Urteilskopf

102 Ia 179

28. Auszug aus dem Urteil vom 14. Juli 1976 i.S. Schiesser gegen Bezirksanwaltschaft Winterthur und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 179

BGE 102 Ia 179 S. 179

Friedrich Schiesser steht im dringenden Verdacht, eine Reihe von Einbrüchen begangen bzw. versucht zu haben. Wegen Kollusionsgefahr wurde er mit Verfügung der Bezirksanwaltschaft Winterthur in Untersuchungshaft versetzt. Einen gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ab. Gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft erhebt Schiesser staatsrechtliche Beschwerde, u.a. wegen Verletzung von Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK. Dabei wird geltend gemacht, die zürcherische Bezirksanwaltschaft sei keine richterliche Behörde im Sinne dieser Bestimmung. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.

BGE 102 Ia 179 S. 180

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK, weil er nach der Festnahme keinem Richter vorgeführt worden sei. Sinngemäss wird damit behauptet, die zürcherische Bezirksanwaltschaft als Untersuchungsbehörde sei kein richterliches oder "gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen" ermächtigtes Organ. a) Die Auslegung dieser Bestimmung ist in der Doktrin umstritten (vgl. TRECHSEL, Die Europäische Menschenrechtskonvention, ihr Schutz der persönlichen Freiheit und die schweizerischen Strafprozessrechte, Bern 1974, S. 251 f.). Die Europäische Menschenrechtskommission hat in einem Fall die Frage offen gelassen, ob der niederländische "officier van justitie", der staatsanwaltschaftliche Funktionen ausübt, ein richterliches Organ im Sinne von Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK ist (Beschwerdeentscheid der Kommission Nr. 2894/66 i.S. X c. Niederlande vom 6.10.1966, Rec. de décisions 21 S. 53; TRECHSEL, a.a.O. S. 252). Einigkeit scheint immerhin darüber zu bestehen, dass das zuständige Organ zu unparteilicher Entscheidung berufen, an keine Weisungen gebunden und nur dem Gesetz verpflichtet sein darf (TRECHSEL, a.a.O., S. 252 f.; SCHUBARTH, Die Art. 5 und 6 der Konvention, insbesondere im Hinblick auf das schweizerische Strafprozessrecht, ZSR NF Bd. 94 1975 S. 486 N. 83b; BISCHOFBERGER, Die Verfahrensgarantien der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 5 und 6) in ihrer Einwirkung auf das schweizerische Strafprozessrecht, Diss. Zürich 1972, S. 220).
Diese Auslegung deckt sich mit dem Wortsinn von "Richter" bzw. "richterlich" ganz allgemein im Verfahrensrecht. Massgebend für die Charakterisierung einer Tätigkeit als richterliche ist in erster Linie die Unabhängigkeit der in dieser Eigenschaft handelnden Organe, und zwar gegenüber den andern Staatsgewalten, anderen Trägern von Funktionen der Rechtspflege und Stellen und Gruppen des öffentlichen Lebens (HAUSER, Grundzüge des Strafprozessrechts, St. Gallen 1974, S. 23 f.; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. Aufl. S. 30 ff.; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht,
BGE 102 Ia 179 S. 181

2. Aufl., S. 2 ff.; EICHENBERGER, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, Bern 1960, insbes. S. 23 ff.). Der Wortlaut von Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK bringt nun allerdings zum Ausdruck, dass es die Richterqualität und die richterliche Unabhängigkeit nicht im Sinne des rechtsstaatlichen Gewaltenteilungsprinzips (EICHENBERGER, a.a.O., S. 64 ff.) versteht, d.h. im Sinne organisatorisch und personell getrennter Organe zur Ausübung der staatlichen Tätigkeiten. Die Bestimmung nennt als zur Vernehmung des Angeschuldigten zuständige Instanz ausdrücklich nicht nur den "Richter", der aufgrund seines beruflichen Status und seiner von der gesetzgebenden und ausführenden Gewalt unabhängigen Stellung zur richterlichen Entscheidung berufen ist, sondern auch den "magistrat" (officer), der "gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigt" ist. - Dies kann nur so verstanden werden, dass auch ihrer Stellung nach administrative Organe mit der Konvention vereinbar sind, soweit sie richterliche Funktionen ausüben, d.h. in dieser Eigenschaft unabhängig entscheiden. Nach Art. 5 Ziff. 3
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EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK ist also nicht in erster Linie die organisatorische Stellung, sondern die auszuübende Funktion ausschlaggebend. Damit ist gleichzeitig gesagt, dass die Ausübung verschiedener, d.h. untersuchungsrichterlicher neben anderen Funktionen der Strafrechtspflege oder administrativer Aufgaben in Personalunion durch die genannte Bestimmung grundsätzlich nicht ausgeschlossen wird. Unabdingbar ist allerdings, dass die organisatorische Stellung oder die Ausübung einer Mehrzahl von Funktionen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als Untersuchungsrichter nicht rechtlich oder faktisch in einem solchen Mass beeinträchtigen, dass von einer richterlichen Tätigkeit nicht mehr gesprochen werden kann. Diese Auffassung wird gestützt durch die Auslegung von Art. 5 Ziff. 3
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EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
im Verhältnis zu Art. 6
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK. Gemäss Art. 6 Ziff. 1 hat jedermann Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist vom zum Entscheid zuständigen "unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht" (independent and impartial tribunal established by law/tribunal indépendant et impartial, établi par la loi) angehört zu werden. Es wird allgemein anerkannt, dass unter einem "Gericht" (tribunal) im Sinne der zit. Bestimmung eine selbständige,
BGE 102 Ia 179 S. 182

