6 l. Abschnitl. Bundesverfassung.

ètre portée, cas éc-héant, devant les tribunaux eompétenls du canton
de Neuchatel.

60 Le recours interjeté le 27 avril dernier contre les déeisions des
susclits magistrats, datées, la première du is octobre 1874, la seeonde
du '16 février 1875, est en surplus tardif, selon la disposjtion préeise
de l'art. 60 de la loi précitée sur l'organisation judiciaire, qui veut
que les necours contre les décisions d'autorités eantonales soient,
sous peine de déchéanoe, déposés an Tribunal federal dans les soixanie
jours dès leur communication aux intéressés.

Par ces motjks le Tribunal federal

prononee : Le reoours est écartsié comme mal fonde.

II. Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten. Exercice des professions
libérales.

2. Urtheil vom 23. September 1875 in Sachen Wittwe Jnanen.

A. Fran von Wattenwyl-Sinner in Bern hatte an den Ehemann der Rekurrentin
Wittwe Jnanen ein Gnthaben Von 10,000 Franken. Nach dessen Tode liess
Hr. Ständerath I. B. Rusch in Appenzell im Frühjahr 1870 sich dieses
Gnthahen für 7200 Franken cediren, machte dasselbe jedoch in Vollem
Betrage gegen die Jnauen'sche Hinterlasfenschaft geltend, worauf Wittwe
Jnanen sich bei der ursprünglichen Kreditorin über das Verhältnis;
erkundigte und den Bericht erhielt, Hr. Rusch habe den Nachlass erhalten,
weil er erklärt habe, er müsse vor Allem für Frau und Kinder etwas retten,

Gestützt auf diese Mittheilung beschwerte sich Wittwe Jnauen bei Hm
Rusch und dritten Personen über die Handlungsweife des Eritema, indem
sie in der Ansicht stand, dass Hr. Rusch den Gewinn von 2800 Franken
unrechtmäfziger Weise für sich behalte-.

ll. Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten. N" 2. T

Hin Rusch liess die Sache bis Anfang des Jahres 1875 auf sich
beruhen. Kurz vor der diessjährigen Landsgemeinde fand er sich
dagegen veranlasst, es in einem öffentlichen Blatte als Verlänmdung zu
erklären, dass er einen Gewinn bezogen habe, der der Masse Jnauen gehört
hatte. Daran antwortete Wittwe Jnauen mit dem Abdrucke des von der Frau
von Wattenwyl erhaltenen Briefes , unter Beifügung einiger erläuternder
Bemerfangen.

B. Wegen dieser Antwort der Wittwe Jnanen liess Hr. Rasch dieselbe
wegen Jnjurien vor das Bezirksgericht Appenzell laden. Sie erschien vor
demselben mit Hm. Fürsprecher Sutter Von St. Gallen als Vertheidiger und
auf ihr Begehren anerkannte das Bezirksgericht Appenzell durch Beschluss
vom 7. April 1875 ihr Recht, sich durch einen fürsprecher ihrer Wahl
verbeiständen zu lassen. Durch Urtheil Vom 13. April d. J. erkannte
sodann das Bezirksgericht, Wittwe Jnanen sei bis zu einem allfälligen
richterlichen Entscheide gegen Frau von Wattenwyl von der gegen sie
obwaltenden Klage entlassen.

G. Nunmehr wandte sich Hm Rasch unterm 19. April an die Standeskommission
des Kante-ins Appenzell J.-Rh., mit dem Begehren, dass ihm die Appellation
gegen das Urtheil des Bezirksgerichtes bewilligt werde, indem nicht bloss
eine Jtdm tem, sondern eine Forderungssache obwalte. Die Standeskommission
entsprach zwar diesem Begehren nicht, da nur eine Jnjurienfache vom
Gerichte behandelt worden sei, gab aber dem Hm. Rusch die Weisung, sich
nochmals an das Bezirksgericht zu wenden, damit dasselbe untersuche, ob
nicht eine Forderungssache Vorgelegen habe. Und auf eine weitere Anregung
ertheilte sie dem Hm. Rusch, gestützt auf-Art 5 der appenzellischen
Gerichtsordnung, das Recht, bei ferneren Verhandlungen in diesem Prozesse
einen allfällig eintreten wollenden Für-sprech (Advokat) zurückzuweisen.

D. Gestützt auf diesen Bescheid der Standeskommission nahm He Rasch
neuerdings Vorstand Vor dem Bezirksgerichte und verlangte, als Wittwe
Jnanen wieder mit Hm. Fürsprech Suttet erschien, gestützt auf Art. 5
der Gerichtsorganisation und die Jn-

8 L Abschnitt. Bundesverfassung.

terpretation dieses Artikels durch die Standeskommisfion, dass

Hr. Sutter zuriickgewiesen werde. Wirklich entsprach nun das
Bezirksgericht diesem Gesuche durch Beschluss vom 25. Mai d.
Jahres gestützt auf die Bestimmung und den Wortlaut des angerufenen
Gesetzesartikels, sowie dessen Interpretation seitens der
Standeskommission.

