Urteilskopf

107 II 220

30. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. März 1981 i.S. Brentsch Immobilien AG gegen Domenico Giston und Kantonsgericht von Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
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Erwägungen ab Seite 220

BGE 107 II 220 S. 220

Aus den Erwägungen:

3. Das angefochtene Urteil verkennt nicht, dass Vertrags- und nicht Bereicherungsrecht gilt, solange ein Anspruch aus
BGE 107 II 220 S. 221

Vertrag geltend gemacht werden kann. Als solchen betrachtet es jedoch aufgrund von Art. 363
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 363 - Durch den Werkvertrag verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes und der Besteller zur Leistung einer Vergütung.
OR nur den Herstellungsanspruch des Bestellers und den Vergütungsanspruch des Unternehmers, nicht aber den Anspruch auf Rückerstattung des zuviel bezahlten Werklohns. Eine mögliche Novation durch beiderseitige Anerkennung des Abrechnungssaldos sei nicht behauptet worden. a) Die Beschwerdeführerin wirft dem Kantonsgerichtsausschuss vor, er setze sich über die einmütige Lehre zu den Art. 62 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
. OR hinweg und zitiere Lehrmeinungen völlig sinnwidrig. Mit den Hinweisen auf VON TUHR/PETER (S. 479 A. 33) und BECKER (N. 14 zu Art. 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
OR) belegt der angefochtene Entscheid, dass, wer mehr geleistet hat als geschuldet, den Differenzbetrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern kann. Was die Beschwerdeführerin diesbezüglich einwendet, ist haltlos. Sie vermag auch keine andere für sie sprechende Lehrmeinung anzuführen. Dass in besonderen Fällen das Gesetz selbst einen Rückerstattungsanspruch aus Vertrag begründet, so etwa auf Rückgabe des Mietgegenstandes (Art. 271
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 271 - 1 Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.
1    Die Kündigung ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.
2    Die Kündigung muss auf Verlangen begründet werden.
OR) oder auf Rückzahlung des Darlehens (Art. 312
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 312 - Durch den Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darleiher zur Übertragung des Eigentums an einer Summe Geldes oder an andern vertretbaren Sachen, der Borger dagegen zur Rückerstattung von Sachen der nämlichen Art in gleicher Menge und Güte.
OR), hilft der Beschwerdeführerin im Bereich des Werkvertrags nichts. Die Rechtsprechung behandelt z.B. die Rückforderung von zuviel bezahlten Darlehens- oder Pachtzinsen stets als Bereicherungsanspruch, nicht als Forderung aus Darlehens- oder Pachtvertrag (BGE 64 II 135, BGE 52 II 232). Im Hinblick auf eine zu Unrecht bezogene Versicherungsleistung hat das Bundesgericht ausgeführt, es gehe zwar aus dem Versicherungsvertrag hervor, dass die Leistung nicht geschuldet war, doch ergebe sich die Rückforderung nicht aus Vertrag, sondern aus Art. 62 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
. OR und unterliege daher der ein- und nicht der zweijährigen Verjährung gemäss Art. 46
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 46
1    Die Forderungen aus dem Versicherungsvertrag verjähren unter Vorbehalt von Absatz 3 fünf Jahre nach Eintritt der Tatsache, welche die Leistungspflicht begründet.86 Artikel 41 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198287 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge bleibt vorbehalten.88
2    Vertragsabreden, die den Anspruch gegen das Versicherungsunternehmen einer kürzern Verjährung oder einer zeitlich kürzern Beschränkung unterwerfen, sind ungültig. Vorbehalten bleibt die Bestimmung des Artikels 39 Absatz 2 Ziffer 2 dieses Gesetzes.
3    Die Forderungen aus dem Vertrag der kollektiven Krankentaggeld-Versicherung verjähren in zwei Jahren nach Eintritt der Tatsache, welche die Leistungspflicht begründet.89
VVG (BGE 42 II 680). b) Nach der Beschwerde liegt es auf der Hand, dass die Akontozahlungen unter Vorbehalt der Schlussabrechnung geleistet wurden, was einen Bereicherungsanspruch ausschliesse. Dies wird nicht weiter begründet, könnte sich aber auf die Ansicht VON TUHR/PETERS (S. 484, 520) beziehen, wonach Annahme einer unter Rückforderungsvorbehalt erbrachten Leistung den Rückerstattungsanspruch zu einem vertraglichen macht. Diese Auffassung findet in der Rechtsprechung freilich keine Stütze (BGE 32 II 637, BGE 25 II 871; vgl. auch BECKER, N. 16 zu Art. 63
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 63 - 1 Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
1    Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
2    Ausgeschlossen ist die Rückforderung, wenn die Zahlung für eine verjährte Schuld oder in Erfüllung einer sittlichen Pflicht geleistet wurde.
3    Vorbehalten bleibt die Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld nach Schuldbetreibungs- und Konkursrecht.
OR). Zudem wäre ein solcher Vorbehalt hier nur stillschweigend erfolgt, mithin in der selbstverständlichen Meinung
BGE 107 II 220 S. 222

der Parteien, dass je nach Ergebnis der Schlussabrechnung eine Rückzahlung stattfinde. Das gilt aber auch für andere Leistungen, die von einem künftigen Ereignis abhangen und mit deren Rückerstattung daher zu rechnen ist, ohne dass damit ein Vertragsanspruch begründet wird (BGE 82 II 436). Die Rechtsauffassung des Ausschusses des Kantonsgerichts ist somit nicht willkürlich, sondern zutreffend.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 107 II 220
Date : 10. März 1981
Published : 31. Dezember 1981
Source : Bundesgericht
Status : 107 II 220
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Ungerechtfertigte Bereicherung. Der Anspruch auf Rückerstattung des zuviel bezahlten Werklohns ergibt sich nicht aus Vertrag,


Legislation register
OR: 62  63  271  312  363
VVG: 46
BGE-register
107-II-220 • 25-II-869 • 32-II-630 • 42-II-674 • 52-II-228 • 64-II-132 • 82-II-430
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