Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B 183/2018
Urteil vom 31. Oktober 2018
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Vettiger,
Beschwerdeführerin,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Versuchter Totschlag; rechtliches Gehör,
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, vom 8. November 2017 (SB.2016.41).
Sachverhalt:
A.
X.________ verletzte am 5. Oktober 2013 A.________ mit einem Taschenmesser. Dieser erlitt auf der Höhe der linken Brustwarze und wenige Zentimeter links davon eine 0.9 cm lange Hautdurchtrennung, wobei die Klinge des Taschenmessers in die Unterhaut eindrang, diese aber nicht überschritt.
B.
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt erklärte X.________ am 27. Oktober 2015 des versuchten Totschlags und der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig. Es bestrafte sie mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten und einer Busse von Fr. 200.--. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde zugunsten einer stationären Suchtbehandlung aufgeschoben.
C.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte am 8. November 2017 auf Berufung von X.________ das Urteil des Strafgerichts, soweit dieses - in Bezug auf die Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und die dafür ausgesprochene Busse - nicht bereits in Rechtskraft erwachsen war.
D.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, sie sei vom Vorwurf des versuchten Totschlags freizusprechen. Eventualiter sei eine bedingte Geld- oder Freiheitsstrafe auszusprechen und eine ambulante Massnahme anzuordnen. Zudem sei dem Verteidiger der Betrag von Fr. 972.-- für die durch diesen in Auftrag gegebene Überarbeitung der Aufnahmen einer Überwachungskamera zu ersetzen. X.________ beantragt, ihr sei die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Appellationsgericht verzichtet auf eine Stellungnahme. X.________ replizierte.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz treffe keine eigenen Feststellungen zur konkreten Tathandlung. Sie verweise lediglich auf das erstinstanzliche Urteil, ohne sich mit ihren diesbezüglichen Rügen zu befassen. Dies verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Beschwerde, S. 6 f.).
Die Beschwerdeführerin kritisierte im vorinstanzlichen Verfahren die Sachverhaltsfeststellung des Strafgerichts. Sie brachte namentlich vor, sie habe nicht von oben nach unten auf A.________ eingestochen, sondern nur eine kleine horizontale Stichbewegung ausgeführt. Zuvor sei sie A.________ gegenübergestanden und habe das Taschenmesser gegen ihn gerichtet; ihr Verhalten sei insgesamt eher abwartend und unentschlossen gewesen. Im Rahmen ihrer Vorbringen setzte sich die Beschwerdeführerin sowohl mit der Zeugenaussage von B.________ als auch mit dem Inhalt des Überwachungsvideos auseinander (kantonale Akten, act. 521 ff. und 577 ff.). Die Vorinstanz geht darauf nicht ein und verweist in Anwendung von Art. 82 Abs. 4
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 82 Einschränkungen der Begründungspflicht - 1 Das erstinstanzliche Gericht verzichtet auf eine schriftliche Begründung, wenn es: |
|
1 | Das erstinstanzliche Gericht verzichtet auf eine schriftliche Begründung, wenn es: |
a | das Urteil mündlich begründet; und |
b | nicht eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, eine Verwahrung nach Artikel 64 StGB35, eine Behandlung nach Artikel 59 StGB oder, bei gleichzeitig zu widerrufenden bedingten Sanktionen, einen Freiheitsentzug von mehr als zwei Jahren ausspricht. |
2 | Das Gericht stellt den Parteien nachträglich ein begründetes Urteil zu, wenn: |
a | eine Partei dies innert 10 Tagen nach Zustellung des Dispositivs verlangt; |
b | eine Partei ein Rechtsmittel ergreift. |
3 | Verlangt nur die Privatklägerschaft ein begründetes Urteil oder ergreift sie allein ein Rechtsmittel, so begründet das Gericht das Urteil nur in dem Masse, als dieses sich auf das strafbare Verhalten zum Nachteil der Privatklägerschaft und auf deren Zivilansprüche bezieht. |
4 | Im Rechtsmittelverfahren kann das Gericht für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz verweisen. |
Der schlichte Verweis auf die erstinstanzliche Begründung gemäss Art. 82 Abs. 4
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 82 Einschränkungen der Begründungspflicht - 1 Das erstinstanzliche Gericht verzichtet auf eine schriftliche Begründung, wenn es: |
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1 | Das erstinstanzliche Gericht verzichtet auf eine schriftliche Begründung, wenn es: |
a | das Urteil mündlich begründet; und |
b | nicht eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, eine Verwahrung nach Artikel 64 StGB35, eine Behandlung nach Artikel 59 StGB oder, bei gleichzeitig zu widerrufenden bedingten Sanktionen, einen Freiheitsentzug von mehr als zwei Jahren ausspricht. |
2 | Das Gericht stellt den Parteien nachträglich ein begründetes Urteil zu, wenn: |
a | eine Partei dies innert 10 Tagen nach Zustellung des Dispositivs verlangt; |
b | eine Partei ein Rechtsmittel ergreift. |
3 | Verlangt nur die Privatklägerschaft ein begründetes Urteil oder ergreift sie allein ein Rechtsmittel, so begründet das Gericht das Urteil nur in dem Masse, als dieses sich auf das strafbare Verhalten zum Nachteil der Privatklägerschaft und auf deren Zivilansprüche bezieht. |
4 | Im Rechtsmittelverfahren kann das Gericht für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz verweisen. |
2.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es erübrigt sich, auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin einzugehen. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung ist mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos geworden.
Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
|
1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
|
1 | Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
2 | Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen. |
3 | Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen. |
4 | Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar. |
5 | Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 8. November 2017 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Basel-Stadt hat dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Christoph Vettiger, eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 31. Oktober 2018
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Jacquemoud-Rossari
Der Gerichtsschreiber: Moses