106 IV 358
88. Urteil des Kassationshofes vom 18. Dezember 1980 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207 - Bejaht im Fall eines selbständigerwerbenden Psychologen, der durch Verwendung von in Tat und Wahrheit wertlosen akademischen Titeln seine Kunden über seine berufliche Qualifikation irreführt.
Regeste (fr):
- Art. 148 CP. Astuce.
- Fait preuve d'astuce le psychologue indépendant qui, en faisant usage de titres académiques en réalité dépourvus de valeur, induit en erreur ses clients sur ses qualifications professionnelles.
Regesto (it):
- Art. 148 CP. Astuzia.
- Agisce con astuzia lo psicologo indipendente che, facendo uso di titoli accademici privi di un valore reale, induce i clienti in errore sulle sue qualificazioni professionali.
Sachverhalt ab Seite 359
BGE 106 IV 358 S. 359
A.- Nach Abschluss seiner Lehre als Maschinenzeichner im Jahre 1954 arbeitete S. zunächst auf seinem Beruf. 1965 begann er mit einem Fernkurs an einer Akademie für angewandte Psychologie in Zürich; trotz Ablieferung einer Diplomarbeit erhielt er wegen seiner Vorstrafen kein Diplom. Bereits im Jahre 1966 eröffnete S. in Bern eine Privatpraxis als Psychologe. 1971 verlegte er Wohnsitz und Praxis nach St. Gallen. Im Laufe der Jahre verschaffte sich S. eine Reihe ausländischer Titel und Diplome. So erhielt er 1969 den Titel eines Doktors der Philosophie der - in Italien inzwischen verbotenen - Accademia Sancta Theodora in Rom, 1975 die Ernennung zum Professor der Psychologie der Cooperating University of America und 1976 den Titel eines Doktors der Psychologie und Metaphysik des Divine College Indianapolis. In seiner Praxis hatte er fünf Diplome aufgehängt, darunter zwei einer Hamilton State University betreffend seine Ernennung zum Professor der Metaphysik bzw. zum Doktor der Philosophie. Auf einer Visitenkarte führte S. ausser der Bezeichnung "Prof. Dr. hc. dipl. Psychologe" auch die Mitgliedschaft in einer Vereinigung freier internationaler Wissenschaftler an. S., der nie eine Lehranalyse durchgemacht hat und der seine Methode nie hat supervisieren lassen, setzte in seiner Praxis neben den psychologischen Methoden und MMPI-Tests auch elektrophysiologische Geräte zur Messung des elektrischen Hautwiderstandes ein. Nach eigenen Angaben arbeitete er weitgehend mit autogenem Training. Im Rahmen seiner Sexualtherapie vollzog er mit seinen Patientinnen unter anderem den Beischlaf. Der von den kantonalen Instanzen beigezogene Gutachter bescheinigt S. ein "gewisses theoretisches Grundwissen", vermerkt aber das Fehlen jeglicher praktischen Erfahrung. Er bemängelt insbesondere dessen äusserst unklaren Vorstellungen von autogenem Training, das in der von S. gehandhabten Form sinnlos sei. Was weltweit als praktische Sexualtherapie unter Einsatz von Hilfstherapeuten verstanden werde, sei etwas ganz anderes als die von S. angewandte Methode, die weder in Amerika noch gar in Europa üblich oder akzeptiert sei.
BGE 106 IV 358 S. 360
B.- Am 17. September 1980 verurteilte die Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen als Appellationsinstanz S. wegen gewerbsmässigen Betruges (31 Fälle), wiederholten Missbrauchs der Abhängigkeit einer Frau, versuchter Notzucht, versuchter Erpressung und fortgesetzter Anmassung beruflicher Auszeichnungen zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus (abzüglich 18 Tage Untersuchungshaft) und zu einer Busse von Fr. 1'000.--.
C.- S. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen sei aufzuheben, soweit es ihn des gewerbsmässigen Betruges schuldig erkläre, und die Strafsache sei zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Beschwerdeführer macht einzig geltend, das Tatbestandsmerkmal der Arglist sei nicht erfüllt. Eine "gewisse Irreführung" der Geschädigten wird nicht in Abrede gestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt arglistig, wer sich zur Täuschung eines andern besonderer Machenschaften oder Kniffe oder eines ganzen Lügengebäudes bedient, aber auch jener, der bloss falsche Angaben macht, wenn deren Überprüfung besondere Mühe erfordert, dem Getäuschten nicht zumutbar ist, oder wenn der Täter den Getäuschten von der Überprüfung der Angaben abhält oder nach den besonderen Umständen voraussieht, der andere werde die Überprüfung unterlassen (BGE 101 Ia 612 E. 3, BGE 100 IV 274, BGE 99 IV 77 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die Vorinstanz sei von einem unzutreffenden Begriff der Arglist ausgegangen; er ist lediglich der Meinung, sein Verhalten sei nicht im umschriebenen Sinn arglistig gewesen.
