Tribunal federal
{T 0/2}
5C.90/2003 /bnm
Urteil vom 29. August 2003
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Gerichtsschreiber Möckli.
Parteien
X.________ (Ehefau),
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Richard Eichenberger, Weite Gasse 34, Postfach 2052, 5402 Baden,
gegen
Y.________ (Ehemann),
Beklagten und Berufungsbeklagten.
Gegenstand
Ehescheidung,
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, vom 18. Februar
2003.
Sachverhalt:
A.
Die Parteien heirateten am 1. April 1977 vor dem Zivilstandsamt A.________. Sie haben den gemeinsamen Sohn Z.________, geboren 1976. Seit dem 31. Oktober 1999 leben sie getrennt.
B.
Mit Klage vom 11. Januar 2001 beantragte die Ehefrau vor dem Bezirksgericht Baden die Scheidung gestützt auf Art. 115
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
C.
Dagegen hat die Klägerin am 4. April 2003 Berufung erhoben mit dem Begehren um Aufhebung des obergerichtlichen Urteils, um Gutheissung der Scheidungsklage und um Rückweisung zur Beurteilung der Nebenfolgen der Scheidung, eventualiter um Rückweisung der ganzen Streitsache ans Obergericht. Ferner hat sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Mit Berufungsantwort vom 22. August 2003 hat der in Kroatien wohnhafte Beklagte auf Abweisung der Berufung geschlossen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
In tatsächlicher Hinsicht hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 63 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
In rechtlicher Hinsicht hat das Obergericht erwogen, die Beeinträchtigung güterrechtlicher Ansprüche begründe in der Regel keinen Scheidungsanspruch nach Art. 115
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
2.
Vor Ablauf der vierjährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann (Art. 115
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
Art. 115
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen. |
3.
Mag die obergerichtliche Beurteilung hinsichtlich der Abmeldung bei der Einwohnerkontrolle noch vertretbar sein, so ist dies bereits mit Bezug auf die Kündigung der Familienwohnung fraglich; die Verletzung von Art. 169 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken. |
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1 | Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken. |
2 | Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen. |
Art. 122
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 122 - Die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge werden bei der Scheidung ausgeglichen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 122 - Die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge werden bei der Scheidung ausgeglichen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 124 - 1 Bezieht ein Ehegatte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Referenzalter, so gilt der Betrag, der ihm nach Artikel 2 Absatz 1ter des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993205 nach Aufhebung der Invalidenrente zukommen würde, als Austrittsleistung. |
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1 | Bezieht ein Ehegatte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Referenzalter, so gilt der Betrag, der ihm nach Artikel 2 Absatz 1ter des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993205 nach Aufhebung der Invalidenrente zukommen würde, als Austrittsleistung. |
2 | Die Bestimmungen über den Ausgleich bei Austrittsleistungen gelten sinngemäss. |
3 | Der Bundesrat regelt, in welchen Fällen der Betrag nach Absatz 1 wegen einer Überentschädigungskürzung der Invalidenrente nicht für den Ausgleich verwendet werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 122 - Die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge werden bei der Scheidung ausgeglichen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 124 - 1 Bezieht ein Ehegatte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Referenzalter, so gilt der Betrag, der ihm nach Artikel 2 Absatz 1ter des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993205 nach Aufhebung der Invalidenrente zukommen würde, als Austrittsleistung. |
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1 | Bezieht ein Ehegatte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Referenzalter, so gilt der Betrag, der ihm nach Artikel 2 Absatz 1ter des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993205 nach Aufhebung der Invalidenrente zukommen würde, als Austrittsleistung. |
2 | Die Bestimmungen über den Ausgleich bei Austrittsleistungen gelten sinngemäss. |
3 | Der Bundesrat regelt, in welchen Fällen der Betrag nach Absatz 1 wegen einer Überentschädigungskürzung der Invalidenrente nicht für den Ausgleich verwendet werden kann. |
Vorliegend haben die Parteien eine mehr als zwanzig Jahre dauernde Ehe geführt. Entsprechend gross ist mit über Fr. 400'000.-- das Vorsorgeguthaben. Mit der ihr gemäss Art. 122
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 122 - Die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge werden bei der Scheidung ausgeglichen. |
Diese Fakten hat das Obergericht in seinen Erwägungen vollständig ausser Acht gelassen. Die erste Instanz hat immerhin noch erwogen, der Klägerin bleibe der Entschädigungsanspruch nach Art. 124
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 124 - 1 Bezieht ein Ehegatte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Referenzalter, so gilt der Betrag, der ihm nach Artikel 2 Absatz 1ter des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993205 nach Aufhebung der Invalidenrente zukommen würde, als Austrittsleistung. |
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1 | Bezieht ein Ehegatte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Referenzalter, so gilt der Betrag, der ihm nach Artikel 2 Absatz 1ter des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993205 nach Aufhebung der Invalidenrente zukommen würde, als Austrittsleistung. |
2 | Die Bestimmungen über den Ausgleich bei Austrittsleistungen gelten sinngemäss. |
3 | Der Bundesrat regelt, in welchen Fällen der Betrag nach Absatz 1 wegen einer Überentschädigungskürzung der Invalidenrente nicht für den Ausgleich verwendet werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 114 - Ein Ehegatte kann die Scheidung verlangen, wenn die Ehegatten bei Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage oder bei Wechsel zur Scheidung auf Klage mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben. |
Wie das erstinstanzliche Urteil zeigt - das obergerichtliche Urteil entbehrt einer kohärenten Sachverhaltsdarstellung -, hat der Beklagte im Übrigen planmässig operiert und die Klägerin systematisch hintergangen: So hat er nicht nur mehrfach ihre Unterschrift gefälscht, um die eheliche Wohnung zu kündigen, die Abmeldung bei der Einwohnerkontrolle vorzunehmen und insbesondere das Vorsorgeguthaben zu beziehen, vielmehr hat er nach den Aussagen der Klägerin auch sämtliche Möbel, das gemeinsame Auto und selbst ihre persönlichen Sachen wie Kleider und Schuhe heimlich nach Kroatien überführt.
Vor diesem Hintergrund, insbesondere aber angesichts der Prellung um die ganz erheblichen Vorsorgemittel ohne die Möglichkeit, sich noch in angemessener Weise eine eigene berufliche Vorsorge aufbauen zu können, ist es der Klägerin nicht zuzumuten, mit dem Beklagten auch nur auf dem Papier weiterhin verheiratet zu sein. Sie hat demnach einen auf Art. 115
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
In Gutheissung der Berufung ist das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, vom 18. Februar 2003 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
4.
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 115 - Vor Ablauf der zweijährigen Frist kann ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn ihm die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden Gründen, die ihm nicht zuzurechnen sind, nicht zugemutet werden kann. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, vom 18. Februar 2003 aufgehoben. Die Sache wird zum materiellen Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.
3.
Das Gesuch der Klägerin um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist, und es wird ihr als unentgeltlicher Beistand Rechtsanwalt Eichenberger beigegeben.
4.
Der Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. Im Fall der Uneinbringlichkeit wird Rechtsanwalt Eichenberger aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, sowie dem Bundesamt für Justiz, Abteilung internationale Rechtshilfe, Sektion Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. August 2003
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: