101 V 173
35. Auszug aus dem Urteil vom 18. August 1975 i.S. Leutenegger gegen Eidgenössische Militärversicherung und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Regeste (de):
- Nachforderung von Leistungen (Art. 15 Abs. 2
MVG).
- Ist die Anmeldung bei der Militärversicherung aus Irrtum über deren Leistungspflicht unterblieben, so kann sich die Frage, ob der kranke Versicherte auf die Leistungen stillschweigend verzichtet habe, nur stellen, wenn ihm die Möglichkeit kausalen Zusammenhanges seines Leidens mit schädigenden Einwirkungen während des Dienstes bewusst war.
Regeste (fr):
- Réclamation de prestations (art. 15 al. 2 LAM).
- Lorsque l'assuré ne s'est pas annoncé à l'assurance militaire parce qu'il était dans l'erreur quant aux obligations de celle-ci, la question de savoir s'il a renoncé tacitement aux prestations ne peut se poser que s'il avait conscience de la possibilité d'une relation de cause à effet entre l'atteinte à sa santé et les influences dommageables subies pendant le service.
Regesto (it):
- Ricupero di prestazioni (art. 15 cpv. 2 LAM).
- Ove l'assicurato abbia tralasciato di annunciarsi all'assicurazione militare per errore quanto agli obblighi di essa, una rinuncia tacita alle prestazioni di essa può entrare in linea di conto soltanto se gli era nota la possibilità di una relazione causale fra l'affezione e le influenze nocive subite durante il servizio.
Erwägungen ab Seite 173
BGE 101 V 173 S. 173
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. a) Nach Art. 15
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SR 831.10 Legge federale del 20 dicembre 1946 sull'assicurazione per la vecchiaia e per i superstiti (LAVS) LAVS Art. 46 Ricupero di rendite e assegni per grandi invalidi non riscossi - 1 Il diritto al pagamento arretrato è disciplinato nell'articolo 24 capoverso 1 LPGA237. |
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1 | Il diritto al pagamento arretrato è disciplinato nell'articolo 24 capoverso 1 LPGA237. |
2 | Se l'assicurato fa valere il diritto a un assegno per grandi invalidi più di dodici mesi dopo il sorgere di tale diritto, l'assegno gli è pagato soltanto per i dodici mesi precedenti la richiesta, in deroga all'articolo 24 capoverso 1 LPGA. Sono accordati pagamenti retroattivi per periodi più lunghi, se l'assicurato non poteva conoscere i fatti determinanti il suo diritto alle prestazioni e se egli presenta la sua richiesta entro dodici mesi a partire dal momento in cui ha avuto conoscenza di tali fatti. |
3 | Il Consiglio federale può limitare o escludere, in deroga all'articolo 24 capoverso 1 LPGA, il pagamento di rendite ordinarie di vecchiaia arretrate, per le quali vale il rinvio. |
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SR 831.20 Legge federale del 19 giugno 1959 sull'assicurazione per l'invalidità (LAI) LAI Art. 48 Ricupero di prestazioni arretrate - 1 Se l'assicurato fa valere il diritto a un assegno per grandi invalidi, a provvedimenti sanitari o a mezzi ausiliari più di 12 mesi dopo la nascita di tale diritto, la prestazione gli è dovuta, in deroga all'articolo 24 capoverso 1 LPGA303, soltanto per i 12 mesi precedenti la richiesta. |
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1 | Se l'assicurato fa valere il diritto a un assegno per grandi invalidi, a provvedimenti sanitari o a mezzi ausiliari più di 12 mesi dopo la nascita di tale diritto, la prestazione gli è dovuta, in deroga all'articolo 24 capoverso 1 LPGA303, soltanto per i 12 mesi precedenti la richiesta. |
2 | La prestazione arretrata è corrisposta per un periodo più lungo se l'assicurato: |
a | non poteva conoscere i fatti determinanti il suo diritto alle prestazioni; e |
b | fa valere il suo diritto entro 12 mesi dal momento in cui è venuto a conoscenza di tali fatti. |
BGE 101 V 173 S. 174
sei es "äusserst schwierig zu bestimmen, wie hoch der Verdienst und die Erwerbsunfähigkeit des Versicherten vor 10, 20 oder sogar 30 Jahren waren" (Botschaft des Bundesrates vom 26. März 1963, BBl 1963 I 855). c) Nach der schon vor Einführung des Art. 15 Abs. 2
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Danach sind an die Annahme eines stillschweigenden Verzichts auf Versicherungsleistungen strenge Anforderungen zu stellen. Dies gilt bezüglich der Geldleistungen seit Einführung von Art. 15 Abs. 2
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2. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Militärversicherung die Ausrichtung des Krankengeldes auf Ende Mai 1950 eingestellt und dem Versicherten zunächst mit Schreiben vom 2. Oktober 1961 mitgeteilt hat, der Fall gelte als vorläufig abgeschlossen "unter Wahrung der gesetzlichen Rechte für die Zukunft". Der Versicherte blieb in der Folge jedoch weiterhin unter spezialärztlicher Kontrolle, letztmals am 4. September 1964. Mit Bericht vom 19. Oktober 1964 teilte Dr. E. der Militärversicherung mit, eine weitere Behandlung sei zur Zeit nicht nötig und es seien keine Untersuchungen mehr notwendig. Hierauf schloss die Militärversicherung
