Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
H 118/05
Urteil vom 30. Januar 2006
III. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke
Parteien
Ausgleichskasse des Kantons Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug, Beschwerdeführerin,
gegen
R.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Furrer, Neuhofstrasse 25, 6340 Baar
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug
(Entscheid vom 30. Juni 2005)
Sachverhalt:
A.
Die Firma X.________ war der Ausgleichskasse des Kantons Zug (nachfolgend: Ausgleichskasse) als beitragspflichtige Arbeitgeberin angeschlossen. Als einziger Verwaltungsrat der Gesellschaft amtete R.________, als Geschäftsführer T.________, beide mit Einzelzeichnungsberechtigung. Am ... 2002 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet und am ... 2002 mangels Aktiven eingestellt. Mit zwei Verfügungen vom 11. Juni 2003 und 22. Juli 2004 verpflichtete die Ausgleichskasse R.________ zur Bezahlung von Schadenersatz für entgangene Sozialversicherungsbeiträge (einschliesslich FAK-Beiträge sowie Verwaltungskosten, Verzugszinsen, Mahngebühren und Betreibungskosten) in den Jahren 2001 und 2002 in der Höhe von Fr. 72'307.30 und Fr. 18'316.30, insgesamt Fr. 90'623.60.
Die von R.________ hiegegen erhobenen Einsprachen vom 9. Juli 2003 und 11. August 2004 hiess die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 25. Februar 2005 teilweise gut und reduzierte die Schadenersatzforderung auf Fr. 34'155.25, da R.________ auf Grund seiner Demissionserklärung vom 18. Dezember 2001 an den Geschäftsführer T.________ nur für die bis und mit November 2001 geschuldeten, spätestens am 10. Dezember 2001 zahlbaren Sozialversicherungsbeiträge einzustehen habe.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 30. Juni 2005 teilweise gut und verpflichtete R.________ zur Bezahlung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 19'049.75.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die Ausgleichskasse beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei R.________ zur Bezahlung von "Schadenersatz für die Ausstände nach Bundessozialversicherungsrecht gemäss dem Einspracheentscheid vom 25. Februar 2005" zu verpflichten. Sie legt einen Kontoauszug ins Recht.
R.________ und die Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Ausgleichskasse macht allein Schadenersatz für entgangene Beiträge kraft Bundesrechts geltend, sodass auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vollumfänglich einzutreten ist (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweisen).
2.
2.1 Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132



2.2 Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2


hätten geltend gemacht werden können und - in Beachtung der Mitwirkungspflicht - hätten geltend gemacht werden müssen. Solche (verspätete) Vorbringen sind nicht geeignet, die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als mangelhaft im Sinne von Art. 105 Abs. 2

3.
3.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im AHV-Recht, insbesondere auch hinsichtlich der Arbeitgeberhaftung nach Art. 52

SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |

SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |

SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |

SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil R. vom 27. September 2005, H 53/05).
3.2 Die rechtlichen Grundlagen über die Arbeitgeberhaftung (Art. 52

SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |

SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 14 Bezugstermine und -verfahren - 1 Die Beiträge vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit sind bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten. |
|
a | die Zahlungstermine für die Beiträge; |
b | das Mahn- und Veranlagungsverfahren; |
c | die Nachzahlung zu wenig bezahlter Beiträge; |
d | den Erlass der Nachzahlung, auch in Abweichung von Artikel 24 ATSG; |
e | ...76.77 |

SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV) AHVV Art. 34 Zahlungsperioden - 1 Es haben der Ausgleichskasse die Beiträge zu zahlen: |
|
a | Arbeitgeber monatlich oder, wenn die jährliche Lohnsumme 200 000 Franken nicht übersteigt, vierteljährlich; |
b | Selbstständigerwerbende und Nichterwerbstätige sowie Arbeitnehmer nicht beitragspflichtiger Arbeitgeber, vierteljährlich; |
c | Arbeitgeber im vereinfachten Verfahren nach den Artikeln 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005150 über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (BGSA), jährlich. |

SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
4.
Die Haftung des Beschwerdegegners nach Art. 52

SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. |
4.1 Die Vorinstanz begründet die Reduktion der Schadenersatzforderung damit, die nach Mandatsniederlegung durch den Beschwerdegegner von der Gesellschaft im Jahr 2002 getätigten Zahlungen in der Höhe von Fr. 15'105.50 seien entgegen dem Vorgehen der Ausgleichskasse nicht an diejenigen Beitragsforderungen anzurechnen, welche auf den bei der Zahlung verwendeten Einzahlungsscheinen angegeben waren, sondern an die ältesten Beitragsausstände und damit zu Gunsten des Beschwerdegegners. Die Wahl vorbereiteter Einzahlungsscheine sei eher zufällig und stelle keine Tilgungserklärung im Sinne von Art. 86 Abs. 1

