100 Ia 386
55. Urteil vom 11. Dezember 1974 i.S. Lechleiter und Leiser gegen Kantonsrat des Kantons Zürich.
Regeste (de):
- Art. 85 lit. a OG, Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999
Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio.
- 1. Ein gesetzliches Formerfordernis, wonach auf jedem Unterschriftenbogen die Namen und Wohnadressen der Mitglieder des Initiativkomitees anzugeben sind, verstösst nicht gegen Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999
Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio.
- 2. Verletzt eine Behörde den Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999
Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio.
Regeste (fr):
- Art. 85 lit. a OJ, art. 4 Cst; initiative populaire cantonale déclarée nulle pour violation d'une prescription deforme.
- 1. Une exigence de forme prévue par la loi, en vertu de laquelle les noms et adresses des membres du comité d'initiative doivent figurer sur chaque liste de signatures, n'est pas contraire à l'art. 4 Cst. (consid. 2 a, b).
- 2. Une autorité viole-t-elle l'art. 4 Cst. en déclarant nulle une initiative qui ne répond pas à cette exigence de forme, alors que précédemment elle n'a, par erreur, pas formulé de critique à l'égard du même vice de forme affectant une demande d'initiative émanant du même cercle de personnes? (consid. 2 c)
Regesto (it):
- Art. 85 lett. a OG, art. 4 CF; iniziativa popolare cantonale dichiarata nulla per violazione di una prescrizione diforma.
- 1. Non è contraria all'art. 4 CF una norma di legge secondo cui il nome e l'indirizzo dei membri del comitato d'iniziativa devono figurare su ogni lista di firme (consid. 2a, b).
- 2. Viola l'art. 4 CF un'autorità che dichiari nulla una iniziativa non conforme a questo requisito di forma, dopo aver in precedenza, per errore, omesso di rilevare lo stesso vizio di forma contenuto in un'altra domanda d'iniziativa presentata dal medesimo gruppo di persone? (consid. 2c).
Sachverhalt ab Seite 387
BGE 100 Ia 386 S. 387
Aus dem Sachverhalt:
Nach § 13 Abs. 1 Ziff. 4 des zürcherischen Gesetzes über das Vorschlagsrecht des Volkes vom 1. Juni 1969 (GVV) muss jeder Unterschriftenbogen die Namen und genauen Adressen der Mitglieder des Initiativkomitees enthalten. Unterschriftenbogen, welche diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind ungültig (§ 13 Abs. 2 GVV). Am 21. März 1974 reichte die Partei der Arbeit (PdA) des Kantons Zürich bzw. ein aus fünf Mitgliedern ihres Parteivorstandes bestehendes Initiativkomitee bei der Zürcher Staatskanzlei eine Volksinitiative "für ein Gesetz über einen Steuer rabatt zum Ausgleich der kalten Steuerprogression" ein. Die Unterschriftenbogen enthielten eine Rückzugsklausel mit folgendem Wortlaut: "Die Unterzeichner der Initiative ermächtigen die nachfolgenden Mitglieder des Parteivorstandes der Partei der Arbeit des Kantons Zürich als Initiativkomitee: Jakob Lechleiter, Sekretär der PdA als Vorsitzenden, Konrad Mayer, Hans Zogg, Hermann Leiser, Otto Oeschger, alle in Zürich, Zweierstrasse 123, 8036 Zürich, die Initiative zu Gunsten eines allfälligen Gegenvorschlages des Kantonsrates zurückzuziehen."