BGE 101 V 173 S. 175
den Fall endgültig ab; offenbar ohne dem Versicherten eine weitere Mitteilung zukommen zu lassen. Am 2. August 1971 stellte der Beschwerdeführer das Begehren um Ausrichtung einer Rente unter Hinweis auf einen seit 1967 eingetretenen gesundheitlich bedingten Rückgang der Leistungsfähigkeit. In der Folge verlangte er die rückwirkende Nachzahlung der Rente auf 5 Jahre gemäss Art. 15 Abs. 2
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Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass ein stillschweigender Verzicht des Beschwerdeführers zum vorneherein nicht daraus abgeleitet werden kann, dass ihm der Kausalzusammenhang zwischen der ursprünglichen dienstlichen Erkrankung und dem späteren Leiden "hätte bekannt sein sollen". Im vorliegenden Zusammenhang kann es nicht auf irgendwelche Sorgfaltspflichten ankommen. Ist glaubhaft, dass die Anmeldung zufolge eines Irrtums über die Leistungspflicht der Militärversicherung - sei es in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht - unterblieb, darf daraus nicht der Schluss auf einen (stillschweigenden) Verzicht auf Versicherungsleistungen gezogen werden. Nur wenn dem Versicherten dieser Zusammenhang zumindest als Möglichkeit bewusst gewesen ist, kann sich die Frage stellen, ob stillschweigender Verzicht anzunehmen sei. b) In der erstinstanzlichen Vernehmlassung machte die Militärversicherung geltend, im Rentenbegehren vom 2. August 1971 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, seit der seinerzeitigen Erkrankung habe er ständig an Katarrh, Husten, Bronchitis und Auswurf gelitten. Daraus gehe "unwiderlegbar hervor, dass der Kläger über seine Gesundheitsschäden, die von der Lungentuberkulose herrührten ... hinlänglich orientiert
BGE 101 V 173 S. 176
war"; es gehe daher nicht an, "nun plötzlich Unwissenheit geltend machen zu wollen und sich gleichsam als Opfer der Ärzte, die angeblich für die Versäumnis einer Wiederanmeldung verantwortlich sein sollen, darzustellen". In gleichem Sinne interpretiert die Militärversicherung in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Aussage des Beschwerdeführers, wonach er fest überzeugt sei, dass sein heutiger Gesundheitszustand einzig auf die damalige Lungenerkrankung zurückzuführen sei. Mit dieser Begründung übersieht die Militärversicherung, dass die vom Beschwerdeführer in der Anmeldung vom 2. August 1971 geäusserte Überzeugung vom Kausalzusammenhang zwischen der seinerzeitigen dienstlichen Erkrankung und den später aufgetretenen Leiden noch nicht den Schluss zulässt, dass er sich dieses Zusammenhanges schon vor Jahren bewusst gewesen war. Im übrigen steht fest, dass auch nach ärztlicher Auffassung nicht völlige Klarheit herrschte in Bezug auf den Kausalzusammenhang zwischen den später aufgetretenen Leiden und der dienstlichen Erkrankung. Umso weniger durfte beim Beschwerdeführer die klare Kenntnis der Zusammenhänge vorausgesetzt und daraus der Schluss auf einen stillschweigenden Verzicht auf Versicherungsleistungen gezogen werden. c) Der Beschwerdeführer weist in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Recht darauf hin, dass nach bisheriger Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts ein stillschweigender Verzicht regelmässig nur angenommen wurde, wenn nach den konkreten Umständen hiefür besondere Gründe vorhanden waren. So ging in dem von der Militärversicherung erwähnten Urteil vom 2. April 1962 i.S. Schmid aus Äusserungen des Versicherten klar hervor, dass sich dieser des möglichen Kausalzusammenhanges zwischen den Leiden und der Dienstleistung bewusst gewesen war, jedoch im Hinblick auf einen befürchteten Verlust der Krankenkassenmitgliedschaft auf eine Anmeldung bei der Militärversicherung verzichtet hatte. Entgegen der Auffassung der Militärversicherung fehlen im vorliegenden Fall vergleichbare Gründe zur Annahme eines Verzichts auf Versicherungsleistungen. Anlässlich der Einstellung der MV-Leistungen im Jahre 1964 hatte sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vorübergehend gebessert, weshalb auch kein Anlass zu weiteren Leistungsbegehren bestanden
BGE 101 V 173 S. 177
hatte. Später, als eine erneute ärztliche Behandlung notwendig wurde, hielten ihn offenbar die Leistungen der Krankenkasse von einem Leistungsbegehren bei der Militärversicherung ab. Dieser Umstand könnte allenfalls in Bezug auf Krankenpflege- und Krankengeldleistungen als Verzichtsgrund gelten, nicht aber hinsichtlich des Rentenanspruchs. Es bestehen jedenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, der Beschwerdeführer habe in der Zeit vor August 1971 auf Rentenleistungen der Militärversicherung verzichten wollen; vielmehr liegt die Annahme nahe, er habe die Anmeldung allein aus Unkenntnis der Anspruchsmöglichkeit unterlassen ...