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 86 - 1 Hat der Schuldner mehrere Schulden an denselben Gläubiger zu bezahlen, so ist er berechtigt, bei der Zahlung zu erklären, welche Schuld er tilgen will. |
4.2 Nach der Rechtsprechung gilt - in Anlehnung an Art. 87

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 87 - 1 Liegt weder eine gültige Erklärung über die Tilgung noch eine Bezeichnung in der Quittung vor, so ist die Zahlung auf die fällige Schuld anzurechnen, unter mehreren fälligen auf diejenige Schuld, für die der Schuldner zuerst betrieben worden ist, und hat keine Betreibung stattgefunden, auf die früher verfallene. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 86 - 1 Hat der Schuldner mehrere Schulden an denselben Gläubiger zu bezahlen, so ist er berechtigt, bei der Zahlung zu erklären, welche Schuld er tilgen will. |
4.3 Die fraglichen von der Gesellschaft getätigten und von der Vorinstanz in Abzug gebrachten Zahlungen (30. April 2002: Fr. 7'275.50; 22. Mai 2002: Fr. 271.20; 12. Juli 2002: Fr. 7'507.35; 23. August 2002: Fr. 51.45) wurden von der Ausgleichskasse unbestrittenermassen an die jeweils auf den verwendeten Einzahlungsscheinen angegebenen Beitragsausstände angerechnet.
Wie aus der im vorinstanzlichen Verfahren von der Ausgleichskasse aufgelegten Beitragsübersicht vom 23. Dezember 2002 ersichtlich ist, handelt es sich bei den Beitragsausständen, welche den verwendeten Einzahlungsscheinen entsprachen, um die ersten Beitragsforderungen, die von der Ausgleichskasse auf dem Betreibungsweg geltend gemacht wurden. So ergibt sich aus dem Vergleich der handschriftlichen Postenangaben hinter den jeweiligen Beträgen mit den einzelnen Rubriken "Mahnung", "Verzugszinsen", "Betreibungskosten" und "Zahlungen" in der Beitragsübersicht, dass die erste von der Vorinstanz in Abzug gebrachte Zahlung von Fr. 7'275.50 vom 30. April 2002 (mit dem handschriftlichen Vermerk "1/02", entsprechend der Beitragsperiode Januar 2002) auch die erste verbuchte Betreibung vom 18.März 2002 betraf (vgl. den dort angebrachten gleichen handschriftlichen Vermerk "1/02") - die Kosten für den ersten Zahlungsbefehl vom 15. März 2002 wurden offenbar auf Grund einer vor Erhebung der Betreibung erfolgten Einzahlung zurückgebucht. Ebenso verhält es sich mit der Zahlung vom 22.Mai 2002 über Fr.271.20, welche gemäss handschriftlichem Postenvermerk ebenfalls dieser ersten Betreibung vom 12.April 2002 entspricht und die Mahn- und
Betreibungskosten sowie die Verzugszinsen dieser Forderung beinhaltet. Schliesslich betrifft die dritte von der Vorinstanz berücksichtigte Zahlung vom 12.Juli 2002 gemäss Postenvermerk ("2/02" entsprechend der Beitragsperiode Februar 2002) die dritte Betreibung vom 17.Mai 2002.
Zwar hat die Ausgleichskasse im kantonalen Verfahren weder die Zahlungsbefehle noch einen detaillierten Konto-Auszug mit den einzelnen Beitragsposten eingereicht, woraus ersichtlich wäre, welche Beitragsrechnungen wann gemahnt und betrieben werden mussten. Soweit aber die Vorinstanz von einer zufälligen Wahl der Einzahlungsscheine ausgeht, ist ihre Sachverhaltsfeststellung bereits auf Grund der Beitragsübersicht in diesem Punkt als fehlerhaft im Sinne von Art.105 Abs. 2

betriebenen Forderungen anzurechnen und durfte aus betreibungsrechtlicher Sicht die geleisteten Beträge nicht an die ältesten Beitragsausstände anrechnen. Die von der Vorinstanz mit dieser Begründung vorgenommene Reduktion der Schadenersatzforderung erfolgte deshalb zu Unrecht.
5.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 86 - 1 Hat der Schuldner mehrere Schulden an denselben Gläubiger zu bezahlen, so ist er berechtigt, bei der Zahlung zu erklären, welche Schuld er tilgen will. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 86 - 1 Hat der Schuldner mehrere Schulden an denselben Gläubiger zu bezahlen, so ist er berechtigt, bei der Zahlung zu erklären, welche Schuld er tilgen will. |
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 30. Juni 2005 insoweit abgeändert, als der Beschwerdegegner verpflichtet wird, der Ausgleichskasse des Kantons Zug über den bereits vorinstanzlich festgesetzten Betrag von Fr. 19'049.75 hinaus Schadenersatz in der Höhe von Fr. 14'222.90 zu leisten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1300.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1'300.- wird der Ausgleichskasse des Kantons Zug zurückerstattet.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 30. Januar 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: