Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas

Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts

Prozess {T 7}
I 203/06

Urteil vom 28. Dezember 2006
III. Kammer

Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiber Schmutz

Parteien
B.________, 1972, Beschwerdeführer, vertreten
durch den Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten,

gegen

IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin

Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 27. Januar 2006)

Sachverhalt:
A.
B.________, 1972 in Kosovo geboren, ist gelernter Metallurge. Mit neunzehn Jahren wurde er ins Militär eingezogen. Nach sieben Monaten Einsatz als Artillerist an der Kriegsfront in Kroatien desertierte er während eines Heimaturlaubes. Er hielt sich während zweier Jahre versteckt, bevor er 1994 in die Schweiz einreiste. Hier ist er seit 1997 verheiratet und seit 2001 eingebürgert. Zuletzt war er als Hauswart/Allrounder berufstätig. Am 27. Januar 2003 meldete er sich unter Hinweis auf seit Januar 2002 bestehende Rückenschmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Rente) an. Laut Bericht des Spitals X.________ (Medizinische Abteilung) vom 15. Juli 2002 litt er an einem lumbosakralen Schmerzsyndrom mit psychogener Gangstörung mit/bei Status nach traumatisch erlebter Infiltration im Bereich des Ileosakralgelenkes im März 2002, Chronifizierung, Symptomausweitung mit Bewegungsstörung der Finger bei zusätzlich depressiver Entwicklung und narzisstischer und konversionsneurotisch-dissoziativer Regulation. Nach Einholung weiterer Berichte behandelnder Ärzte und eines Gutachtens des Ärztlichen Begutachtungsinstituts Q.________ (nachfolgend: ABQ), vom 15. März 2004 lehnte die IV-Stelle des Kantons Solothurn das Leistungsgesuch
mit Verfügung vom 5. April 2004 ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 19. November 2004 fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 27. Januar 2006 ab.
C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihm eine Invalidenrente zuzusprechen; die IV-Stelle sei zu verpflichten, auf den Invalidenleistungen ab wann rechtens einen Verzugszins von 5 % zu bezahlen.
Verwaltung und Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Eidgenössische Versicherungsgericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, welche dem neuen Abs. 1 entspricht.
2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zu den Begriffen der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 6 Arbeitsunfähigkeit - Arbeitsunfähigkeit ist die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte, volle oder teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten.9 Bei langer Dauer wird auch die zumutbare Tätigkeit in einem anderen Beruf oder Aufgabenbereich berücksichtigt.
ATSG), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 7 Erwerbsunfähigkeit - 1 Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt.
1    Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt.
2    Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist.11
ATSG) und der Invalidität (Art. 8 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 8 Invalidität - 1 Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
1    Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
2    Nicht erwerbstätige Minderjährige gelten als invalid, wenn die Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit voraussichtlich eine ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird.12
3    Volljährige, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, gelten als invalid, wenn eine Unmöglichkeit vorliegt, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen. Artikel 7 Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar.13 14
ATSG; Art. 4 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 4 Invalidität - 1 Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
1    Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
2    Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat.48
IVG), zu Umfang (Art. 28 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 28 Grundsatz - 1 Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
1    Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
a  ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können;
b  während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG206) gewesen sind; und
c  nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (Art. 8 ATSG) sind.
1bis    Eine Rente nach Absatz 1 wird nicht zugesprochen, solange die Möglichkeiten zur Eingliederung im Sinne von Artikel 8 Absätze 1bis und 1ter nicht ausgeschöpft sind.207
2    ...208
IVG und altArt. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG) und Beginn des Rentenanspruchs (Art. 29 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 29 Beginn des Anspruchs und Auszahlung der Rente - 1 Der Rentenanspruch entsteht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG217, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt.
1    Der Rentenanspruch entsteht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG217, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt.
2    Der Anspruch entsteht nicht, solange die versicherte Person ein Taggeld nach Artikel 22 beanspruchen kann.
3    Die Rente wird vom Beginn des Monats an ausbezahlt, in dem der Rentenanspruch entsteht.
4    Beträgt der Invaliditätsgrad weniger als 50 Prozent, so werden die entsprechenden Renten nur an Versicherte ausbezahlt, die ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz haben. Diese Voraussetzung ist auch von Angehörigen zu erfüllen, für die eine Leistung beansprucht wird.
IVG) und zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 16 Grad der Invalidität - Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre.
ATSG) sowie die Rechtsprechung zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4), zum Beweiswert medizinischer Unterlagen (BGE 125 V 353 Erw. 3a) und zu den psychischen Gesundheitsschäden (BGE 130 V 353 Erw. 2.2.1 bis 2.2.3; 127 V 298 Erw. 4c in fine) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Invalidenrente hat.
3.1 Verwaltung und Vorinstanz stützten sich bei ihren Entscheiden in erster Linie auf die Expertise des ABQ vom 15. März 2004 ab. Der Beschwerdeführer wurde dort polydisziplinär untersucht. Die Experten kamen zum Schluss, dass aus medizinisch-theoretischer Sicht in der angestammten Tätigkeit keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestehe und medizinische oder berufliche Massnahmen nicht angezeigt seien. Aus psychiatrischer Sicht konnte Dr. med. G.________ bei dem unter Schmerzen im unteren Teil des Rückens, unter Schulterschmerzen und unter unklaren Gangstörungen leidenden Exploranden keine Hinweise auf psychische und soziale Belastungsfaktoren ausmachen, die zum Zeitpunkt des Beginns der Schmerzstörung vorhanden waren, weshalb er die Diagnose einer Somatisierungsstörung nicht stellen konnte, und ebenso nicht diejenige einer dissoziativen Störung, weil diese zwingend das Vorhandensein eines zeitlichen Zusammenhangs mit Belastungen, Problemen und gestörten Beziehungen voraussetze. Diagnostisch handelte es sich nach Ansicht des Experten um eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (ICD-10 F68.0). Er erklärte es damit, ursprünglich sicher zum Teil auch körperlich bedingte Schmerzen würden auf Grund des
psychischen Zustandes des Betroffenen aggraviert und führten zu einer Symptomausweitung. Die Hintergründe für diese psychische Überlagerung beim Exploranden seien weitgehend unklar, schwere Belastungen zum Zeitpunkt der Entstehung der Störung hätten jedenfalls mit Sicherheit nicht vorgelegen. Auch liege keine depressive Störung vor. Ebenso würden sich in der klinischen Untersuchung und den anamnestischen Angaben keine Hinweise auf eine narzisstische Persönlichkeitsproblematik finden. Die Symptomatik (Schmerzen, Bewegungsstörung) könne aus psychiatrischer Sicht nicht begründet werden. Eine psychiatrische Erkrankung im engeren Sinne liege nicht vor. Es könne einzig festgestellt werden, dass die Symptomatik aus psychischen Gründen verursacht sei, die jedoch nicht näher erklärt werden könnten. Eine schwerere depressive Erkrankung liege mit Sicherheit nicht vor. Aus psychiatrischer Sicht bestehe keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, weshalb auch medizinische oder berufliche Massnahmen nicht notwendig seien. Es sei dem Untersuchten zumutbar, die nötige Willensanstrengung aufzubringen, um weiterhin ganztags seiner angestammten Tätigkeit nachzugehen.
3.2 Dagegen lässt der Beschwerdeführer unter Verweis unter anderem auf Berichte des Spitals X.________ vom 15. Juli 2002 und der Klinik Y.________ vom 14. Mai 2004 vorbringen, alle Ärzte attestierten ihm eine vollständige Arbeitsunfähigkeit. Die Einschätzungen des ABQ würden den Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit nicht gerecht. Er verweist dazu auf das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten vom 20. April 2005 des Dr. med. E.________, Oberarzt am Spital Z.________. Dieser nannte als Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit eine mittelschwere depressive Störung bei posttraumatischer Belastungsstörung sowie eine chronische somatoforme Schmerzstörung bei chronischem thorakolumbovertebralem Schmerzsyndrom mit Wirbelsäulenfehlhaltung und muskulärer Dysbalance. Die posttraumatische Belastungsstörung sei, bei Verdacht auf unterschwellige psychische Vortraumatisierung, durch einen als sehr bedrohlich erlebten ärztlichen Eingriff ausgelöst worden. Die Komplexität des Falles lege eine Multikausalität der diagnostizierten mittelschweren depressiven Störung nahe; eine posttraumatische Belastungsstörung gehe nahezu regelhaft mit einer Depression einher, und die vorliegende chronische somatoforme Schmerzstörung sei ebenfalls sehr häufig
mit einer depressiven Entwicklung vergesellschaftet. Aus psychosomatischer Sicht sei die Arbeitsfähigkeit des Untersuchten in der bisherigen Tätigkeit stark eingeschränkt. Auf Nachfrage hin präzisierte er, die Arbeitsunfähigkeit betrage hier 85 % - 90 %; eine berufliche Tätigkeit sei nur in einem geschützten Rahmen und mit reduzierter Produktivitätserwartung möglich, dabei betrage die Arbeitsunfähigkeit 50 % - 60 % (Schreiben Dr. med. E.________ vom 13. Mai 2005).
4.
4.1 Die Diagnose eines psychischen Leidens begründet für sich alleine noch keine rechtserhebliche Arbeitsunfähigkeit. Entscheidend ist, ob die diagnostizierte Störung mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar wäre (BGE 131 V 50 Erw. 1.2). Die vom Gutachter Dr. med. E.________ diagnostizierte depressive Störung ist nach dessen Aussage verursacht einerseits durch die somatoforme Schmerzstörung, andererseits durch die posttraumatische Belastungsstörung. Soweit die Depression im Zusammenhang mit der somatoformen Störung steht, stellt sie demnach kein verselbstständigtes Leiden im Sinne einer psychischen Komorbidität dar (siehe auch BGE 130 V 358 Erw. 3.3.1; Urteil D. vom 20. April 2006, I 805/04, Erw. 5.2.1). Als Komorbidität diagnostiziert Dr. med. E.________ die posttraumatische Belastungsstörung. Eine solche kann grundsätzlich eine relevante Komorbidität darstellen (Urteil M. vom 16. August 2006, I 647/05, Erw. 3.2.2).
4.2 Während gemäss der Beschwerdegegnerin auf die Umschreibung in ICD-10 F43.1 abzustellen ist, wonach die posttraumatische Belastungsstörung eine besonders schwere Belastung voraussetzt, stellt Dr. med. E.________ auf das Klassifikationssystem DSM-IV-TR ab, dessen Kriterien seines Erachtens präziser sind. Dabei anerkennt er auch weniger einschränkende Formulierungen des Belastungskriteriums, und damit auch Ereignisse, die keine aussergewöhnliche Katastrophe darstellen, dennoch aber im Erleben des Patienten eine Traumatisierung auslösen können. Ein solcher Ansatz mag therapeutisch sinnvoll sein, aber für die Frage des Anspruchs auf Leistungen der Invalidenversicherung, welche zwangsläufig eine gewisse Objektivierung verlangt, kann ein derart ausschliesslich subjektives Empfinden nicht massgebend sein (BGE 127 V 298 Erw. 4c). Von der Gutachtersituation her ist zudem zu beachten, dass dieser Experte offenbar von der deutschen Praxis her kommt, welche anderen Kriterien folgt als die schweizerische (Meyer-Blaser, Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in der Sozialversicherung, namentlich für den Einkommensvergleich in der Invaliditätsbemessung, in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], Schmerz und Arbeitsunfähigkeit,
St. Gallen 2003, S. 79 f.).
4.3 Dies erklärt den unterschiedlichen Ansatz der Gutachten des ABQ und des Spitals Z.________. Im Übrigen setzt auch die Diagnose nach DSM-IV 309.81 bei einer posttraumatischen Belastungsstörung einen extremen Belastungsfaktor voraus. Ein solches Ereignis lag hier nicht vor. Die medizinische Behandlung, welche nach Aussagen des Beschwerdeführers die Störung auslöste, war eine Routinetätigkeit (Schmerzspritze im Beckenbereich). Die Kriegserlebnisse - der Beschwerdeführer war nicht in direkte Kampfhandlungen involviert - waren vergleichbar mit denjenigen vieler Soldaten im Kriegseinsatz. Sie sind im Wesentlichen auch nur fremdanamnestisch thematisiert worden. Zudem lagen sie mehr als zehn Jahre zurück, die Störung müsste jedoch in der Regel innert etwa sechs Monaten nach den Erlebnissen auftreten (Urteil B. vom 27. Januar 2006, I 715/05, Erw. 6.2).
4.4 Ob unter diesen Umständen die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-IV mit Recht gestellt ist, nachdem das Gutachten Dr. med. E.________ selber erklärterweise auf das subjektive Ausmass des Bedrohungserlebens abstellt und nicht auf das Vorliegen eines extremen Belastungsfaktors, kann jedoch offen bleiben. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat jedenfalls in seiner bisherigen Rechtsprechung auf die Kriterien nach ICD-10 abgestellt und eine invalidisierende posttraumatische Belastungsstörung nur anerkannt, wenn sie nach einem traumatisierenden Ereignis von aussergewöhnlicher Schwere auftritt (Urteile Z. vom 12. September 2006, U 422/05, Erw. 4.1; B. vom 15. März 2006, U 213/04, Erw. 4.2; P. vom 2. Februar 2006, U 381/04, Erw. 3.2; B. vom 27. Januar 2006, I 715/05, Erw. 6.2; ebenso Meyer-Blaser, a.a.O., S. 67), wie zum Beispiel nach Vergewaltigung (Urteil S. vom 20. Oktober 2006, U 193/06) oder mehrmonatiger Lagerhaft (Urteil H. vom 6. April 2006, I 803/05), nicht aber zum Beispiel nach Verkehrsunfall (Urteile Z. vom 12. September 2006, U 422/05; B. vom 15. März 2006, U 213/04; B. vom 9. November 2004, U 381/04).
4.5 Es kommt hinzu, dass eine diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung nicht per se invalidisierend ist (Urteil G. vom 20. April 2006, I 696/05, Erw. 3.2.2), sondern dargelegt sein muss, inwiefern sie nicht durch zumutbare Willensanstrengung überwindbar sein soll. Dr. med. E.________ äussert sich in seiner Expertise dazu nicht. Weitere Kriterien gemäss BGE 130 V 358 f. Erw. 3.3.2 sind nicht erfüllt: So bestehen beim Beschwerdeführer keine objektivierbaren chronischen körperlichen Begleiterscheinungen; eine therapeutisch nicht mehr angehbare Konfliktbewältigung wird auch von Dr. med. E.________ nicht erkannt, und die psychische Belastung ist nach dessen Beurteilung grundsätzlich durch Therapie besserungsfähig, wobei jedoch eine konsequente Therapie bisher nicht durchgeführt worden ist; ein ausgewiesener sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens liegt nicht vor, nachdem der Beschwerdeführer eine intakte Partnerschaft lebt und ausgedehnte soziale Kontakte pflegt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 28. Dezember 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : I_203/06
Datum : 28. Dezember 2006
Publiziert : 15. Januar 2007
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Invalidenversicherung
Gegenstand : Invalidenversicherung


Gesetzesregister
ATSG: 6 
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 6 Arbeitsunfähigkeit - Arbeitsunfähigkeit ist die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte, volle oder teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten.9 Bei langer Dauer wird auch die zumutbare Tätigkeit in einem anderen Beruf oder Aufgabenbereich berücksichtigt.
7 
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 7 Erwerbsunfähigkeit - 1 Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt.
1    Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt.
2    Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist.11
8 
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 8 Invalidität - 1 Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
1    Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
2    Nicht erwerbstätige Minderjährige gelten als invalid, wenn die Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit voraussichtlich eine ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird.12
3    Volljährige, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, gelten als invalid, wenn eine Unmöglichkeit vorliegt, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen. Artikel 7 Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar.13 14
16
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 16 Grad der Invalidität - Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre.
IVG: 4 
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 4 Invalidität - 1 Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
1    Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
2    Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat.48
28 
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 28 Grundsatz - 1 Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
1    Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
a  ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können;
b  während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG206) gewesen sind; und
c  nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (Art. 8 ATSG) sind.
1bis    Eine Rente nach Absatz 1 wird nicht zugesprochen, solange die Möglichkeiten zur Eingliederung im Sinne von Artikel 8 Absätze 1bis und 1ter nicht ausgeschöpft sind.207
2    ...208
29
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 29 Beginn des Anspruchs und Auszahlung der Rente - 1 Der Rentenanspruch entsteht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG217, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt.
1    Der Rentenanspruch entsteht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG217, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt.
2    Der Anspruch entsteht nicht, solange die versicherte Person ein Taggeld nach Artikel 22 beanspruchen kann.
3    Die Rente wird vom Beginn des Monats an ausbezahlt, in dem der Rentenanspruch entsteht.
4    Beträgt der Invaliditätsgrad weniger als 50 Prozent, so werden die entsprechenden Renten nur an Versicherte ausbezahlt, die ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz haben. Diese Voraussetzung ist auch von Angehörigen zu erfüllen, für die eine Leistung beansprucht wird.
OG: 104  105  132
BGE Register
125-V-256 • 125-V-351 • 127-V-294 • 130-V-352 • 131-V-49
Weitere Urteile ab 2000
I_203/06 • I_647/05 • I_696/05 • I_715/05 • I_803/05 • I_805/04 • U_193/06 • U_213/04 • U_381/04 • U_422/05
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