von den andern staatlichen Gewalten organisatorisch und personell losgetrennte Behörde zu verstehen ist (Bericht des Bundesrats an die Bundesversammlung über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, vom 9.12.1968, BBl 1968 II S. 1097 mit Anm. 4; BISCHOFBERGER, a.a.O., S. 43 f. und zit. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte; SCHORN, Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Kommentar, Frankfurt a.M. 1965, Art. 6 Abs. 1
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EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
Satz 1, N. 17 S. 185). Man kann mit guten Gründen annehmen, die Schöpfer der Konvention hätten in Art. 5 Ziff. 3
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EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK die gleiche Formulierung wie in Art. 6 Ziff. 1 gewählt, wenn sie dem Angeschuldigten eine in bezug auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der zuständigen Behörde ebenso weitgehende Garantie hätten vermitteln wollen. Statt dessen ergibt sich aus der Formulierung in Art. 5 Ziff. 3 unmissverständlich, dass in diesem Zusammenhang nicht die Unabhängigkeit aufgrund der organisatorischen Stellung, sondern die Zuständigkeit zu selbständiger Entscheidung im betreffenden Funktionsbereich ausschlaggebend sein soll. Offensichtlich will die in Frage stehende Bestimmung in erster Linie verhindern, dass die Anhörung in den Händen untergeordneter, weisungsabhängiger Beamter insbesondere der gerichtlichen Polizei liegt (vgl. BISCHOFBERGER, a.a.O., S. 221). Es sollen gewisse Mindestanforderungen an die zur Anhörung zuständige Behörde verbürgt sein.- Der Unterschied, der im Wortlaut im Verhältnis zu Art. 6 Ziff. 1
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EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK zum Ausdruck kommt, ist auch von der Sache her gerechtfertigt. Die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit ist im Beurteilungsstadium von weit grösserer Tragweite als im Untersuchungsstadium.
Ebenso unterscheidet sich die Formulierung in Art. 5 Ziff. 3
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EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK von der Umschreibung der zur Haftprüfung gemäss Art. 5 Ziff. 4 der Konvention zuständigen Behörde, nämlich "tribunal" nach dem französischen Originaltext, "court" nach dem englischen Originaltext, in deutscher Übersetzung "Gericht". Es kann offen bleiben, ob die Anforderungen an das Verfahren in Art. 5 Ziff. 4
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EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
und Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK die gleichen sind; sicher ist jedenfalls, dass die zitierten Bestimmungen - im Unterschied zu Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK - insoweit übereinstimmen, als die zuständige Behörde ein richterliches,
BGE 102 Ia 179 S. 183

