BGE-106-II-173
Urteilskopf
106 II 173
34. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. September 1980 i.S. B. gegen B. und K. (Berufung)
Regeste (de):
- Art. 35 Abs. 1
OG.
- Wiederherstellung.
- Verschulden eines Anwalts, der ein Urteil zum Nachteil seines Klienten mit gewöhnlicher Post an ihn weiterleitet und sich vor Ablauf der Berufungsfrist nicht durch Rückfrage vergewissert, ob der Klient es anfechten will.
Regeste (fr):
- Art. 35 al. 1 OJ.
- Restitution pour inobservation d'un délai. Faute d'un avocat qui transmet par courrier ordinaire à son client un jugement rendu au préjudice de celui-ci et omet ensuite de vérifier, avant l'expiration du délai de recours en réforme, s'il entend recourir ou non.
Regesto (it):
- Art. 35 cpv. 1
OG.
- Restituzione per inosservanza di un termine.
- Colpa di un avvocato che trasmette per posta ordinaria al suo cliente una sentenza a questi sfavorevole ed omette poi di cerziorarsi, prima della scadenza del termine per la presentazione del ricorso per riforma, se il cliente intende ricorrere o no.
Erwägungen ab Seite 173
BGE 106 II 173 S. 173
Aus den Erwägungen:
Wiederherstellung gegen die Folgen einer Fristversäumnis kann gemäss Art. 35 Abs. 1


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alle Fälle vom Nachweis zu befreien. Es kann Umstände geben, unter denen dem Adressat ein Beweis für seine Behauptung zugemutet werden kann, z.B. wenn die Postsendung vom Boten Drittpersonen, insbesondere Familiengenossen des Adressaten übergeben wird, die Zustellung an eine bestimmte Person also feststeht. Wie es sich mit der Behauptung des Beklagten verhält, dessen Angaben vom Anwalt nicht bezweifelt werden, kann jedoch dahingestellt werden. Nach dem Wortlaut des Art. 35 Abs. 1

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Briefkästen, die angefüllt sind oder breite Schlitze aufweisen, besteht zudem die Gefahr, dass Postsendungen von Unbefugten, z.B. Kindern, herausgenommen werden. Auch weitere Fälle von Verlusten sind denkbar. Diesfalls läuft nicht nur der Kunde, sondern auch der Anwalt Gefahr, eine Rechtsmittelfrist zu versäumen. Der Anwalt kann dem aber dadurch vorbeugen, dass er entweder Mitteilungen über laufende Fristen eingeschrieben zustellen lässt oder sich rechtzeitig durch Rückfrage beim Klienten vergewissert, ob dieser sich mit einem Urteil abfinden oder es weiterziehen will. Auch das gehört zur Pflicht des. Anwalts, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Rechtsmittelfristen eingehalten werden können (BGE 85 II 48 und dort angeführte Urteile). Im vorliegenden Fall hat der Anwalt des Beklagten weder das eine noch das andere getan, weshalb er die Säumnis jedenfalls mitverschuldet hat. Das Wiederherstellungsgesuch ist deshalb abzuweisen und auf die Berufung wegen Verspätung nicht einzutreten.