Urteilskopf

100 Ia 294

41. Auszug ans dem Urteil vom 20. Juni 1974 i.S. Hörler gegen Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 295

BGE 100 Ia 294 S. 295

A.- Nachdem Jakob Hörler schon früher im Gemeindegebiet von Wasserauen aufgrund einer befristeten Ausbeutungsbewilligung unter gewissen einschränkenden Auflagen eine Kiesgrube betrieben hatte, wobei es wiederholt zu Beanstandungen und Einsprachen gekommen war, erteilte die Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. ihm am 17. Juli 1972 erneut eine provisorische Ausbeutungsbewilligung. Darin wurde unter anderem folgendes bestimmt: "Die Abfuhr von Kies ist nur mit Fahrzeugen und Chauffeuren von Jakob Hörler gestattet. Zudem ist sorgfältig zu laden und zu fahren. Falls Kies von Fahrzeugen, die nicht Hörler gehören, oder von Chauffeuren, welche nicht von Jakob Hörler angestellt sind, abgeführt wird, ist Jakob Hörler für jede festgestellte Übertretung mit Fr. 300.-- zu büssen." Die Kantonspolizei, die mit der Überwachung beauftragt wurde, verzeigte Hörler am 25. Juli, am 3. Oktober und am 29. November 1972 wegen Abfuhren mit betriebsfremden Fahrzeugen. Dessen ungeachtet erteilte die Standeskommission Hörler am 14. Mai 1973 - wiederum unter gewissen einschränkenden Auflagen - eine definitive Ausbeutungsbewilligung bis Ende 1977, auferlegte ihm aber am 5. Juni 1973 gestützt auf ihren Beschluss vom 17. Juli 1972 drei Bussen von je Fr. 300.-- wegen Übertretung der Auflage, Kies nur mit betriebseigenen Fahrzeugen und Chauffeuren abzuführen.
B.- Hiegegen führt Hörler staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, die angefochtene Bussenverfügung der Standeskommission vom 5. Juni 1973 wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 31 Privation de liberté - 1 Nul ne peut être privé de sa liberté si ce n'est dans les cas prévus par la loi et selon les formes qu'elle prescrit.
1    Nul ne peut être privé de sa liberté si ce n'est dans les cas prévus par la loi et selon les formes qu'elle prescrit.
2    Toute personne qui se voit privée de sa liberté a le droit d'être aussitôt informée, dans une langue qu'elle comprend, des raisons de cette privation et des droits qui sont les siens. Elle doit être mise en état de faire valoir ses droits. Elle a notamment le droit de faire informer ses proches.
3    Toute personne qui est mise en détention préventive a le droit d'être aussitôt traduite devant un ou une juge, qui prononce le maintien de la détention ou la libération. Elle a le droit d'être jugée dans un délai raisonnable.
4    Toute personne qui se voit privée de sa liberté sans qu'un tribunal l'ait ordonné a le droit, en tout temps, de saisir le tribunal. Celui-ci statue dans les plus brefs délais sur la légalité de cette privation.
BV) aufzuheben. Er macht unter anderem geltend, die Bussenverfügung sanktioniere einen Eingriff in die verfassungsmässig garantierte Handels- und Gewerbefreiheit und sei daher noch anfechtbar, auch wenn die damalige Verfassungsverletzung nicht gerügt wurde. Die Handels- und Gewerbefreiheit könne durch kantonale Verfügungen nur zum Schutz von Polizeigütern
BGE 100 Ia 294 S. 296

eingeschränkt werden. Die Kiesabfuhr durch betriebsfremde Fahrzeuge berühre weder die öffentliche Sittlichkeit, die öffentliche Gesundheit noch Treu und Glauben im Geschäftsverkehr oder die öffentliche Ruhe und Ordnung. Zudem komme es weder für die Lärmentwicklung noch für die Verkehrssicherheit darauf an, ob Kies durch betriebseigene oder betriebsfremde Fahrzeuge abgeführt werde. Die Verfügung vom 17. Juli 1972 sei daher verfassungswidrig und folglich könne auch die sich darauf stützende Bussenverfügung vom 5. Juni 1973 nicht aufrechterhalten werden.
C.- Die Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

