Urteilskopf

102 IV 196

44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Juni 1976 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
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Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 196

BGE 102 IV 196 S. 196

Aus den Erwägungen:
Die Auffassung des Beschwerdeführers, dass das neue BetmG von 1975 gegenüber demjenigen von 1951 bezüglich des Drogenkonsums milder sei, trifft nicht zu. Art. 19 des letztgenannten Gesetzes bestrafte den Konsum von Betäubungsmitteln selber nicht (BGE 95 IV 182), weshalb es insoweit
BGE 102 IV 196 S. 197

gegenüber der neuen Ordnung, die in Art. 19a Ziff. 1 den unbefugten vorsätzlichen Genuss von Drogen als Übertretung unter Strafe stellt, jedenfalls das mildere ist. Soweit die Vorinstanz die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Konsumhandlungen im engeren Sinne der alten Ordnung unterstellt haben sollte, wäre sie richtig verfahren. Anders verhält es sich jedoch bezüglich der Vorbereitungs- oder Beschaffungshandlungen, die dem Konsum vorausgehen (vgl. SJZ 1976, S. 92). Diese stehen im alten Gesetz unter schwererer Strafdrohung als im neuen (BGE 95 IV 182 /3). Art. 19a Ziff. 1
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19a - 1. Wer unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert oder wer zum eigenen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Artikel 19 begeht, wird mit Busse96 bestraft.
1    Wer unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert oder wer zum eigenen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Artikel 19 begeht, wird mit Busse96 bestraft.
2    In leichten Fällen kann das Verfahren eingestellt oder von einer Strafe abgesehen werden. Es kann eine Verwarnung ausgesprochen werden.
3    Untersteht oder unterzieht sich der Täter wegen Konsums von Betäubungsmitteln einer ärztlich beaufsichtigten Betreuung, so kann von einer Strafverfolgung abgesehen werden. Das Strafverfahren wird durchgeführt, wenn sich der Täter der Betreuung oder der Behandlung entzieht.
4    Ist der Täter von Betäubungsmitteln abhängig, so kann ihn das Gericht in eine spezialisierte Einrichtung einweisen. Die Artikel 60 und 63 des Strafgesetzbuchs97 gelten sinngemäss.98
BetmG ahndet sie nicht mehr als Vergehen, sondern bloss als Übertretungen, soweit sie dem Eigenkonsum dienen, und wo es sich um geringfügige Mengen handelt, kann die Vorbereitung zum Selbstkonsum gemäss Art. 19b
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19b - 1 Wer nur eine geringfügige Menge eines Betäubungsmittels für den eigenen Konsum vorbereitet oder zur Ermöglichung des gleichzeitigen und gemeinsamen Konsums einer Person von mehr als 18 Jahren unentgeltlich abgibt, ist nicht strafbar.
1    Wer nur eine geringfügige Menge eines Betäubungsmittels für den eigenen Konsum vorbereitet oder zur Ermöglichung des gleichzeitigen und gemeinsamen Konsums einer Person von mehr als 18 Jahren unentgeltlich abgibt, ist nicht strafbar.
2    10 Gramm eines Betäubungsmittels des Wirkungstyps Cannabis gelten als geringfügige Menge.100
BetmG sogar straflos bleiben. Gleicherweise bleibt das unentgeltliche Abgeben geringer Mengen zur Ermöglichung des gleichzeitigen und gemeinsamen Konsums nunmehr ohne Strafe. Die Vorinstanz hat jedoch alle eingeklagten Widerhandlungen gegen die Betäubungsmittelgesetzgebung dem Gesetz von 1951 unterstellt, mit der Begründung, dass gegenüber dem Drogenhandel die "Konsumhandlungen" in den Hintergrund träten und gesamthaft betrachtet der Beschwerdeführer nach dem alten Recht besser fahre. Dieses Vorgehen ist nicht richtig. Die Konsumhandlungen stellen neben dem Drogenhandel selbständige Tatbestände dar, die unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB auch ein durchaus eigenes Schicksal haben können (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 26. März 1976 i.S. R.) Dem stehen BGE 68 IV 130 und 78 IV 129 keineswegs entgegen. Das darin ausgesprochene Verbot der kombinierten Anwendung des alten und des neuen Rechts hat Bezug auf ein und dieselbe Tat. Es soll damit vermieden werden, dass hinsichtlich eines Deliktes z.B. dessen Qualifikation nach altem, die Sanktion sich aber nach neuem Recht richte. Hier geht es jedoch nicht bloss bezüglich Drogenhandel einerseits und Konsumhandlungen anderseits um im Gesetz selber unterschiedene Tatbestände, sondern es stellen auch die Konsumhandlungen im weiteren Sinne unter sich verschiedene rechtliche Einheiten dar (z.B. Vorbereitungs-, Beschaffungshandlungen und eigentlicher Drogenkonsum).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 102 IV 196
Datum : 03. Juni 1976
Publiziert : 31. Dezember 1976
Quelle : Bundesgericht
Status : 102 IV 196
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 19. 19a Ziff. 1, 19b des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel vom 20. März 1975. Ausser dem Drogenhandel erfasst


