Urteilskopf

105 Ia 396

70. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Dezember 1979 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 396

BGE 105 Ia 396 S. 396

Aus den Erwägungen:

3. b) Gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK hat der Angeklagte das Recht, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Diese Bestimmung geht, wie in BGE 104 Ia 319 festgestellt wurde, zum Teil über die dem Angeklagten
BGE 105 Ia 396 S. 397

aufgrund von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV in der Praxis gewährleisteten Rechte hinaus. Es ist dem Angeklagten unabhängig von der Ausgestaltung des kantonalen Prozessrechts mindestens einmal während des Verfahrens Gelegenheit zu geben, der Einvernahme von Zeugen, die ihn belasten, beizuwohnen und Ergänzungsfragen zu stellen oder aber, sofern er dem Verhör nicht beiwohnen kann, nach Einsicht in das Einvernahmeprotokoll schriftlich ergänzende Fragen zu stellen. Das hindert nicht, dass auch dieses Recht den kantonalen Verfahrensvorschriften untersteht. Es kann den Kantonen nicht verwehrt sein, die Einhaltung gewisser Vorschriften bei der Ausübung des erwähnten Rechtes zu verlangen, so etwa, dass entsprechende Anträge frist- und formgerecht gestellt werden. Auf das aus der EMRK abgeleitete Recht kann ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet werden. Ein solcher Verzicht macht die Zeugenaussagen weder nichtig noch lässt er einen Anspruch auf Wiederholung entstehen (BGE 104 Ia 319). Aufgrund von Art. 6 Ziff. 3 lit. d
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK darf demnach in einem Strafverfahren im allgemeinen nur dann auf die Aussagen eines Belastungszeugen abgestellt werden, wenn der Angeklagte bei dessen Einvernahme wenigstens einmal anwesend sein konnte oder zumindest Gelegenheit hatte, nach Einsicht in das Einvernahmeprotokoll schriftlich Ergänzungsfragen an den Zeugen zu stellen, die diesem in einer weitern Einvernahme vorgelegt wurden. Es kann freilich Fälle geben, in welchen dieser Grundsatz nicht eingehalten werden kann, z.B. beim Tod eines Zeugen oder dann, wenn ein Zeuge dauernd oder für lange Zeit einvernahmeunfähig wird. In diesen Fällen darf die Aussage des Zeugen verwertet werden, auch wenn der Angeklagte keine Gelegenheit hatte, Ergänzungsfragen zu stellen. Es kann nicht dem Sinn der EMRK entsprechen, dass z.B. in einem Mordprozess der Angeklagte freizusprechen wäre, wenn der einzige Zeuge der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat stirbt, bevor ihm Ergänzungsfragen des Angeklagten gestellt werden konnten. In der Regel wird es geboten sein, eine Konfrontation zwischen dem Angeklagten und dem Belastungszeugen durchzuführen. Im Einzelfall können aber Gründe vorliegen, die dem entgegenstehen, so etwa, wenn sich der Zeuge vor dem Angeklagten fürchtet, ferner unter Umständen bei Sexualdelikten oder wenn der Zeuge in erheblicher Entfernung vom Gerichtsort abgehört wird. In solchen Fällen
BGE 105 Ia 396 S. 398

kann es durchaus bei schriftlichen Ergänzungsfragen sein Bewenden haben, wobei nach allgemeinen Grundsätzen solche Fragen nur zuzulassen sind, wenn sie irgendwie erheblich sind.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 105 IA 396
Date : 12. Dezember 1979
Published : 31. Dezember 1980
Source : Bundesgericht
Status : 105 IA 396
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK. Aufgrund dieser Vorschrift ist dem Angeklagten - von gewissen Ausnahmefällen abgesehen - wenigstens


Legislation register
BV: 4
EMRK: 6
BGE-register
104-IA-314 • 105-IA-396
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witness • position • witness for the prosecution • question • basel-landschaft • death • appeal relating to public law • time limit • bee • condition • witness for the defense • repetition • nullity • address