E. Ueber dieses Erkenntniss beschwerte sich nun Hr. Sutter Namens der
Wittwe Juauen bei der Standeskommission wegen Rechtsverweigerung und
Verletzung der Rechtsgleichheit; allein diese liess ihm mit Zuschrift
vom 5. Juni d. J. anzeigen, dass sie mit Rücksicht auf die mehrerwähnte
Gesetzesbestimmung das Bezirksgericht nicht anhalten könne, einen
berufsmässigen Advotaten zuzulassen

F. Gegen diesen Entscheid der Standeskommission meldete Hr. Sutter bei
derselben den Rekurs an den Grossen Rath an. Die Standeskommission gab
jedoch dem Rekurs keine Folge, sondern beschloss unterm 9. Juni d. I.,
in Erwägung:

1. dass nach Art. 5, Lemma 1 der Gerichtsordnung in fraglicher Streitsache
eine Vertretung durch einen berufsmässigen Fürsprech unstatthafts sei;

2. dass nach Art 30 der kantonalen Vers fassung und speziell nach Lemma 3,
5 und 9 des citirten Artikel? es in der Kompetenz derStandeskommission
liege, Anstände, wie den in Rede stehenden, zu erledigen, --

es sei der Entscheid vom 4 gl. Mts aufrecht zu erhalten und eine
Weiterziehung der Sache an den Grossen Rath nicht zulässig

G. Ueber diesen Beschluss beschwerte sich Hr. Sutter beim Bundesrathe
und verlangte, dass der Wittwe Jnauen der Aecess an die oberste
kantonale Behörde zur Beschwerdeführung wegen Rechtsverweigerung und
Verfassungsverletzung geöffnet werde.

Mit Schreiben vom 16. Juni d. I. sandte jedoch der Bundesrath die
Beschwerdeschrift dem Rekurreuten zurück, indem in Folge der Organisation
der Bundesrechtspflege der Entscheid über solche Rechtsbegehren in den
Geschäftskreis des Bundesgerichtes falle.

II. Ausübung wissenschaftlicher Bernfsarteu. N° "2. 9

H. Gestützt hierauf hat nun Hr. Sntter die gleichen Begehren beim
Bundesgerichte gestellt und denselben noch sowohl im eigenen Namen
als für die Wittwe Jnauen die Klage über Verletzung des Art. 33 der
Bundesverfassung und Art. 5 der Uebergangsbestimmungen zu derselben
zugefügt. Rekurrenten erblicken nämlich eine Verletzung dieser
Bestimmungen darin, dass Herr Sutter, trotzdem er im Besitze eines
Fähigkeitszeugnisses als Anwalt sich befinde, von den appenzellischen
Gerichten zur Ausübung dieses Berner nicht zugelassen worden sei,
während die angeführten Verfassungsbestimmungen im Prinzipe das Recht
jedes Schweizerbiirgers, seinen wissenschaftlichen Beruf im ganzen
Umfange der Eidgenossenschaft auszuüben-. anerkennen und dasselbe nur an
die einzige Bedingung knüpfen, dass der Betreffende, wenn es in einem
Kanton Verlangt werde, sich über seine Befähigung ausweise Demgemäss
verlangten Rekurrenten:

1. Dass der Bes schluss des Bezirksgerichtes Appenzell vom 25. Mai
betreffend die Unzuläsfigkeit der Verbeiständung der Wittweo Jnauen
durch Hm. Sutter kassirt eventuell

2 der Wittwe Inanen der Aeeess an den Grossen Rath 11111" ihrer Beschwerde
über Rechts-verweigerung und Verletzung der Rechtsgleichheit eröffnet
merde.

J. Die Standeskommission von Appenzell J.-Rh. und Herr Rusch beantragten
Abweisung der Beschwerde im Wesentlichen gestützt auf die in dem Be
schlusse vom ö Juni 1875 enthaltene Begründung

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Bezüglich des ersten Begehrens der Rekurrenten, dass der Beschluss
des Bezirksgerichtes Appenzell vom 25. Mai d. J., durch welchen dem
Hm Fürsprech Sutter die Verbeiständung der Wittwe Jnauen untersagt
worden ist, kassirt werde, handelt es sich für das Bundesgericht
nur um die Frage, ob durch den angesochtenen Beschluss Bestimmungen
der Bundesverfassung verletzt seien. Denn Rekurrenten haben dasselbe
ausdrücklich nur auf den Art. 33 der Bundesversassung und Art. ö der
Uebergangsbestimmungen zu derselben gestützt; im Uebrigen aber,

10 i.Abschnitt Bundesverfassung.

soweit die Anwendung und Auslegung kantonaler Verfassungsund
Gesetzesbestimmungen, insbesondere des Art. 5 der appetizellischen
Gerichtsorganisatiou in Frage kommt, einzig verlangt, dass ihnen
der Aceesz an den appenzellischen Grossen Rath mit ihrer Beschwerde
bewilligt werde.

