103 Ib 261
42. Auszug aus dem Urteil vom 25. November 1977 i.S. G.
Regeste (de):
- Dienstverhältnis des Bundesbeamten, Nichtwiederwahl; Wegfall der Kassenleistungen gemäss Art. 9 Abs. 3 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse.
- 1. Verfahren: Rechtsweg (E. 2b).
- 2. Begriff des Selbstverschuldens im kassenrechtlichen Sinn (E. 6 - 8, E. 10).
Regeste (fr):
- Rapports de service du fonctionnaire fédéral, non-reconduction; suppression des prestations de la Caisse conformément à l'art. 9 al. 3 des statuts de la Caisse d'assurance de la Confédération.
- 1. Procédure: voie judiciaire (consid. 2b).
- 2. Notion de faute personnelle au sens juridique de la Caisse (consid. 6 à 8, consid. 10).
Regesto (it):
- Rapporto d'impiego del funzionario, mancata conferma; soppressione delle prestazioni della Cassa conformemente all'art. 9 cpv. 3 degli Statuti della Cassa federale d'assicurazione.
- 1. Procedura: iter giuridico (consid. 2b).
- 2. Nozione di colpa propria ai sensi della disciplina giuridica della Cassa (consid. 6 - 8, consid. 10).
Sachverhalt ab Seite 262
BGE 103 Ib 261 S. 262
Der Bundesbeamte G. wurde nach Ablauf der Amtsdauer 1973-1976 für die neue Amtsdauer nicht mehr wiedergewählt und gleichzeitig darauf hingewiesen, die Auflösung des Dienstverhältnisses gelte im Sinne der Statuten der Eidg. Versicherungskasse als selbstverschuldet. Die von ihm in erster Linie angefochtene Nichtwiederwahl hält der Überprüfung durch das Bundesgericht stand. G. bestreitet, dass ein Selbstverschulden im kassenrechtlichen Sinn vorliege, und erhebt deshalb Anspruch auf Kassenleistungen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. b) Bis zum Inkrafttreten des revidierten OG am 1. Oktober 1969 hatte das Bundesgericht nicht über die Zulässigkeit einer Nichtwiederwahl zu befinden. Dagegen konnte es gestützt auf Art. 60
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Geltendmachung seiner Versicherungsansprüche offen stehen. Hält er aber die Nichtwiederwahl nicht für gerechtfertigt, muss er sich auf dem Beschwerdeweg dagegen zur Wehr setzen, und dann hat das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz darüber zu urteilen. Es wäre aber eine nicht vertretbare Zweispurigkeit, wenn nach dem Entscheid über die Zulässigkeit der Nichtwiederwahl noch klageweise nach Art. 60
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6. Der Beschwerdeführer ist seinerzeit als Mitglied der Eidg. Versicherungskasse im Sinne der Art. 12 ff. der Kassenstatuten (SR 172.222.1; EVK) aufgenommen worden. Gemäss
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Art. 15 EVK entrichtet der Versicherte wiederkehrende Beiträge von 6% des versicherten Verdienstes sowie einen einmaligen Beitrag von 50% jeder Erhöhung des versicherten Jahresverdienstes. Der Bund entrichtet für ihn seinerseits gleich hohe wiederkehrende Beiträge und übernimmt ausserdem bei Erhöhung des versicherten Verdienstes die zum Ausgleich der verbleibenden Deckungskapitalbelastung erforderlichen Einkausfsbeiträge (Art. 16 EVK). Es liegt dem Beschwerdeführer hauptsächlich daran, dass die angefochtene Verfügung jedenfalls soweit aufgehoben wird, als sie feststellt, die Nichtwiederwahl sei im kassenrechtlichen Sinn auf sein Verschulden zurückzuführen. Je nachdem wie die Frage beurteilt wird, ergeben sich für ihn finanzielle erheblich voneinander abweichende Folgen.
