106 V 107
25. Urteil vom 2. Juni 1980 i.S. Nebauer gegen Schweizerische Kranken- und Unfallkasse "Krankenfürsorge" und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste (de):
- Art. 26 Abs. 3
KUVG.
- Statutarische Subsidiärklauseln in der Unfallversicherung einer Krankenkasse in Konkurrenz mit der Subsidiarität der Bundesdeckung gemäss Art. 76 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 76 - 1 Die in der Schweiz zum Betrieb der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung zugelassenen Versicherungseinrichtungen bilden und betreiben gemeinsam den Nationalen Garantiefonds.
Regeste (fr):
- Art. 26 al. 3 LAMA.
- De la portée d'une clause de subsidiarité statutaire, dans l'assurance-accidents pratiquée par une caisse-maladie, au regard de la responsabilité subsidiaire de la Confédération instituée par l'art. 76 al. 3 LCR.
Regesto (it):
- Art. 26 cpv. 3 LAMI.
- Clausola di sussidiarietà nell'assicurazione contro gli infortuni praticata da una cassa malati, in concorso con la responsabilità sussidiaria della Confederazione giusta l'art. 76 cpv. 3 LCS.
Sachverhalt ab Seite 107
BGE 106 V 107 S. 107
A.- Am 23. April 1978 fuhr der 1967 geborene Hans-Rudolf Nebauer mit dem Velo von B. in Richtung F. Wegen eines auf seiner Fahrbahn entgegenkommenden Autos musste er auf die angrenzende Wiese ausweichen, wobei er stürzte und sich einen Schlüsselbeinbruch zuzog. Der Personenwagenlenker setzte seine Fahrt unerkannt fort. Die Schweizerische Kranken- und Unfallkasse "Krankenfürsorge" verfügte am 13. Juni 1978, dass sie für die Unfallheilungskosten nicht aufkommen könne, da sie gemäss Art. 44 lit. g und Art. 45 Ziff. 2 lit. a ihrer Statuten bei Kausalhaftungsfällen bzw. bei Haftung Dritter keine Leistungen zu erbringen habe. Im Falle des Versicherten Hans-Rudolf Nebauer decke die Eidgenossenschaft die Ersatzansprüche für Personenschäden.
B.- Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Zürich am 27. Februar 1979 mit der Begründung ab, die Bundesdeckung nach Art. 76

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C.- Mit vorliegender Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert Hans-Rudolf Nebauer das Begehren, die streitigen Unfallheilungskosten seien von der Kasse zu übernehmen. Die
BGE 106 V 107 S. 108
Begründung wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen wiedergegeben. Die Kasse lässt sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen. Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 45 Ziff. 1 ihrer Statuten übernimmt die Beschwerdegegnerin Unfallheilungskosten im gleichen Rahmen wie bei Krankheit. Keine Leistungspflicht besteht jedoch bei Krankheit und Unfällen, die "Kausalhaftungsfälle darstellen, wenn ein Dritter ohne eigenes Verschulden und ohne vertragliche Verpflichtung nach Gesetzesvorschrift haftbar ist" (Art. 44 lit. g der Statuten). Im weiteren sind Kassenleistungen von der Versicherung "ausgeschlossen, soweit eine Haftung Dritter besteht. Die auf Subsidiärhaftung beruhenden Versicherungsleistungen der Kasse werden nur dann von ihr erbracht, wenn das Mitglied gegenüber einem anderweitigen Versicherungsinstitut bzw. einem Drittleistungspflichtigen auch ohne Bestehen der Kassenmitgliedschaft keinen Entschädigungsanspruch besitzt..." (Art. 45 Ziff. 2 lit. a der Statuten). Die als Subsidiärklauseln zu verstehenden Art. 44 lit. g und Art. 45 Ziff. 2 lit. a der Statuten bezwecken, die Kasse vom Kreis der Einstandspflichtigen auszunehmen, soweit anderweitige Ersatzpflichtige für Heilungskosten und Erwerbsausfall aufkommen müssen. Die Kasse soll nicht vor oder gleichzeitig mit andern Ersatzpflichtigen haftbar werden können.
2. Gemäss Art. 76 Abs. 1

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BGE 106 V 107 S. 109
Die Ersatzpflicht des Bundes tritt demnach erst dann ein, wenn der Betroffene alle andern Möglichkeiten der Schadensdeckung ausgeschöpft hat. Mit andern Worten besitzt der Geschädigte so lange keinen Anspruch auf Leistungen des Bundes, als eine Entschädigungspflicht Dritter besteht. Nicht anrechenbar sind lediglich Ansprüche aus Summenversicherungen. Daraus folgt, dass die Bundesdeckung gemäss Art. 76

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3. Es stellt sich somit die Frage, ob den statutarischen Subsidiärklauseln der Kasse gegenüber Art. 76 Abs. 3

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BGE 106 V 107 S. 110
Deckung von Schäden, die von Strolchenfahrern und nichtversicherten oder unbekannt gebliebenen Fahrzeugen verursacht wurden. Man erachtete es als mit dem sozialen Empfinden unvereinbar, in solchen Fällen - im Vordergrund stand damals namentlich die Strolchenfahrt - das schuldlose Verkehrsopfer den Schaden selber tragen zu lassen (P. PORTMANN, Strolchenfahrt und Strolchenfahrtenversicherung, Diss. Bern 1952, S. 7; P. STAUB, Die Ergänzung der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung nach Art. 75

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 75 - 1 Wer ein Motorfahrzeug zum Gebrauch entwendet, haftet wie ein Halter. Solidarisch mit ihm haftet der Führer, der bei Beginn der Fahrt wusste oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen konnte, dass das Fahrzeug zum Gebrauch entwendet wurde. Der Halter haftet mit, ausser gegenüber Benützern des Fahrzeugs, die bei Beginn der Fahrt von der Entwendung zum Gebrauch Kenntnis hatten oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit haben konnten. |

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BGE 106 V 107 S. 111
gemäss Art. 76 Abs. 3

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Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Februar 1979 und die Verfügung der Schweizerischen Kranken- und Unfallkasse "Krankenfürsorge" vom 13. Juni 1978 aufgehoben. Die Sache wird an die Schweizerische Kranken- und Unfallkasse "Krankenfürsorge" zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.