BGE 100 Ia 386 S. 388
Der Kantonsrat erklärte in seiner Sitzung vom 1. Juli 1974 mit 88 von 108 Stimmen, d.h. mit der erforderlichen Zweidrittelsmehrheit, das Volksbegehren für ungültig, weil auf den Unterschriftenbogen für alle Mitglieder des Initiativkomitees statt der einzelnen Wohnadressen nur eine Adresse und zwar diejenige des Parteisekretariats der PdA angegeben sei, was den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Ziff. 4 GVV nicht genüge. Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des politischen Stimmrechts sowie des Art. 4
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Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wurde das Volksbegehren zu Unrecht ungültig erklärt, so sind die Beschwerdeführer in ihrem Initiativrecht beeinträchtigt. Zu den politischen Rechten, deren Verletzung gestützt auf Art. 85 lit. a OG gerügt werden kann, gehört auch das Initiativrecht (BGE 100 Ia 380, E. 1; BGE 97 I 895, BGE 94 I 124). Die Beschwerdeführer sind demnach befugt, den kantonsrätlichen Entscheid mit einer Stimmrechtsbeschwerde anzufechten.
2. Nach Ansicht des Kantonsrates verstösst die Angabe der Adresse des Parteisekretariats der PdA als gemeinsame Adresse der fünf Mitglieder des Initiativkomitees deshalb gegen das zürcherische Gesetz über das Vorschlagsrecht des Volkes (GVV), weil eine solche Sammeladresse nicht der in § 13 Abs. 1 Ziff. 4 GVV vorgesehenen, für die Gültigkeit eines Unterschriftenbogens erforderlichen "genauen Adresse" entspreche, mit welchem Ausdruck nur die vollständige Privatadresse, d.h. die Wohnadresse, gemeint sein könne. Ob diese Auslegung des Gesetzes richtig ist, kann das Bundesgericht frei überprüfen, denn bei Beschwerden gemäss Art. 85 lit. a OG steht dem Bundesgericht hinsichtlich der Auslegung kantonaler Vorschriften, welche die angeblich verletzten politischen Rechte nach Inhalt und Umfang näher normieren oder mit ihnen in engem Zusammenhang stehen, im vorliegenden Fall der Normen betreffend die Gültigkeit einer Volksinitiative, grundsätzlich freie Prüfung zu (BGE 99 Ia 55, 181, 520, 731).
BGE 100 Ia 386 S. 389
a) § 13 Abs. 1 Ziff. 4 GVV bestimmt, dass jeder Unterschriftenbogen die Namen und genauen Adressen der Mitglieder des Initiativkomitees enthalten muss. Gemäss § 14 Abs. 1 GVV hat der Stimmberechtigte den Unterschriftenbogen eigenhändig zu unterzeichnen (Name und Vorname) sowie darauf das Geburtsdatum und die genaue Adresse (Strasse und Hausnummer) anzugeben. Dass die "genaue Adresse" im Sinne des § 14 Abs. 1 GVV die Wohnadresse des Stimmberechtigten sein muss, ist klar, denn nur so kann kontrolliert werden, ob der Unterzeichner in der politischen Gemeinde, die auf dem Unterschriftenbogen angegeben ist, stimmberechtigt ist (§ 13 Abs. 1 Ziff. 3, § 15 Abs. 3 GVV). Ob für die Mitglieder des Initiativkomitees ebenfalls die Angabe der Wohnadresse vorgeschrieben ist, geht aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Ziff. 4 GVV nicht klar hervor. Es ist auffallend, dass in § 14 für die Stimmberechtigten die Angabe der Strasse und Hausnummer verlangt wird, nicht aber in § 13 für die Mitglieder des Initiativkomitees. Auf Grund der systematischen sowie der teleologischen Auslegung des Gesetzes darf jedoch angenommen werden, dass auch bei den Komiteemitgliedern die Wohnadresse anzugeben ist. Nach § 12 Abs. 3 GVV müssen die Mitglieder des Initiativkomitees im Kanton Zürich stimmberechtigt sein, was sich nur dann auf einfache Weise feststellen lässt, wenn die Wohnadresse angegeben wird. Falls eine Initiative von einer bekannten Gruppe oder Partei ausgeht, mag die Überlegung der