Gesetzesregister
BetmG: 19 
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
1    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  Betäubungsmittel unbefugt anbaut, herstellt oder auf andere Weise erzeugt;
b  Betäubungsmittel unbefugt lagert, versendet, befördert, einführt, ausführt oder durchführt;
c  Betäubungsmittel unbefugt veräussert, verordnet, auf andere Weise einem andern verschafft oder in Verkehr bringt;
d  Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt;
e  den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln finanziert oder seine Finanzierung vermittelt;
f  öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich eine Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekannt gibt;
g  zu einer Widerhandlung nach den Buchstaben a-f Anstalten trifft.
2    Der Täter wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn er:92
a  weiss oder annehmen muss, dass die Widerhandlung mittelbar oder unmittelbar die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann;
b  als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung des unerlaubten Betäubungsmittelhandels zusammengefunden hat;
c  durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt;
d  in Ausbildungsstätten vorwiegend für Jugendliche oder in ihrer unmittelbaren Umgebung gewerbsmässig Betäubungsmittel anbietet, abgibt oder auf andere Weise zugänglich macht.
3    Das Gericht kann in folgenden Fällen die Strafe nach freiem Ermessen mildern:
a  bei einer Widerhandlung nach Absatz 1 Buchstabe g;
b  bei einer Widerhandlung nach Absatz 2, wenn der Täter von Betäubungsmitteln abhängig ist und diese Widerhandlung zur Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums hätte dienen sollen.
4    Nach den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 ist auch strafbar, wer die Tat im Ausland begangen hat, sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist. Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist dieses anzuwenden. Artikel 6 des Strafgesetzbuches93 ist anwendbar.
19a 
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19a - 1. Wer unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert oder wer zum eigenen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Artikel 19 begeht, wird mit Busse96 bestraft.
1    Wer unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert oder wer zum eigenen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Artikel 19 begeht, wird mit Busse96 bestraft.
2    In leichten Fällen kann das Verfahren eingestellt oder von einer Strafe abgesehen werden. Es kann eine Verwarnung ausgesprochen werden.
3    Untersteht oder unterzieht sich der Täter wegen Konsums von Betäubungsmitteln einer ärztlich beaufsichtigten Betreuung, so kann von einer Strafverfolgung abgesehen werden. Das Strafverfahren wird durchgeführt, wenn sich der Täter der Betreuung oder der Behandlung entzieht.
4    Ist der Täter von Betäubungsmitteln abhängig, so kann ihn das Gericht in eine spezialisierte Einrichtung einweisen. Die Artikel 60 und 63 des Strafgesetzbuchs97 gelten sinngemäss.98
19b
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19b - 1 Wer nur eine geringfügige Menge eines Betäubungsmittels für den eigenen Konsum vorbereitet oder zur Ermöglichung des gleichzeitigen und gemeinsamen Konsums einer Person von mehr als 18 Jahren unentgeltlich abgibt, ist nicht strafbar.
1    Wer nur eine geringfügige Menge eines Betäubungsmittels für den eigenen Konsum vorbereitet oder zur Ermöglichung des gleichzeitigen und gemeinsamen Konsums einer Person von mehr als 18 Jahren unentgeltlich abgibt, ist nicht strafbar.
2    10 Gramm eines Betäubungsmittels des Wirkungstyps Cannabis gelten als geringfügige Menge.100
StGB: 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
BGE Register
102-IV-196 • 68-IV-129 • 78-IV-127 • 95-IV-179
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
begründung des entscheids • kassationshof • konsum • menge • richtigkeit • sanktion • sorte • stelle • strafbare handlung • vorinstanz
SJZ
1976 S.92