7. a) Bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf eigenes Begehren des Versicherten vor Erreichen der Altersgrenze sowie bei Nichtwiederwahl oder Auflösung des Dienstverhältnisses aus eigenem Verschulden des Versicherten entsteht kein Anspruch auf Kassenleistungen (Art. 9 Abs. 3 EVK). Der Versicherte tritt aus der Kasse aus und bekommt eine Austrittsentschädigung. Diese entspricht den von ihm geleisteten Beiträgen und Einkaufssummen ohne Zins. Dazu kommt für jedes über vier hinausgehende volle Beitragsjahr ein Zuschlag von 4% der von ihm geleisteten Beiträge, ohne Einkaufssummen (Art. 18 EVK). Nach Vollendung des 40. Altersjahres und von 15 Beitragsjahren hat der Versicherte im übrigen das Recht, die Mitgliedschaft bei der Versicherungskasse bei unverändertem versichertem Verdienst freiwillig weiterzuführen (Art. 3 Abs. 2 EVK). b) Wird hingegen das Dienstverhältnis nicht auf Veranlassung und ohne Verschulden des Versicherten vor Erreichen der Altersgrenze aufgelöst, so hat der Versicherte Anspruch auf Versicherungsleistungen. Bei Auflösung des Dienstverhältnisses vor Vollendung des 19. Beitragsjahres erhält er eine Kapitalabfindung. Diese beträgt vor Vollendung des fünften Beitragsjahres das Doppelte der von ihm bezahlten Beiträge und den einfachen Betrag der von ihm bezahlten Einkaufssummen samt Zins gemäss Art. 40 EVK, Bei fünf vollendeten Beitragsjahren beträgt die Abfindung 150% des versicherten Jahresverdienstes; für jedes weitere vollendete Beitragsjahr steigt sie je 10% des versicherten Jahresverdienstes. Dazu
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kommt eine Erhöhung um 20% des versicherten Jahresverdienstes für jedes Kind, das im Todesfall des Versicherten Anspruch auf eine Waisenrente gehabt hätte, für alle Kinder zusammen jedoch um höchstens 100% (Art. 34). Bei Auflösung des Dienstverhältnisses nach Vollendung des 19. Beitragsjahres hat der Versicherte Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 22 EVK).
8. Die Unterscheidung zwischen selbstverschuldeter und unverschuldeter Nichtwiederwahl bzw. Auflösung des Dienstverhältnisses ergibt sich aus dem BtG (Art. 60 Abs. 2; s. auch Art. 56 Abs. 1
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genannte Gründe bestanden hätten, die weniger beim Bediensteten als bei der Verwaltung selber lägen, und dass das Verhalten des Beamten als Vorwand genommen werde, um Zwecke zu erreichen, die im Grunde und hauptsächlich aus administrativen Gesichtspunkten angestrebt würden. Umgekehrt könne der Beamte, der zufolge seines Verhaltens, für das er verantwortlich sei, der Verwaltung unzumutbar geworden sei, nicht einwenden, die Massnahme sei von ihm unverschuldet, selbst wenn sie zusätzlich durch einige Tatsachen, die ausserhalb seiner Person lägen oder für die er nicht verantwortlich sei, bedingt worden sei (nicht veröffentlichte Urteile Geiser vom 9. November 1951 E. 5; Ganz vom 30. Oktober 1940 E. 4; Schmid vom 28. Mai 1936 E. 1). d) Es rechtfertigt sich, an diesen Grundsätzen festzuhalten. Die unverschuldete Entlassung bzw. Nichtwiederwahl stellt nach der gesetzlichen Regelung ein besonders versichertes Risiko dar. Bei den Leistungen nach Art. 22 und 34 EVK handelt es sich um eigentliche Versicherungsleistungen. Diese Ordnung lässt sich nur aus dem Bedürfnis erklären, administrative Umgestaltungen zu erleichtern (zit. Urteil Ganz E. 3). Durch Einräumung eines Anspruchs auf eine Invalidenrente (Art. 22 EVK) bzw. einer besonderen Entschädigung in Form einer Kapitalabfindung (Art. 34 EVK) werden die betroffenen Bediensteten gegen die wirtschaftlichen Folgen administrativer Umgestaltungen, für die sie nicht verantwortlich sind, geschützt. e) Der Zweck dieser Ordnung erfordert, dass die Frage des Selbstverschuldens in eine enge Beziehung zum Grund für die Beendigung des Dienstverhältnisses