Ehre zu (BGE 96 IV 149; BGE 71 IV 37; HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, besonderer Teil I, 1937, S. 185-187; STRATENWERTH, Strafrecht, besonderer Teil I, 1978, S. 112-114; REHBERG, Strafrecht III, 1980, S. 103-104; ROTH, Der strafrechtliche Schutz der Ehre von Personenmehrheiten, Diss. Bern 1974, S. 64, 70, 76, 97 ff.). Die Beschwerdeführer gelangten mit ihrem Inserat direkt an die Öffentlichkeit, weshalb im vorliegenden Fall die X. AG den Schutz von Art. 173 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
. StGB geniesst. Die Vorinstanz hat zurecht die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin bejaht.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 108 IV 21
Date : 14. Januar 1982
Published : 31. Dezember 1982
Source : Bundesgericht
Status : 108 IV 21
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 173 ff. StGB. Einer gemischtwirtschaftlichen Unternehmung, die nach den Bestimmungen des Obligationenrechts strukturiert


Legislation register
OR: 762  926
StGB: 173
ZGB: 52  53  59
BGE-register
108-IV-21 • 69-IV-81 • 71-IV-36 • 95-II-481 • 96-IV-148
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