von der Exekutive und den Parteien unabhängiges Organ sein muss (TRECHSEL, a.a.O., S. 237 ff.; BISCHOFBERGER, a.a.O., S. 231, der den Unterschied zu Art. 5 Ziff. 3 hervorhebt; CASTBERG, The European Convention on human rights, Leiden 1974, S. 103; JACOBS, The European Convention on human rights, Oxford 1975, S. 73; Die Menschenrechte in der Praxis des Europarates, 1955-1967, Wien/Stuttgart 1972, S. 42 ff.). b) Die zürcherische Bezirksanwaltschaft ist Ermittlungs- und Untersuchungsbehörde unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft (zürch. Gerichtsverfassungsgesetz GVG vom 29. Januar 1911, § 94 Ziff. 1; HAUSER/HAUSER, Kommentar zum GVG, § 94 Anm. 1 I Ziff. 1, 2; § 105 Anm. 1 I Ziff. 2, III) sowie Anklagebehörde beim Einzelrichter in Strafsachen und beim Bezirksgericht (§ 93 Ziff. 1 GVG; HAUSER/HAUSER, a.a.O., § 93 Anm. 2); sie hat schliesslich Strafbefehlskompetenz gemäss § 317 ff. der zürcherischen Strafprozessordnung (StPO) vom 4 Mai 1919. Im vorliegenden Fall ist die Bezirksanwaltschaft Winterthur ausschliesslich als Untersuchungsbehörde tätig geworden. Es stellt sich die Frage, ob die genannte Behörde in dieser Eigenschaft eine richterliche Funktion im Sinne von Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK ausgeübt hat. Als Untersuchungsbehörde hat die Bezirksanwaltschaft gemäss § 31 StPO den belastenden und entlastenden Tatsachen mit gleicher Sorgfalt nachzuforschen, und nach Abschluss der Untersuchung in völliger Unbefangenheit und Unparteilichkeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Anklageerhebung gegeben sind. Die Untersuchung ist keineswegs einseitig auf das Ziel der Anklageerhebung ausgerichtet, sondern schliesst die Möglichkeit der Entlastung des Angeschuldigten gleichwertig in sich. Damit charakterisiert sich die Tätigkeit der Bezirksanwaltschaft im Verfahrensstadium der Untersuchung als untersuchungsrichterliche im eigentlichen Sinne des Wortes. Dies wird dann besonders deutlich, wenn die Funktionen der Untersuchungs- und Anklagebehörde auch personell getrennt sind, d.h. wenn - wie im vorliegenden Fall - die allfällige Anklage mit grosser Wahrscheinlichkeit durch die Staatsanwaltschaft vor Geschworenengericht vertreten wird (§ 37 StPO). Unmassgebend ist, dass die Bezirksanwaltschaft der Verwaltungshierarchie inkorporiert, somit nach ihrer organisatorischen
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Stellung eine Verwaltungsbehörde ist (HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 259 f.). Denn sie übt im Verfahrensstadium der Untersuchung keine Administrativtätigkeit aus, sondern erfüllt eine richterliche Funktion. Es ist ihr ein Stück Rechtspflege anvertraut (HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 260). Sodann kommt in der Bestimmung über die Volkswahl der Bezirksanwälte (§ 99 Abs. 3 GVG) zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber diesem Organ auch in der Form der Bestellung im Verhältnis zur Exekutive und zur Verwaltung eine gewisse Unabhängigkeit zuerkennen wollte. Auch die Tatsache, dass die Bezirksanwaltschaft während der Untersuchung - sowohl allgemeinen hinsichtlich der Art und Weise ihrer Tätigkeit wie mit Bezug auf den einzelnen Straffall (Einleitung, Führung und Einstellung der Untersuchung) - der Weisungskompetenz der Staatsanwaltschaft unterstellt ist (§ 105 GVG, § 27, 39 StPO; HAUSER/HAUSER, a.a.O., S. 259 f.; HUBER, Die Stellung des Beschuldigten - insbesondere seine Rechte - in der Strafuntersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1974, S. 14 Anm. 64), steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Entscheidend ist, dass auch die Staatsanwaltschaft als Aufsichtsinstanz im Verfahrensstadium der Untersuchung eine untersuchungsrichterliche Funktion erfüllt und erst mit der allfälligen Überweisung der Strafsache an die Urteilsbehörde die Rolle des Anklägers mit Parteistellung im Beurteilungsverfahren annimmt. Für die Untersuchung gilt, was bereits für die Bezirksanwaltschaft als Untersuchungsbehörde gesagt worden ist: Die Staatsanwaltschaft als untersuchungsrichterliche Aufsichtsbehörde ist wie die eigentliche Untersuchungsbehörde zur Unparteilichkeit und zur Objektivität verpflichtet. § 31 StPO gilt seinem Wortlaut gemäss für jede untersuchungsrichterliche Tätigkeit, somit auch für die Staatsanwaltschaft im Verfahrensstadium der Untersuchung, ob sie nun als eigentliche Untersuchungsbehörde (§ 27 2. Satz StPO) oder als untersuchungsrichterliche Aufsichtsinstanz (§ 27 1. Satz StPO) handelt. Ziel der Untersuchung ist die Erforschung der materiellen Wahrheit, ob sie nun belastend (Anklage) oder entlastend (Einstellung) für den Angeschuldigten wirkt. Somit ist die zürcherische Bezirksanwaltschaft in ihrer untersuchungsrichterlichen Tätigkeit zwar weisungsgebunden, demnach von einer andern Behörde abhängig, die aber ihrerseits
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in diesem Verfahrensstadium eine richterliche Funktion im Sinne von Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK erfüllt. Das Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft und das entsprechende Rekursrecht des Angeschuldigten gegen das Verfahren und die Verfügungen der Bezirksanwaltschaft bei dieser Behörde (§ 402 Ziff. 1 StPO) dienen nicht der Einflussnahme des Anklägers auf den Gang der Untersuchung, sondern offensichtlich einem verstärkten Rechtsschutz des Angeschuldigten schon im Stadium der Untersuchung. Demzufolge hat die Bezirksanwaltschaft Winterthur im vorliegenden Fall als richterähnliches Organ im Sinne von Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK gehandelt, und die Rüge der Verletzung der Konvention ist auch in dieser Hinsicht unbegründet.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 102 IA 179
Datum : 14. Juli 1976
Publiziert : 31. Dezember 1976
Quelle : Bundesgericht
Status : 102 IA 179
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Art. 5 Ziff. 3 EMRK, Untersuchungshaft Die zürcherische Bezirksanwaltschaft übt im Verfahrensstadium der Untersuchung richterliche


Gesetzesregister
EMRK: 5 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
BGE Register
102-IA-179
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
funktion • untersuchungsrichter • eigenschaft • frage • richterliche behörde • europäische konvention • strafsache • exekutive • untersuchungshaft • anklage • entscheid • autonomie • strafuntersuchung • beschuldigter • verfahrensgarantie • verfahren • staatsanwalt • strafprozess • einstellung der untersuchung • schweizerische strafprozessordnung
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BBl
1968/II/1097