2. Die vorliegende Beschwerde wird ausschliesslich damit begründet, dass die Auflage, Kies nur mit betriebseigenen Fahrzeugen und durch betriebseigene Chauffeure abführen zu lassen, gegen die Handels- und Gewerbefreiheit verstosse. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass er die provisorische Ausbeutungsbewilligung vom 17. Juli 1972, welche diese Auflage nebst Strafandrohung enthielt, nicht angefochten habe, doch glaubt er, die Bussenverfügung gleichwohl anfechten zu können. a) Richtet sich die staatsrechtliche Beschwerde gegen eine Einzelverfügung, die in Vollziehung eines generellen Erlasses ergangen ist, so kann mit ihr nachträglich auch noch die Verfassungswidrigkeit des grundlegenden Erlasses gerügt werden (BGE 97 I 29, 334, 780). Richtet sie sich jedoch gegen eine Einzelverfügung, die ihrerseits auf einer früheren Einzelverfügung beruht und diese vollzieht oder bestätigt, so kann die staatsrechtliche Beschwerde nicht mehr mit einer Verfassungswidrigkeit der früheren Verfügung begründet werden, es sei denn es stehe ein unverzichtbares und unverjährbares Verfassungsrecht in Frage (BGE 88 I 265, BGE 93 I 351, BGE 97 I 916; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 503). Ein derartiger Ausnahmefall liegt jedoch nach der Rechtsprechung im Bereich der Handels- und Gewerbefreiheit nicht vor (BGE 88 I 271, BGE 93 I 351, BGE 97 I 916). b) Die angefochtene Bussenverfügung erging wegen Missachtung der früheren Auflage und vollzog diese durch Ausfällung
BGE 100 Ia 294 S. 297

der dafür angedrohten Strafe. Anders als früher stützte sich die Standeskommission dabei nicht mehr auf Art. 292
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 292 - Quiconque ne se conforme pas à une décision à lui signifiée, sous la menace de la peine prévue au présent article, par une autorité ou un fonctionnaire compétents est puni d'une amende.
StGB, wofür es grundsätzlich auch eines ausdrücklichen Hinweises auf die Strafdrohung dieser Bestimmung bedurft hätte (BGE 86 IV 28, BGE 95 II 460). Angedroht wurde vielmehr eine Verwaltungsstrafe, wie sie zu den gebräuchlichen Vollzugsmassnahmen des Verwaltungsrechts gehört (GRISEL, a.a.O. S. 333 ff.; GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S. 531 ff.; vgl. auch die Aufzählung in Art. 41 lit. c/d VwG und den Vorbehalt in Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 335 - 1 Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale.
1    Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale.
2    Ils peuvent édicter des sanctions pour les infractions au droit administratif et au droit de procédure cantonaux.
StGB). Um eine Konventionalstrafe, wie sie die Standeskommission offenbar beabsichtigte, konnte es sich nicht handeln, da diese nur in einem verwaltungsrechtlichen Vertrag möglich wäre (GRISEL, a.a.O. S. 226), während hier eine Verwaltungsverfügung in Form einer Polizeierlaubnis vorlag; eine Konzession, mit welcher das Gemeinwesen eine ihm selbst zustehende Befugnis einem Privaten einräumt, stellt eine Kiesausbeutungsbewilligung auf einem privaten Grundstück nicht dar; deshalb kann dahingestellt bleiben, wieweit eine solche vertragsähnlichen Charakter hätte und die Vereinbarung einer Konventionalstrafe zuliesse (vgl. GRISEL, a.a.O. S. 143 ff.; GIACOMETTI, a.a.O. S. 352 f.). Im übrigen vermöchte das nichts daran zu ändern, dass wie bei einer Verwaltungsstrafe die Strafandrohung (BGE 88 I 270) und ebenso die Geldstrafe selbst (BGE 97 I 917) eine Vollstreckungsmassnahme im Sinne der genannten Rechtsprechung darstellt, die nicht mehr mit der Rüge einer Verfassungswidrigkeit der früheren grundlegenden Verfügung angefochten werden kann. Wenn die jüngste Rechtsprechung zu Art. 292
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 292 - Quiconque ne se conforme pas à une décision à lui signifiée, sous la menace de la peine prévue au présent article, par une autorité ou un fonctionnaire compétents est puni d'une amende.
StGB eine weitergehende Befugnis des Strafrichters zur materiellen Prüfung der vorangegangenen Verwaltungsverfügung anerkennt (BGE 98 IV 108 gegenüber noch BGE 90 IV 81 und dortigen Hinweisen), kann daraus nichts anderes hergeleitet werden, weil diese Bestimmung hier nicht angewandt wurde und weil die Kognition des Strafrichters gegenüber Verwaltungsakten die Frage nicht berührt, wie es sich hinsichtlich der Anfechtbarkeit durch staatsrechtliche Beschwerde verhält.
3. Da der Beschwerdeführer es versäumt hat, die behauptete Verfassungswidrigkeit der ihm gemachten Auflage bereits im Anschluss an die Verfügung der Standeskommission vom 17. Juli 1972 geltend zu machen, kann er dies mit der vorliegenden
BGE 100 Ia 294 S. 298