2. Nach der Auffassung des Kantonsgerichts hat sich S. "in der Mehrzahl der Fälle" nicht nur einfacher Lügen, sondern eines ganzen Lügengebäudes bedient. Bei der Erörterung der einzelnen Fälle kommt im angefochtenen Urteil indessen nicht immer klar zum Ausdruck, ob die Arglist mit der Anwendung besonderer Machenschaften oder aber damit begründet
BGE 106 IV 358 S. 361
wird, dass die von S. gemachten falschen Angaben nicht überprüfbar, etc., waren. In allen Fällen, die zur Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betruges führten, hatten die Kunden aufgrund von Zeitungsinseraten Oder des Eintrages im (Branchen-)Telefonbuch und beeindruckt durch die darin angeführten akademischen Titel den Kontakt mit S. aufgenommen. In jenen Fällen, in welchen dieser Zusammenhang nach Ansicht der Vorinstanz nicht rechtsgenüglich feststand, wurde S. vom Vorwurf des Betruges freigesprochen. a) Der Beschwerdeführer hat zur Täuschung über seine unbestrittenermassen oberflächliche, äusserst lückenhafte und auf theoretisches Stückwissen beschränkte psychologische Ausbildung anerkanntermassen wertlose akademische Titel verwendet. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat er in jedem nur denkbaren Zusammenhang von diesen Titeln Gebrauch gemacht, so in Zeitungsinseraten, im Telefon- und Branchenbuch, auf dem Türschild, auf Briefpapier und Visitenkarten; zudem hat er fünf Urkunden über die Verleihung verschiedener Doktor- und Professorentitel in seiner Praxis aufgehängt. Diese Vorkehren sind in ihrer Gesamtheit offensichtlich als besondere Machenschaften im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu werten. Der Beschwerdeführer legt mit keinem Wort dar, inwiefern die Auffassung der Vorinstanz, wonach er besondere Machenschaften angewendet habe, gegen Bundesrecht verstosse. Sein Einwand, er habe mit dem Aufhängen der Diplome oder mit seinen Eintragungen ins Telefonbuch keinen wahrheitswidrigen Zustand behauptet, da er die verschiedenen Auszeichnungen weder gefälscht noch gestohlen, also zu Recht erworben habe, geht an der Sache vorbei.S. hat mit den anerkanntermassen wertlosen Titeln und Diplomen den Eindruck erweckt, dass er ein an verschiedenen ausländischen, namentlich amerikanischen Lehranstalten ausgebildeter und ausgezeichneter Fachmann der Psychologie und als solcher fähig sei, seinen Patienten und Klienten die erwartete hochqualifizierte Hilfe zuteil werden zu lassen, was - und dies allein wird dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorgeworfen - unbestrittenermassen nicht den Tatsachen entsprach. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, ein Telefonanruf bei der Sanitätsdirektion (Gesundheitsdepartement) des Kantons St. Gallen hätte ohne weiteres und sofort ergeben, dass
BGE 106 IV 358 S. 362
diese Diplome in der Schweiz keine Geltung haben. Eine solche Abklärung sei jedermann zumutbar und mit keinen Schwierigkeiten verbunden. Soweit sich diese Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil richten, sind sie unzulässig, da der Entscheid des Bezirksgerichts St. Gallen im vorliegenden Verfahren nicht zur Diskussion gestellt werden kann. In jenen Fällen, in welchen die Vorinstanz die Arglist ohne Verletzung von Bundesrecht damit begründet hat, dass sich S. zur Täuschung besonderer Machenschaften bedient habe, geht die Berufung auf die Überprüfbarkeit der Angaben von vornherein fehl, da - wie das Kantonsgericht zutreffend ausführt - besondere Machenschaften stets Arglist im Sinne von Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207 |
BGE 106 IV 358 S. 363
Leichtgläubigkeit seitens der zahlreichen Geschädigten kann keine Rede sein. Die Verwendung täuschender Titel war daher unter den gegebenen Umständen auch denn arglistig, wenn man sie für sich allein noch nicht als Machenschaft qualifizieren wollte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.