Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung V
E-816/2020
Urteil vom 29. Dezember 2020
Einzelrichterin Esther Marti,
Besetzung mit Zustimmung von Richter Grégory Sauder;
Gerichtsschreiberin Nina Klaus.
A._______, geboren am (...),
Sri Lanka,
Parteien vertreten durch Rajeevan Linganathan, Rechtsanwalt,
Clivia Wullimann & Partner Rechtsanwälte und Notariat,
(...),
Beschwerdeführer,
gegen
Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 9. Januar 2020 / N (...).
Sachverhalt:
A.
A.a Der Beschwerdeführer, ein sri-lankischer Staatsangehöriger tamilischer Ethnie mit letztem Aufenthalt in B._______ (Nordprovinz), verliess Sri Lanka gemäss eigenen Angaben am (...) 2015 auf dem Luftweg, mit Reisedokumenten, die sein Schlepper besorgt habe, und gelangte über C._______ am 3. November 2015 in die Schweiz, wo er am 4. November 2015 um Asyl nachsuchte. Am 27. November 2015 wurde er summarisch zu seiner Person befragt (BzP; Protokoll in den SEM-Akten: A4/11). Am 24. März 2017 erfolgte die Anhörung zu seinen Asylgründen (Protokoll in den SEM-Akten: A10/11; nachfolgend: A10).
A.b Zur Begründung seines Asylgesuchs machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, sein ältester Bruder D._______ (in der Folge D.) sei (...) - kurz vor der Sperrung des Gebietes - E._______ gegangen. Dort sei er von den LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) zwangsrekrutiert worden. Nachdem die Behörden die Abwesenheit von D. bemerkt hätten, hätten der Beschwerdeführer und seine Familie Probleme bekommen. Ein weiterer Bruder, V., habe sich deshalb von der Familie abgewandt und sie hätten seither nichts mehr von ihm gehört. Da seine Familie auch um den Beschwerdeführer besorgt gewesen sei, habe sie ihn in ein Internat in F._______ gebracht, wo er fortan die Schule besucht habe. D. sei dann am (...) 2009 E._______ getötet worden. Als er daraufhin zu seiner Familie nach G._______ zurückgekehrt sei, hätten Angehörige des Militärs ihn zu seiner Abwesenheit befragt. Um den Anhaltungen und Befragungen an den militärischen Stützpunkten zu entgehen, habe ihn die Mutter wiederum in eine andere Schule, dieses Mal in H._______, gebracht. Dort habe er 2012 die A-Level Prüfung abgelegt, und weil er nicht genügend Punkte für ein Studium erreicht habe, sei er erneut zur Familie nach G._______ zurückgekehrt. Im (...) 2012 habe das CID (Criminal Investigation Department) dann seinen Vater festgenommen. Es sei ihm aber die Flucht gelungen, was sie erfahren hätten, weil der Vater sich im (...) 2012 telefonisch gemeldet habe, um mitzuteilen, dass es ihm gut gehe, sie aber nicht versuchen sollten, ihn zu kontaktieren. Seither habe er nichts mehr von seinem Vater gehört. Er selbst sei dann mehrmals mitgenommen und insbesondere zum Aufenthaltsort von D. und seinem Vater befragt worden. Er sei deshalb zu einer Freundin seiner Mutter nach B._______ gezogen. Anfang Februar 2015 habe er erfahren, dass seine Mutter krank sei; deshalb sei er nach Hause zurückgekehrt. Kurz darauf hätten ihn zwei Soldaten auf der Strasse angehalten und ins Camp gebracht. Dort sei er erneut zu seiner Abwesenheit sowie zum Aufenthaltsort von D. und seinem Vater befragt worden. Sie hätten ausserdem kontrolliert, ob er Verletzungen aufweise und ihn beschuldigt, sich während des Krieges E._______ aufgehalten zu haben. Er sei geschlagen und - auch sexuell - misshandelt worden. Dass D. längst tot sei, hätten sie ihm nicht geglaubt, sondern ihm vorgeworfen, sie hätten immer noch mit ihm Kontakt. Seine Identitätskarte sei ihm abgenommen und es sei ihm verboten worden, an einen anderen Ort zu gehen. Am darauffolgenden Tag sei er mit der Hilfe eines Friedensrichters wieder freigelassen worden. Aus Angst vor weiteren Problemen habe er Sri Lanka verlassen. Nach seiner Ausreise sei dann sein Bruder I._______ vom CID in deren Camp in G._______
mitgenommen worden. Er sei nach dem Beschwerdeführer befragt und noch am selben Tag wieder freigelassen worden.
A.c Der Beschwerdeführer reichte folgende Beweismittel zu den Akten:
Eine beglaubigte Kopie seines Geburtsscheines, eine Kopie seiner Identitätskarte, seinen Schülerausweis von 2008 im Original, drei Schulbestätigungen im Original vom 27. April 2010 und vom 21. April 2015, eine beglaubigte Kopie sowie eine auf Englisch verfasste Übersetzung vom 3. August 2015 der Todesbescheinigung seines Bruders, ein Schreiben des Friedensrichters in G._______, ein Schreiben der (...) Clinic in G._______ vom 9. Februar 2015, ein Schreiben der (...) Kirche in G._______ vom 5. Juli 2016, ein Schreiben der Berufsgenossenschaft für (...) in G._______ vom 7. März 2017 (alle im Original) und ein Foto (auf dem der Beschwerdeführer in Freizeitkleidung sowie ein uniformierter Soldat zu sehen sind).
B.
Mit Verfügung vom 9. Januar 2020 - eröffnet am 13. Januar 2020 - verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers und lehnte sein Asylgesuch ab. Gleichzeitig ordnete es seine Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an.
C.
Mit Eingabe vom 12. Februar 2020 erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Er beantragt, die Verfügung des SEM vom 9. Januar 2020 sei aufzuheben und unter Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei ihm Asyl zu gewähren. Eventualiter sei die Unzulässigkeit und/oder die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen und die vorläufige Aufnahme zu verfügen. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Zur Stützung seiner Vorbringen reichte er unter anderem ein Foto (das seinen Bruder D. bei den «Sea Tigers» zeige), eine Kopie der Identitätskarte von D. und diverse Medienberichte zur Situation in Sri Lanka vom März 2017, November 2018 sowie November und Dezember 2019 zu den Akten.
D.
Mit Zwischenverfügung vom 18. Februar 2020 stellte die zuständige Instruktionsrichterin das einstweilige Anwesenheitsrecht des Beschwerdeführers in der Schweiz fest und forderte ihn auf, bis zum 4. März 2020 einen Vorschuss an die Verfahrenskosten von Fr. 750.- zu leisten. In der Folge bezahlte der Beschwerdeführer den Kostenvorschuss fristgerecht.
E.
E.a Mit Zwischenverfügung vom 22. Oktober 2020 lud die Instruktionsrichterin das SEM mit Hinweis auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Vernehmlassung ein.
E.b In ihrer Vernehmlassung vom 5. November 2020 hält die Vorinstanz mit ausführlichen ergänzenden Erwägungen an ihrer Verfügung fest und beantragt implizit die Abweisung der Beschwerde.
E.c Innert erstreckter Frist replizierte der Beschwerdeführer am 7. Dezember 2020. Er verweist ergänzend auf seine Beschwerde und beantragt sinngemäss deren Gutheissung. Als Beilage wurde eine Honorarnote vom 7. Dezember 2020 zu den Akten gereicht.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG). Hinsichtlich des AsylG gilt das alte Recht (Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).
1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutz-würdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (vgl. aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
3.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich begründet. Sie ist deshalb im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters oder einer zweiten Richterin (Art. 111 Bst. e AsylG) und mit summarischer Begründung (Art. 111a Abs. 2 AsylG) zu behandeln.
4.
4.1 Zur Begründung des Asylentscheids qualifiziert die Vorinstanz die Vorbringen des Beschwerdeführers zum einen den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit als nicht genügend. Sie hält diesbezüglich im Wesentlichen fest, seine Vorbringen erschienen konstruiert und seien unplausibel, oberflächlich sowie widersprüchlich. Bezüglich der vorgebrachten körperlichen Misshandlung anlässlich der Mitnahme durch das Militär im Februar 2015 hält das SEM dem Beschwerdeführer insbesondere entgegen, er habe diese weder in der BzP noch im freien Bericht der Anhörung erwähnt, sondern erst gegen Ende der Anhörung, als er gefragt worden sei, ob er alles erzählt habe. In Anbetracht dessen, dass er bis zu diesem Zeitpunkt mehrfach die Möglichkeit gehabt habe, darüber zu berichten, erscheine seine Erklärung für die Verspätung - dass er nicht gewusst habe, wie er dies hätte erzählen sollen - als Ausflucht.
Zum anderen hält das SEM fest, es bestehe kein begründeter Anlass zur Annahme, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Sri Lanka mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft asylrelevanten Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt sein werde.
4.2 In seiner Beschwerdeschrift bringt der Beschwerdeführer unter anderem zur Begründung seines Rückweisungsantrages vor, das SEM habe den Sachverhalt unvollständig, unrichtig sowie willkürlich ermittelt und festgestellt. Zwar habe das SEM dem Beschwerdeführer an der Anhörung angeboten, er könne die Aussage zu den geltend gemachten Misshandlungen anlässlich der Festhaltung von Anfang Februar 2015 in Abwesenheit der bis dahin anwesenden Frauen weiterführen. Es habe somit erkannt, dass die Schilderung den Beschwerdeführer möglicherweise Überwindung gekostet habe. Gleichzeitig habe es aber nicht berücksichtigt, dass seine mit einer solchen Misshandlung verbundene Scham gerade ein Grund für die späte Erwähnung sein könne.
4.3 In ihrer Vernehmlassung hält die Vorinstanz im Wesentlichen entgegen, der Beschwerdeführer sei bereits zu Beginn des Asylverfahrens mittels Merkblatt darauf aufmerksam gemacht worden, dass bei geltend gemachter geschlechtsspezifischer Verfolgung ein gleichgeschlechtliches Team für die Anhörung bereitgestellt werde. Zudem sei ihm anlässlich der BzP aufgezeigt worden, dass die offene und vollständige Berichterstattung seiner Asylgründe in seiner Verantwortung liege. Dennoch habe er während der BzP von den geschlechtsspezifischen Gründen nichts erwähnt. Der Beschwerdeführer habe diesbezüglich während des erstinstanzlichen Asylverfahrens weder eine kantonale Beratungsstelle für Asylsuchende um Unterstützung gebeten noch habe er das SEM auf eine allfällig gewünschte Teamzusammenstellung für die Anhörung aufmerksam gemacht. Zu Beginn der Anhörung sei er erneut auf die Verpflichtung, wahrheitsgemässe und vollständigen Ausführungen zu machen, hingewiesen worden. Demnach wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, bereits zu einem früheren Zeitpunkt über die angeblichen Misshandlungen zu berichten, unbesehen seines Schamgefühls. Trotz alledem habe der Befrager an der Anhörung dem Beschwerdeführer noch angeboten, dass er die vorgebrachte sexuelle Misshandlung in Abwesenheit der Protokollführerin und der Hilfswerksvertreterin machen könne. Indem der Beschwerdeführer dieses Angebot jedoch ausgeschlagen habe, habe er ausdrücklich auf ein geschlechtsneutrales Anhörungsteam verzichtet. Auch seine ergänzende Aussage, dass er alles gesagt habe, was er erlebt habe, deute nicht daraufhin, dass er in einem reinen Männerteam andere oder weitergehende Angaben gemacht hätte. Das SEM habe folglich der massgeblichen Rechtsprechung genügend Rechnung getragen. Angesichts dessen, seien die vorgebrachten Misshandlungen als nachgeschoben zu betrachten; dass sie unglaubhaft seien ergebe sich im Übrigen auch aus dem als Beweismittel eingereichten medizinischen Bericht, der keine Misshandlung (...) erwähne.
4.4 In der Replik entgegnet der Beschwerdeführer im Wesentlichen, dass er vorgängig keine gleichgeschlechtliche Teamzusammensetzung verlangt habe, sei irrelevant, denn die Behörde sei zur Einleitung entsprechender Massnahmen verpflichtet, wenn konkrete Hinweise auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung vorlägen (m.H.a. BVGE 2015/42 E. 5.2). Die Feststellung der Vorinstanz, wonach er Übergriffe sexueller Art erstmalig gegen Ende der Anhörung erwähnt habe, sei unzutreffend. Denn bereits im vorherigen Verlauf der Anhörung seien seinen Aussagen Hinweise darauf zu entnehmen. So habe er vorgebracht, er sei ausgezogen und am Körper kontrolliert worden. Spätestens aber als es gegen Ende der Anhörung offensichtlich geworden sei, dass er eine sexuelle Misshandlung erlitten habe, hätte eine Neuansetzung der Anhörung, unter Einsetzung eines gleichgeschlechtlichen Teams, erfolgen müssen. Sodann könne - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - nicht von ausdrücklichem Verzicht auf die Anhörung durch ein reines Männerteam gesprochen werden, da er anlässlich der Anhörung nicht über die entsprechenden Bestimmungen aufgeklärt worden sei (m.H.a. A10 F67). Es sei davon auszugehen, dass er in einem reinen Männerteam ausführlicher und detaillierter über das Erlebte gesprochen hätte. Es sei ihm offenkundig schwergefallen, über dieses Thema zu sprechen. Dafür spreche zum einen der Umstand, dass er sich erst gegen Ende der Anhörung habe überwinden können, diese heikle Angelegenheit anzusprechen. Er habe diesbezüglich auch erwähnt, dass er nicht wisse, wie er das sagen solle und sei in Anbetracht derart belastender und traumatischer Misshandlungen auffällig knapp geblieben. Zum anderen sei er während der Anhörung emotional sehr belastet gewesen. So habe er mehrmals weinen müssen, zuletzt auch während der Erzählung des diesbezüglichen Vorfalles. Es sei deshalb wahrscheinlich, dass er aus Scham gegenüber den bei der Anhörung anwesenden beiden Frauen darauf verzichtet habe, ausführlicher über das in der Haft Erlittene zu berichten. Schliesslich verweist der Beschwerdeführer auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-6707/2013 vom 14. Juli 2014, dessen Sachverhalt beinahe identisch mit demjenigen des vorliegenden Verfahrens sei.
5.
5.1 Nach einer Prüfung der Akten erweist sich das formelle Beschwerdebegehren als offensichtlich begründet. Dies aus folgenden Gründen:
5.2 Gemäss Art. 17 Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 6 der Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen vom 11. August 1999 (AsylV 1, SR 142.311) wird die asylsuchende Person von einer Person gleichen Geschlechts befragt, wenn konkrete Hinweise auf geschlechtsspezifische Verfolgung vorliegen. Geschlechtsspezifisch ist die Verfolgung dann, wenn sie in der Form sexueller Gewalt stattfindet oder die sexuelle Identität des Opfers treffen soll (vgl. BVGE 2015/42 unter Hinweis auf Entscheidungen und Mitteilungen der [vormaligen] Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2003 Nr. 2 E. 5a und b S. 16 ff.). Das Geschlecht soll nach Möglichkeit auch bei der Auswahl der Personen, die als Dolmetscher eingesetzt werden und das Protokoll führen, berücksichtigt werden. Art. 6 AsylV 1 - der bei Frauen und Männern gleichermassen Anwendung findet - ist eine Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs, mithin eine Schutzvorschrift, deren Zweck es ist, dass asylsuchende Personen ihre Sache angemessen vortragen, das heisst konkret erlittene Übergriffe möglichst frei und unbeeinträchtigt von Schamgefühlen schildern können. Gleichzeitig dient sie dazu, die Richtigkeit der Sachverhaltsabklärung zu gewährleisten. Da diese Schutzvorschrift nicht bloss ein Recht der asylsuchenden Person beinhaltet, eine solche Befragung zu verlangen, sondern die Behörde dazu verpflichtet, in der vorgesehenen Weise vorzugehen, sobald entsprechende Hinweise vorliegen, ist sie von Amtes wegen anzuwenden. Ein Verzicht der betroffenen asylsuchenden Person auf die Befragung durch eine Person gleichen Geschlechts kann nur dann angenommen werden, wenn er ausdrücklich erklärt wird (vgl. EMARK 2003 Nr. 2 E. 5b/dd und E. 5c S. 19 f.).
5.3 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung wäre das SEM verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer nach seinen Aussagen unter F64ff. der Anhörung (A10), spätestens nach seiner Aussage unter F66, auf die Schutzvorschrift von Art. 6 AsylV 1 aufmerksam zu machen und ihn über seine Rechte - eine Anhörung zu den Asylgründen in einem reinen Männerteam - aufzuklären (vgl. BVGE 2015/42 E. 5 und die dort zitierte Rechtsprechung). Denn diesen Aussagen sind konkrete Hinweise auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung (in Form sexueller Gewalt) zu entnehmen (vgl. A10 F65-F67). Wie unter Erwägung 5.2 aufgezeigt, ist Art. 6 AsylV 1 von Amtes wegen anzuwenden, sobald konkrete Hinweise auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung vorliegen, weshalb vom Beschwerdeführer nicht erwartet werden durfte, eigenständig eine Anhörung durch ein gleichgeschlechtliches Team zu verlangen, selbst wenn dieser Hinweis auf dem Merkblatt beim Eintritt ins Asylverfahren enthalten sei. Der Beschwerdeführer wurde dann zwar gefragt, ob er möchte, dass die beiden anwesenden Frauen hinausgehen, woraufhin er antwortete, nein, das sei alles was passiert sei (vgl. A10 F67). Daraus kann - wiederum entgegen der Ansicht der Vorinstanz - nicht geschlossen werden, der Beschwerdeführer habe ausdrücklich auf die Anhörung durch ein reines Männerteam verzichtet, zumal es der Befrager unterlassen hat, den Beschwerdeführer über seine diesbezüglichen Rechte aufzuklären und er folglich auch nicht auf die Wahrnehmung dieser Rechte verzichten konnte.
Selbst wenn dies angesichts der formellen Natur dieser Vorschrift nicht entscheidend ist, kann aus den Aussagen des Beschwerdeführers, anders als das SEM dies tut, nicht gefolgert werden, er hätte in einem reinen Männerteam weder andere noch ergänzende Angaben gemacht. Vielmehr lassen die konkreten Umstände durchaus die Annahme zu, dass der Beschwerdeführer aus Scham gegenüber der bei der Anhörung anwesenden Frauen darauf verzichtet hat, ausführlicher über das in der Haft Erlittene zu berichten. Denn dem Anhörungsprotokoll ist gerade zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer offenbar Mühe hatte, über die vorgebrachte Misshandlung zu sprechen. So weinte er bei den entsprechenden Aussagen - was auch von der Hilfswerksvertretung angemerkt wurde -, und er gab an, er habe die Misshandlungen nicht früher erwähnt, da er nicht wisse, wie er das sagen solle (vgl. A10 F66). Inwiefern in dieser Erklärung eine Ausflucht liegen soll, wie das SEM festhält, erhellt nicht, zumal damit gerade der Kerngehalt der Schutzbestimmung angesprochen wird.
5.4 Damit ergibt sich, dass die Vorinstanz dadurch, dass sie den Beschwerdeführer trotz klaren Hinweisen auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung bei der Anhörung nicht hinreichend über seine Rechte aufgeklärt respektive die Anhörung nicht abgebrochen und ihn durch ein reines Männerteam zu seinen Asylgründen anhören liess, den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig respektive unvollständig festgestellt und damit Bundesrecht verletzt hat. Die Verletzung fällt umso schwerer ins Gewicht, als das SEM die Unglaubhaftigkeit der Sachdarstellung unter anderem gerade noch mit den angeblich unsubstantiierten Angaben des Beschwerdeführers zur Haft begründet. Angesichts der formellen Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehör spielt allerdings von vornherein keine Rolle, ob die Missachtung der Verfahrensvorschrift von Art. 6 AsylV 1 auch Einfluss auf das Ergebnis hatte.