Beschwerdeführer zutreffen, dass der die Initiative unterzeichnende Bürger ebenso gut oder sogar besser erkennt, wer hinter dem Volksbegehren steht, wenn die Adresse des Sekretariats der Gruppe oder Partei angegeben wird und die Mitglieder des Initiativkomitees als Angehörige der Gruppe oder Partei bezeichnet sind, als wenn deren Wohnadresse angegeben wird. Das Gesetz gilt aber nicht nur für Volksbegehren, die von bekannten Gruppen oder Parteien ausgehen. Deshalb können die Mitglieder eines Initiativkomitees ganz allgemein nur dann mit der für die Orientierung des Bürgers nötigen Klarheit identifiziert werden, wenn die Wohnadresse angegeben wird. Auch von daher gesehen erscheint demnach die Auslegung des Gesetzes durch den Kantonsrat als zutreffend. b) Ist unter der "genauen Adresse" im Sinne der erwähnten
BGE 100 Ia 386 S. 390
Bestimmung die Wohnadresse zu verstehen, so haben die fünf Mitglieder des Initiativkomitees mit der Angabe der blossen Sammeladresse dem Formerfordernis des § 13 Abs. 1 Ziff. 4 GVV nicht entsprochen, was an sich nach dem klaren Wortlaut von § 13 Abs. 2 GVV die Ungültigkeit sämtlicher Unterschriftenbogen und damit der Initiative zur Folge hätte. Dass das Gesetz an einen solchen Mangel die Folge der Ungültigkeit knüpft, verstösst nicht gegen die Verfassung. Für die Ausübung des Initiativrechts sind gewisse Formvorschriften unerlässlich. Ein vom Gesetz aufgestelltes Formerfordernis ist erst dann mit Art. 4
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BGE 100 Ia 386 S. 391
Behörde, die einen dem richtig verstandenen Sinn der anzuwendenden Rechtssätze widersprechenden Entscheid fällt, in der Regel an diesen gebunden wäre und den Irrtum bei der nächsten Gelegenheit nicht berichtigen dürfte (vgl. BGE 97 I 653). Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, dass das Initiativkomitee die Unrichtigkeit des kantonsrätlichen Entscheids in Anbetracht der unter lit. a erwähnten Unklarheit des Textes von § 13 Abs. 1 Ziff. 4 GVV auch bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit nicht erkennen musste; umso grössere Bedeutung hat es, dass der Kantonsrat früher das Vorgehen der Initianten sanktionierte. In diesem Zusammenhang fällt ferner in Betracht, dass sich der Mangel auf eine Formvorschrift von relativ geringer Tragweite bezieht, nicht etwa auf die materielle Zulässigkeit des Volksbegehrens, bei deren Fehlen die gesetzliche Ungültigkeitsfolge auf jeden Fall dem Vertrauensschutz der Initianten vorgehen müsste. Schliesslich steht ein gewichtiges öffentliches Interesse auf dem Spiel, geht es doch darum, ob ein Volksbegehren, welches über 5000 Unterschriften auf sich vereinigt hat, gültig ist oder nicht. Aus all diesen Gründen erscheint der Entscheid des Kantonsrates, mit dem er die Initiative als ungültig erklärte, vor Art. 4
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3. Die Beschwerdeführer beanstanden ferner, dass der Kantonsrat ihre Initiative für ungültig erklärt habe, ohne das Initiativkomitee vorher anzuhören. Das kantonale Recht enthält keine Vorschrift, wonach den Initianten Gelegenheit zu geben wäre, sich vor dem Entscheid zu äussern, wenn eine Ungültigerklärung in Aussicht genommen ist. Es kann sich deshalb nur fragen, ob die Initianten einen solchen Anspruch unmittelbar auf Grund des Art. 4
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BGE 100 Ia 386 S. 392
mangels genügender Adressangabe zu äussern, doch kann die Frage offen bleiben, da die Beschwerde ohnehin gutzuheissen ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Kantonsrates des Kantons Zürich vom 1. Juli 1974 aufgeho ben.