gesetzt wird. Eine Heraufsetzung der Anforderungen an das Verschulden, etwa im Sinne von Grobfahrlässigkeit, wie dies von verschiedenen Autoren vertreten worden ist (vgl. KERN, Das Dienstrecht des Bundespersonals, Diss. Bern 1935, S. 162; WIMMER, Die Rolle des Selbstverschuldens bei der Personalversicherung des Bundes, ZSR 53/1934 S. 280 f.; JUD, Besonderheiten öffentlichrechtlicher Dienstverhältnisse nach schweizerischem Recht, insbesondere bei deren Beendigung aus nichtdisziplinarischen Gründen, Diss. Freiburg 1975, S. 250 ff.) würde dem Zweck der Regelung teilweise widersprechen, da im Falle des Art. 55
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liegen, sondern im Verhalten des Beamten, für welches er als verantwortlich gelten muss, ohne dass indessen dieses Verhalten zugleich als grobfahrlässig bezeichnet werden könnte. Eine solche restriktive Auslegung des Begriffs des Selbstverschuldens hätte ausserdem eine sachlich nicht zu rechtfertigende Besserstellung des zwar aus eigenem, nicht aber aus grobfahrlässigem Verschulden entlassenen bzw. nichtwiedergewählten Beamten gegenüber dem freiwillig aus dem Bundesdienst ausscheidenden Beamten zur Folge. Dies wäre sachlich nicht haltbar, umso mehr, als wohl in der Mehrzahl der Fälle, in denen Spannungen im Dienstverhältnis auftreten, der Beamte von sich aus die Auflösung des Dienstverhältnisses begehrt, bevor überhaupt die Frage einer administrativen Entlassung bzw. Nichtwiederwahl nach Ablauf der Amtsdauer aktuell wird. f) JUD meint, wenn bei Eintritt des Invaliditätsfalles aus Selbstverschulden die Invalidenrente des Beamten bis auf die Hälfte reduziert werden könne, bei der Nichtwiederwahl oder bei der Entlassung aus wichtigen Gründen aber bereits das geringste Verschulden des Dienstnehmers genügen würde, um Kassenleistungen auszuschliessen, so könne dies dazu führen, dass bei Vorliegen einer mitverschuldeten Dienstuntauglichkeit im einen Fall eine Invalidierung mit Anspruch auf Versicherungsleistungen eintrete und im andern Fall eine verschuldete Entlassung ohne Versorgungsleistung ausgesprochen würde (a.a.O. S. 251 f.).
In der Tat kann die Invalidenrente nach Art. 25 Abs. 4 EVK nur bei Selbstverschulden und nur um 50% gekürzt werden. Es handelt sich aber dabei um eine Sondervorschrift, die nicht ohne weiteres auf andere Fälle der selbstverschuldeten Beendigung des Dienstverhältnisses ausgedehnt werden kann. Wird eine Rente wegen Invalidität ausgesprochen, fehlt dem Betroffenen regelmässig die Möglichkeit, einem andern Arbeitserwerb nachzugehen, während in den andern Fällen der Versicherte nach der Entlassung eine andere Beschäftigung aufnehmen kann. Daher mag es Billigkeitsgründen entsprechen, den Beamten, der aus Selbstverschulden invalid geworden ist, nicht ohne irgendwelche Entschädigung zu lassen. Auch besteht die Möglichkeit, dass die Invalidität zwar selbstverschuldet ist, z.B. durch einen selbstverschuldeten Verkehrsunfall, dass aber darin nicht eine Verletzung von Dienstpflichten
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zu sehen ist, Es dürfen deshalb aus Art. 25 Abs. 4 EVK keine Schlüsse auf die Behandlung anderer Fälle von selbstverschuldeter Beendigung des Dienstverhältnisses gezogen werden.
10. ... Fiele das Fehlverhalten G.'s neben seiner beruflichen Unfähigkeit als Beendigungsgrund nur wenig ins Gewicht, so dass es für sich allein nicht Anlass zur Nichtwiederwahl gegeben hätte, wäre zu schliessen, die Nichtwiederwahl sei ohne eigenes Verschulden erfolgt. Die von G. zu verantwortenden Verhaltensweisen sind aber derart gewichtig, dass sie auch für sich allein die Nichtwiederwahl gerechtfertigt hätten, und zwar umso mehr, als eine Besserung nicht abzusehen war. Die Nichtwiederwahl hat deshalb als selbstverschuldet zu gelten. Die Beschwerde ist auch in diesem Beschwerdepunkt abzuweisen.