6.
Beschwerden gegen Verfügungen des SEM betreffend die Verweigerung des Asyls und die Anordnung der Wegweisung haben grundsätzlich reformatorischen und nur ausnahmsweise kassatorischen Charakter (Art. 105 AsylG sowie Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 VwVG). Eine reformatorische Entscheidung setzt indessen voraus, dass die Sache entscheidreif ist; dazu muss insbesondere der rechtserhebliche Sachverhalt richtig und vollständig festgestellt worden sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es kann nicht Sinn des Beschwerdeverfahrens sein, für eine vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen, wenn im vorinstanzlichen Verfahren die erforderlichen Sachverhaltsabklärungen unterblieben sind (EMARK 2004 Nr. 38 E. 7). Es ist insbesondere nicht Sache des Bundesverwaltungsgerichts, die vom SEM pflichtwidrig unterlassene Anhörung des Beschwerdeführers durch ein reines Männerteam nachzuholen. Abgesehen davon ginge dem Beschwerdeführer dadurch eine Überprüfungsinstanz verloren.
7.
Bei dieser Sachlage ist die Beschwerde gutzuheissen. Die Verfügung vom 9. Januar 2020 ist aufzuheben und das SEM ist anzuweisen, den Beschwerdeführer durch ein reines Männerteam zu seinen Asylgründen anzuhören, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig respektive vollständig festzustellen und über das Asylgesuch neu zu entscheiden.
Auf die im Beschwerdeverfahren in reformatorischer Hinsicht gestellten Rechtsbegehren und deren Begründung - in der Beschwerde und der Replik - sowie auf die eingereichten Beweismittel ist bei diesem Verfahrensausgang nicht einzugehen. Das SEM ist darauf aufmerksam zu machen, dass es seine Sache sein wird, sich im Rahmen des wiederaufzunehmenden erstinstanzlichen Asylverfahrens damit zu befassen.
8.
8.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Verfahrenskosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Der am 28. Februar 2020 geleistete Kostenvorschuss von Fr. 750.- ist zurückzuerstatten.
8.2 Dem vertretenen Beschwerdeführer ist angesichts seines Obsiegens in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihm notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen. Sein Rechtsvertreter hat mit der Replik eine Kostennote zu den Akten gereicht, die einen zeitlichen Vertretungsaufwand von insgesamt 17.42 Stunden zu einem Stundenansatz von Fr. 250.- ausweist. Der zeitliche Aufwand scheint allerdings nicht vollumfänglich angemessen. Dies betrifft insbesondere der mit 9.5 Stunden veranschlagte Zeitaufwand für das Verfassen der Beschwerde, inklusive Aktenstudium, zumal weder die Wiedergabe des Sachverhalts noch ausführliche allgemeine Ausführungen zur politischen Lage in Sri Lanka als notwendig zu betrachten. Er ist deshalb um 2 Stunden zu kürzen. Auch der für die Replik geltend gemachte zeitliche Aufwand von sechs Stunden scheint überhöht und ist auf 4 Stunden zu kürzen. Der zeitliche Vertretungsaufwand ist demnach auf - gerundet - insgesamt 13 Stunden zu kürzen. Unter Einbezug der veranschlagten Kosten für die Auslagen von Fr. 98.90 ergibt sich somit unter Berücksichtigung der massgeblichen Bemessungsfaktoren (Art. 8 ff . VGKE) ein Betrag von Fr. 3'607.- (inkl. Mehrwertsteuerzuschlag im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bst. c VGKE). Die Vorinstanz ist anzuweisen, dem Beschwerdeführer diesen Betrag auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
2.
Die Verfügung vom 9. Januar 2020 wird aufgehoben. Die Sache wird an das SEM zurückgewiesen mit der Anweisung, den Beschwerdeführer durch ein reines Männerteam zu seinen Asylgründen anzuhören, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig respektive vollständig festzustellen und über das Asylgesuch neu zu entscheiden.
3.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 750.- wird zurückerstattet.
4.
Das SEM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 3'607.- auszurichten.
5.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Esther Marti Nina Klaus
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