BGE-101-IV-266
Urteilskopf
101 IV 266
60. Urteil des Kassationshofes vom 20. November 1975 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau gegen V.
Regeste (de):
- Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
- 1. Der Richter darf nicht von der Verwahrung absehen, weil der Täter im Ausland ebenfalls ein Strafverfahren zu gewärtigen hat und zu diesem Zweck auszuliefern sein wird (Erw. 2b).
- 2. Bedeutung der Schwere der früheren Straftaten (Erw. 3a).
- 3. Wann sind im Ausland begangene Straftaten bzw. daselbst verbüsste Strafen oder durchgeführte Massnahmen zu berücksichtigen? (Erw. 3b.)
Regeste (fr):
- Art. 42 CP. Internement.
- 1. Le juge ne peut renoncer à prononcer l'internement pour le motif que l'auteur est l'objet d'une poursuite pénale à l'étranger et que de ce fait il devra être extradé (consid. 2b).
- 2. Poids des antécédents (consid. 3a).
- 3. Quand faut-il prendre en considération des infractions intentionnelles commises à l'étranger, en raison desquelles des peines ou des mesures de sûreté ont été subies? (consid. 3b.)
Regesto (it):
- Art. 42 CP. Internamento.
- 1. Il giudice non può rinunciare a ordinare l'internamento perché l'agente è soggetto ad una procedura penale all'estero e dovrà per tale ragione essere estradato (consid. 2b).
- 2. Rilevanza della gravità dei reati commessi in precedenza (consid. 3a).
- 3. Quando dev'essere tenuto conto di reati intenzionali commessi all'estero e di pene o misure colà subite? (Consid. 3b.)
Sachverhalt ab Seite 266
BGE 101 IV 266 S. 266
A.- Der 1941 geborene österreichische Staatsangehörige V. wuchs zunächst bei Pflegeeltern auf, wurde dann bei Bauern verdingt, verbrachte zwei Jahre in Erziehungsheimen und arbeitete später unregelmässig an den verschiedensten Orten als Hilfsarbeiter. Ab 1955 wurde er immer wieder straffällig, indem er sich insbesondere des einfachen und qualifizierten Diebstahls, der Sachbeschädigung, des Betrugs, der Entwendung von Motorfahrzeugen zum Gebrauch usw. schuldig machte. Sein strafbares Verhalten führte von 1955 bis 1970 in Österreich zu neun Verurteilungen zu Arreststrafen bzw. schwerem Kerker (1959: 4 Monate; 1967: 8 Monate; 1968: 14 Monate; 1970: 15 Monate; 1973: 1 1/2 Jahre), 1969 in Deutschland zu einer Verurteilung zu vier Monaten Gefängnis
BGE 101 IV 266 S. 267
und 1973 in der Schweiz zu zwei Verurteilungen zu vier Monaten bzw. drei Wochen Gefängnis, wobei die letzte Verurteilung in Österreich und die letzte in der Schweiz die gleichen Straftaten betrafen. Am 2. Oktober 1974 wurde V. in Österreich aus dem Vollzug der 18monatigen Kerkerstrafe mit einem Barbetrag von 1'370 Schilling und der Aussicht, in Dornbirn eine Stelle antreten zu können, entlassen. Statt diese anzunehmen, überschritt er am gleichen Tag illegal die Grenze und verübte innert wenigen Tagen in der Schweiz eine Reihe von Einbrüchen.
B.- Am 12. September 1975 verurteilte die Kriminalkammer des Kantons Thurgau V. wegen qualifizierten Diebstahls, fortgesetzter Sachbeschädigung, fortgesetzten Hausfriedensbruchs, Verweisungsbruchs und fortgesetzten Führens eines Motorfahrzeugs trotz Entzug des Führerausweises, alles begangen im Rückfall, zu 18 Monaten Zuchthaus.
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil der Kriminalkammer sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Verwahrung des V. gemäss Art. 42

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Vorinstanz anerkennt selber, dass die Voraussetzungen für eine Verwahrung des Beschwerdegegners "ohne Zweifel" erfüllt sind. Trotzdem und entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft hat sie von der Anordnung dieser Massnahme abgesehen, weil V. sich in der Schweiz nur zweimal und nicht allzu schwerwiegend strafbar gemacht habe und weil ihn nach der Verbüssung der Strafe in der Schweiz ein neues Strafverfahren in Österreich erwarte, wofür er auszuliefern sei.
2. Diese Argumentation hält nicht. Sind die Voraussetzungen des Art. 42

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
BGE 101 IV 266 S. 268
Ermessen nicht freies Belieben. Da Art. 42

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
a) Die Vorinstanz behauptet selber nicht, dass die von ihr ausgefällte Strafe eine solche Wirkung entfalten würde. Vielmehr bezeichnet sie V. als unverbesserlichen Gewohnheitsdelinquenten. Dann aber durfte sie von einer Verwahrung nur absehen, wenn sonstwie eine ebenso zuverlässige Sicherung der Öffentlichkeit gewährleistet war, wie sie eine Verwahrung nach Art. 42

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
BGE 101 IV 266 S. 269
Im übrigen geht es nicht nur um den Schutz der öffentlichen Ordnung der Schweiz, sondern um den Schutz der menschlichen Gesellschaft überhaupt vor diesem Gewohnheitsverbrecher. Mit seinem Abschieben ins Ausland allein wäre Art. 42

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
3. Sollte die Vorinstanz mit dem Hinweis darauf, dass V. sich in der Schweiz vor den neu beurteilten Straftaten nur zweimal und nicht allzu schwerwiegend straffällig gemacht habe, entgegen ihrer Feststellung, dass die Voraussetzungen des Art. 42 Ziff. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 67 - 1 Hat jemand in Ausübung einer beruflichen oder einer organisierten ausserberuflichen Tätigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begangen, für das er zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten verurteilt worden ist, und besteht die Gefahr, dass er seine Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbrauchen wird, so kann ihm das Gericht die betreffende oder vergleichbare Tätigkeiten für sechs Monate bis zu fünf Jahren ganz oder teilweise verbieten.94 |
BGE 101 IV 266 S. 270
Unverbesserlichkeit des Rechtsbrechers aufgrund von Strafen und Massnahmen bejaht, die zur Hauptsache in Deutschland ausgesprochen und dort verbüsst bzw. durchgeführt worden sind. Dass im vorliegenden Fall die namentlich in Österreich verübten Diebereien und Entwendungen von Motorfahrzeugen zum Gebrauch und die dafür ausgesprochenen Kerkerstrafen jenen Bedingungen nicht genügten, hat die Vorinstanz selber nicht angenommen und wird auch vom Beschwerdegegner nicht behauptet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der Kriminalkammer des Kantons Thurgau vom 12. September 1975 aufgehoben und die Sache zur Anordnung der Verwahrung nach Art. 42

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33 |
BGE-register