Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B 394/2010

Urteil vom 29. Januar 2011
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Merkli,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau.

Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 12. November 2010 des Präsidenten der Anklagekammer des Kantons St. Gallen.

Sachverhalt:

A.
Am 21. Juli 2010 erstatteten X.________ und Y.________ Strafanzeige gegen Z.________. Sie beschuldigten diesen, am 19. Juli 2010, zwischen 01:10 und 01:42 Uhr, in Engelburg bei der Deponie Tüfentobel onaniert zu haben, wobei sie zugeschaut hätten. Zudem habe er zwei bis drei Wochen zuvor in seinem Garten onaniert, was Y.________ gesehen habe.

Am 2. September 2010 verwies das Untersuchungsamt Gossau die Strafklage wegen des Verdachts auf Exhibitionismus und sexueller Belästigung auf den Weg des Privatstrafklageverfahrens. Dagegen erhob X.________ Rechtsverweigerungsbeschwerde und beantragte, ihm unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Der Präsident der Anklagekammer des Kantons St. Gallen wies das Begehren um unentgeltliche Prozessführung ab und setzte X.________ eine nicht erstreckbare Frist von 10 Tagen zur Leistung einer Einschreibgebühr von 400 Franken, unter der Androhung, dass die Beschwerde bei unbenütztem Ablauf der Frist nicht berücksichtigt werde.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Präsidialentscheid aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, ihm unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Ausserdem ersucht er um aufschiebende Wirkung und unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.

C.
Am 21. Dezember 2010 erkannte das präsidierende Mitglied der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.

D.
Die Staatsanwaltschaft und die Anklagekammer verzichten auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Mit dem angefochtenen, unter der Herrschaft des Strafprozessgesetzes des Kantons St. Gallen vom 1. Juli 1999 (StPO/SG) ergangenen Entscheid lehnte es der Präsident der Anklagekammer ab, dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren gegen die Verweisung des Strafverfahrens auf den Weg des Privatstrafklageverfahrens nach den Art. 294 ff. StPO/SG unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Am 1. Januar 2011 trat die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (SR 312.0; StPO) in Kraft (AS 2010 1881), welche die kantonalen Strafprozessordnungen ablöst. Nach deren hier massgebenden Übergangsbestimmungen werden altrechtliche Privatstrafklageverfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der StPO noch nicht bei einem erstinstanzlichen Gericht hängig waren, nach neuem Recht fortgeführt (Art. 448 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 448 Anwendbares Recht - 1 Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, werden nach neuem Recht fortgeführt, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen.
1    Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, werden nach neuem Recht fortgeführt, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen.
2    Verfahrenshandlungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt worden sind, behalten ihre Gültigkeit.
i.V.m. Art. 450
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 450 Erstinstanzliches Hauptverfahren - Ist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes die Hauptverhandlung bereits eröffnet, so wird sie nach bisherigem Recht, vom bisher zuständigen erstinstanzlichen Gericht, fortgeführt.
StPO e contrario). Dieses sieht keine Privatstrafklageverfahren vor, womit die bis anhin bestehende Möglichkeit, das vom Beschwerdeführer angestrengte Strafverfahren ins Privatstrafklageverfahren zu verweisen, ohne Weiteres entfällt. Dementsprechend sind sowohl das vom Beschwerdeführer im Kanton angehobene Beschwerdeverfahren gegen die Verweisung des Strafverfahrens auf den Weg des Privatstrafklageverfahrens als auch die vorliegende Beschwerde gegen die dabei als Zwischenentscheid ergangene Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege ohne Weiteres gegenstandslos geworden.

2.
Die Beschwerde ist somit als gegenstandslos abzuschreiben. Es rechtfertigt sich unter den gegebenen Umständen, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird als gegenstandslos abgeschrieben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen und dem Präsidenten der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Januar 2011
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Fonjallaz Störi
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 1B_394/2010
Datum : 29. Januar 2011
Publiziert : 16. Februar 2011
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Strafprozess
Gegenstand : Unentgeltliche Rechtspflege


Gesetzesregister
BGG: 66
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
StPO: 448 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 448 Anwendbares Recht - 1 Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, werden nach neuem Recht fortgeführt, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen.
1    Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, werden nach neuem Recht fortgeführt, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen.
2    Verfahrenshandlungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt worden sind, behalten ihre Gültigkeit.
450
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 450 Erstinstanzliches Hauptverfahren - Ist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes die Hauptverhandlung bereits eröffnet, so wird sie nach bisherigem Recht, vom bisher zuständigen erstinstanzlichen Gericht, fortgeführt.
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