Beschwerde gegen die Bussenverfügung nicht mehr nachholen. Dass diese ihrerseits selbständig aus anderen Gründen verfassungswidrig sei, wird nicht behauptet. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten. Damit braucht auch nicht untersucht zu werden, ob die seinerzeitige Auflage vor der Handels- und Gewerbefreiheit standhielt, ob sie eine ausreichende gesetzliche Grundlage besass und nicht unverhältnismässig war.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 100 IA 294
Date : 20 juin 1974
Publié : 31 décembre 1975
Source : Tribunal fédéral
Statut : 100 IA 294
Domaine : ATF- Droit constitutionnel
Objet : Art. 84 et 89 OJ; recours de droit public contre des mesures d'exécution. 1. Lorsque le recours de droit public est formé
Classification : Confirmation de la Jurisprudence


Répertoire des lois
CP: 292 
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 292 - Quiconque ne se conforme pas à une décision à lui signifiée, sous la menace de la peine prévue au présent article, par une autorité ou un fonctionnaire compétents est puni d'une amende.
335
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 335 - 1 Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale.
1    Les cantons conservent le pouvoir de légiférer sur les contraventions de police qui ne sont pas l'objet de la législation fédérale.
2    Ils peuvent édicter des sanctions pour les infractions au droit administratif et au droit de procédure cantonaux.
Cst: 31
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 31 Privation de liberté - 1 Nul ne peut être privé de sa liberté si ce n'est dans les cas prévus par la loi et selon les formes qu'elle prescrit.
1    Nul ne peut être privé de sa liberté si ce n'est dans les cas prévus par la loi et selon les formes qu'elle prescrit.
2    Toute personne qui se voit privée de sa liberté a le droit d'être aussitôt informée, dans une langue qu'elle comprend, des raisons de cette privation et des droits qui sont les siens. Elle doit être mise en état de faire valoir ses droits. Elle a notamment le droit de faire informer ses proches.
3    Toute personne qui est mise en détention préventive a le droit d'être aussitôt traduite devant un ou une juge, qui prononce le maintien de la détention ou la libération. Elle a le droit d'être jugée dans un délai raisonnable.
4    Toute personne qui se voit privée de sa liberté sans qu'un tribunal l'ait ordonné a le droit, en tout temps, de saisir le tribunal. Celui-ci statue dans les plus brefs délais sur la légalité de cette privation.
OJ: 84  84e  89
Répertoire ATF
100-IA-294 • 86-IV-27 • 88-I-260 • 90-IV-79 • 93-I-350 • 95-II-456 • 97-I-24 • 97-I-911 • 98-IV-106
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
recours de droit public • chauffeur • question • tribunal fédéral • décision • clause pénale • hameau • droit constitutionnel • décision • pouvoir d'examen • atteinte à un droit constitutionnel • autorisation ou approbation • exécution • peine pécuniaire • sécurité de la circulation • état de fait • principe de la bonne foi • amende • caractère • contrat de droit administratif