2. Nun ist vorerst davon, dass der Beschluss des Bezirksgerichtes
Appeiizell den Art. 33 der Bundesverfassung verletze, keine Rede. Dieser
Verfassungsartikel stellt es lediglich den Kant-men anheim, die Ausübung
der wissenschaftlichen Berufsarten von einein Aus-weise der Befähigung
abhängig zu machen und erklart es in seinem zweiten Lemma als Sache der
Bundesgesetzgebung, dafür zu s,orgen das; derartige Ausweise für die ganze
Eidgenosfens chaft gültig erworben werden können Dagegen ist in demselben
die Ausubung der wissenschaftlichen Berufsarten im ganz-en Umfange der
Eidgenossenschast weder ausdrücklich noch stillschweigend gewährleistet;
die Auslegung, welche Rekurrenten jener Verfassungaestimmung geben;
dass die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten lediglich von dem
Ausweis e der Befähigung abhängig gemacht werden könne, im Uebrigen
aber ohne Einschränkung garantirt fei, findet in dem Inhalt derselben
keine Begründung

Z. Der Art. 5 der Uebergangsbestimmungen zu der Bundesverfassung bestimmt
allerdings, das; Pers onen, welche den wissenschaftlichen Berufs
arten angehören und welche bis zum Erlass des in Art 33 vorgesehenen
Bundesgesetzes von einem Kantone oder Von einer Konkordatsbehörde den
Ausweis der Befähigung erlangt haben, befugt seien, ihren Beruf in
der ganzen Gidgenossenschaft auszuüben Allein auch diese Bestimmung
hat ohne Zweifel nur den Sinn, dass Personen, welche vor einer
Kantonsoder Konkordatsbehörde den Ausweis der Befähigung zur Ausübung
einer wissenschaftlichen Berussart geleistet haben, diesen Beruf auch
im übrigen Gebiete der Eidgenossenschast ausüben dürfen, ohne in den
andern Kantonen gemäss den dortigen Gesetzen weitere Prüfungen bestehen
zu müssen Soweit dagegen nach der kantonalenGesetzgebung die Ausübung
einer wissenschaftlichen Berufsarh insbesondere 31.23.--

ji. Ausübung wissensclntftlicijer Borntkzkrimr X 2. H

des Anwaltsberufes, gar nicht oder nur mit gewissen Einschränkungen
zulässig ist, hat der Art 5 der Uebergangsbeftimmungen zur
Bundesverfafsung nichts geändert und ist daher die Ansübung eines
solchen Berufes in dein betreffenden Kantone überhaupt nicht oder nur
nach Massgabe des bezüglichen Gesetzes statthaft. Das erste Begehren
der Rekurreuten muss somit abgewiesen werden.

4 Was dagegen die zweite Beschwerde betrifft, welche sich darauf bezieht,
dass die Standeskommission den an den Grossen Rath gerichteten Rekurs der
Wittwe Jnauen gegen den Beschluss der Standeskommission vom 4. Juni d. J.s
nicht dem Grossen Rathe Vorgelegt, sondern von sich aus zurückgewiesen
hat, so erscheint dieselbe begründet Nach Art. 7 der appenzeb lischeu
Verfassung Vom 24. Wintermonat 1872 ist allen Kantonseinwohnern
das Recht, an die Ortsund Kantonsbehörden Wünsche und Verlangen zu
stellen, gewährleistet, und es hätte daher die Standeskommission, auch
wenn sie die Kompetenz des Grossen Rathes zur Behandlung des Rekurses
nicht als begründet ansah, denselben doch jedenfalls dem Grossen Rathe
verlegen sollen, indem es unzweifelhaft Sache des Letzteren ist, seine
Zuständigkeit zu prüfen und darüber, sowie über die Rechtsbeständigkeit
der Beschlüsse der Standeskommission, insbesondere auch betreffend
Auslegung des nn, 5 der Gerichtsorganisaiiou Beschluss zu fassen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Beschwerde ist, soweit sie gegen den Entscheid der Standeskommission
vom 4. Juni d. I. gerichtet ist, begründet, und es wird demnach die
Standeskommission Von Appenzell J.-Rh. eingeladen, die Beschwerde der
Reknrrenten dem dortigen Grossen Rathe zur Beschlussfassung vorzulegen;
im Uebrigen ist der Rekan als unbegründet abgewiesen-.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 1 I 6
Datum : 31. Januar 1875
Publiziert : 30. Dezember 1875
Quelle : Bundesgericht
Status : 1 I 6
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 6 l. Abschnitl. Bundesverfassung. ètre portée, cas éc-héant, devant les tribunaux


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesverfassung • bundesgericht • rechtsanwalt • frage • kantonales rechtsmittel • freier beruf • rechtsmittel • bern • rechtsbegehren • nichtigkeit • begründung des entscheids • richterliche behörde • prozessvertretung • entscheid • organisation • zweifel • mass • weiler • weisung • bezogener
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