102 Ia 185
29. Urteil vom 4. Februar 1976 i.S. Genossenschaft Migros St. Gallen gegen Grossen Rat sowie Landammann und Standeskommission des Kantons Appenzell I. Rh.
Regeste (de):
- Art. 84 Abs. 1 OG, Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde.
- Begriff der "kantonalen Erlasse oder Verfügungen" im Sinne von Art. 84 Abs. 1 OG. Eine an die Gemeinden gerichtete Weisung der kantonalen Behörde, über eine bestimmte baurechtliche Frage Rechtsnormen zu erlassen, greift nicht in die Rechtsstellung des Bürgers ein und ist daher nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar. Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise auch derartige interne Anordnungen Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde bilden können.
Regeste (fr):
- Art. 84 al. 1 OJ; objet d'un recours de droit public.
- Notion de la décision ou de l'arrêté cantonal au sens de l'art. 84 al. 1 OJ. Un ordre donné aux communes, par l'autorité cantonale, d'édicter des règles de droit sur un point précis en matière de constructions ne constitue pas une atteinte à la situation juridique du citoyen et ne peut pas être attaqué par la voie d'un recours de droit public. Conditions auxquelles de tels ordres internes peuvent exceptionnellement faire l'objet d'un recours de droit public.
Regesto (it):
- Art. 36 cpv. 1 OG; oggetto di un ricorso di diritto pubblico.
- Nozione di "decisioni e decreti cantonali" ai sensi dell'art. 84 cpv. 1 OG. Un ordine dato dall'autorità cantonale ai comuni di emanare norme di diritto su un punto preciso in materia edilizia non incide sulla situazione giuridica del cittadino e non può quindi essere impugnato con ricorso di diritto pubblico. Condizioni alle quali tali ordini interni possono eccezionalmente costituire l'oggetto di un ricorso di diritto pubblico.
Sachverhalt ab Seite 186
BGE 102 Ia 185 S. 186
Die Genossenschaft Migros St. Gallen beabsichtigt, auf ihrem Grundstück in der Industriezone von Appenzell einen Migros-Markt zu errichten, dem noch einige Detailverkaufsgeschäfte angegliedert werden sollen. Die Feuerschaugemeinde Appenzell erteilte hiefür am 21. April 1975 die Baubewilligung, wogegen verschiedene private Einsprecher bei der Standeskommission rekurrierten; diese Rekursverfahren sind noch hängig. Auf Antrag der Hauptleutekonferenz fasste der Grosse Rat des Kantons Appenzell I.Rh. am 9. Juni 1975 folgenden Beschluss: "12.1. Erstellung eines Einkaufszentrums in Appenzell:
... Mit 30 gegen 12 Stimmen und einigen Enthaltungen wird der Antrag der Hauptleutekonferenz gutgeheissen, und damit ist die Feuerschaugemeinde Appenzell zu verpflichten, in bezug auf den Bau des Einkaufszentrums im untern Ziel in Appenzell und für den Bau künftiger Einkaufszentren Pläne und Reglemente zu erlassen, die insbesondere Bau und Betrieb von sogenannten Satelliten-Läden unterbinden. Diese Verfügung soll an alle Gemeinden (Baubewilligungsbehörden) ergehen." Mit Schreiben vom 24. Juni 1975 gab die Standeskommission diese Weisung des Grossen Rates der Feuerschaugemeinde Appenzell bekannt mit der Aufforderung, die entsprechenden Massnahmen zu treffen. Die Migros, der das Schreiben der Standeskommission im Doppel zugestellt wurde, führt wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit, der Eigentumsgarantie sowie von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Erwägungen
Erwägungen:
1. (Beschwerdefrist)
2. Nach Art. 84 Abs. 1 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde zulässig gegen "kantonale Erlasse oder Verfügungen (Entscheide)". Das Recht zur Beschwerdeführung steht
BGE 102 Ia 185 S. 187
Bürgern (Privaten) und Korporationen aber nur "bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemeinverbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben" (Art. 88
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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BGE 102 Ia 185 S. 188
weitern auch nicht so, dass die Beschwerdeführerin den indirekten Aussenwirkungen und Folgen, welche die streitige Weisung allenfalls haben mag, mangels eines anderweitigen formellen Angriffobjektes praktisch schutzlos ausgeliefert wäre, wenn sie nicht schon die an die Gemeinde gerichtete interne Anordnung anfechten könnte (vgl. BGE 98 Ia 510 f. E. 1). Wohl ist damit zu rechnen, dass diese Anordnung das - zur Zeit bei der kantonalen Rekursinstanz hängige - Baubewilligungsverfahren zumindest verzögern wird und der Migros hieraus ein erheblicher Nachteil erwachsen kann. Die Beschwerdeführerin kann sich jedoch gegen eine Sistierung des Baubewilligungsverfahrens wie auch gegen eine etwaige Bausperre mit den zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln gesondert zur Wehr setzen und die Zulässigkeit einer derartigen Massnahme (vgl. u.a. Art. 10 und 48 des kant. Baugesetzes) überprüfen lassen. Auf die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht einzutreten.