[AZA 7]
I 181/00 Tr

III. Kammer

Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
Gerichtsschreiberin Fleischanderl

Urteil vom 28. März 2001

in Sachen
Bundesamt für Sozialversicherung, Bern, Beschwerdeführer,

gegen
N.________, 1989, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Gsell, Schanzeneggstrasse 1, Zürich,

und
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, St. Gallen

A.- Die am 7. September 1989 geborene N.________, kroatische Staatsangehörige, reiste am 12. April 1993 in die Schweiz ein. Am 26. April 1993 erlitt sie einen Ertrinkungsunfall mit hypoxischer Hirnschädigung. Seither leidet sie an einer beinbetonten, spastisch ataktischen zerebralen Bewegungsstörung, an einer Dysarthrie und motorischen Aphasie sowie an einem allgemeinen Entwicklungsrückstand. Nach Abschluss der primären medizinischen Versorgung hielt sie sich vom 15. Juni 1993 bis 14. Juli 1995 im Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche des Spitals X.________ auf. Mit in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 16. September 1993 wies die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen ein Gesuch um medizinische Massnahmen ab, da die versicherungsmässigen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Am 21. August 1995 trat N.________ in die Sonderschule der Stiftung B.________ für Vorschule und Therapie für CP-Kinder in ein. Mit - ebenfalls unangefochten gebliebenen - Verfügungen vom 26. Juli 1995, 6. Mai und 5. September 1996 sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen mit Wirkung ab
21. August 1995 Sonderschulbeiträge sowie die Vergütung der vollen Transportkosten zu.
Mit Wiedererwägungsverfügung vom 26. September 1997 hob die IV-Stelle die Verwaltungsakte vom 6. Mai und
5. September 1996 auf, da die Anspruchsvoraussetzungen für Sonderschulmassnahmen nicht gegeben seien.

B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen gut (Entscheid vom 14. Februar 2000).

C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
Während N.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, beantragt die IV-Stelle deren Gutheissung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.- Das kantonale Gericht hat die vorliegend massgebende staatsvertragliche Bestimmung über die versicherungsmässigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen der IV bei minderjährigen Kindern kroatischer Staatsangehörigkeit (Art. 8 lit. a Abs. 2 des für kroatische Staatsbürger bis Ende 1997 gültig gewesenen Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung vom 8. Juni 1962) zutreffend wiedergegeben.
Darauf kann verwiesen werden. Gleiches gilt für die dargelegte Rechtsprechung zur Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verwaltungsverfügungen (BGE 115 V 186; vgl. auch BGE 126 V 23 Erw. 4b, 46 Erw. 2b, 125 V 389 Erw. 3, je mit Hinweisen).

2.- a)Nach Art. 4 Abs. 1
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 4 Invalidité - 1 L'invalidité (art. 8 LPGA44) peut résulter d'une infirmité congénitale, d'une maladie ou d'un accident.45
1    L'invalidité (art. 8 LPGA44) peut résulter d'une infirmité congénitale, d'une maladie ou d'un accident.45
2    L'invalidité est réputée survenue dès qu'elle est, par sa nature et sa gravité, propre à ouvrir droit aux prestations entrant en considération.46
IVG gilt als Invalidität die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit.
Gemäss Art. 4 Abs. 2
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 4 Invalidité - 1 L'invalidité (art. 8 LPGA44) peut résulter d'une infirmité congénitale, d'une maladie ou d'un accident.45
1    L'invalidité (art. 8 LPGA44) peut résulter d'une infirmité congénitale, d'une maladie ou d'un accident.45
2    L'invalidité est réputée survenue dès qu'elle est, par sa nature et sa gravité, propre à ouvrir droit aux prestations entrant en considération.46
IVG gilt die Invalidität als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat. Nach der Rechtsprechung ist dieser Zeitpunkt objektiv auf Grund des Gesundheitszustandes festzustellen; zufällige externe Faktoren sind unerheblich (BGE 112 V 277 Erw. 1b mit Hinweis). Bei der Sonderschulung gilt der Versicherungsfall dann als eingetreten, wenn der Gesundheitsschaden eine solche Massnahme objektiv erstmals erfordert und - da die Sonderschulung ebenso wie die erstmalige berufliche Ausbildung nach Art. 16
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 16 Formation professionnelle initiale - 1 L'assuré qui a arrêté son choix professionnel, qui n'a pas encore eu d'activité lucrative et à qui sa formation professionnelle initiale occasionne, du fait de son invalidité, des frais beaucoup plus élevés qu'à une personne valide a droit au remboursement de ses frais supplémentaires si la formation répond à ses aptitudes.
1    L'assuré qui a arrêté son choix professionnel, qui n'a pas encore eu d'activité lucrative et à qui sa formation professionnelle initiale occasionne, du fait de son invalidité, des frais beaucoup plus élevés qu'à une personne valide a droit au remboursement de ses frais supplémentaires si la formation répond à ses aptitudes.
2    La formation professionnelle initiale doit si possible viser l'insertion professionnelle sur le marché primaire du travail et être mise en oeuvre sur ce marché.
3    Sont assimilés à la formation professionnelle initiale:
a  la formation dans une nouvelle profession pour les assurés qui, après la survenance de l'invalidité, ont entrepris de leur propre chef une activité professionnelle inadéquate qui ne saurait être raisonnablement poursuivie;
b  le perfectionnement dans le domaine professionnel de l'assuré ou dans un autre domaine, pour autant qu'il soit approprié et convenable, et qu'il permette, selon toute vraisemblance, de maintenir ou d'améliorer la capacité de gain de l'assuré, à l'exception du perfectionnement dispensé dans les organisations visées à l'art. 74; il peut être dérogé à cette exception dans des cas dûment motivés définis par l'OFAS;
c  la préparation à un travail auxiliaire ou à une activité en atelier protégé.
4    Le Conseil fédéral peut fixer les conditions d'octroi des mesures visées à l'al. 3, let. c, à savoir leur nature, leur durée et leur étendue.
IVG nicht in jedem beliebigen Alter durchgeführt werden kann - der Versicherte auch die altersmässigen Voraussetzungen hiefür erfüllt (BGE 105 V 60 f. Erw. 2a).

b) Die Massnahmen im Vorschulalter (Art. 19 Abs. 3
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 19
IVG in Verbindung mit Art. 12
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 19
IVV in der bis Ende 1996 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung) und die spätere Sonderschulung während der obligatorischen Schulpflicht (Art. 19 Abs. 1
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 19
IVG in Verbindung mit Art. 8
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 19
IVV in der bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung) bilden insofern eine Einheit, als grundsätzlich die gleichen Leistungen zur Ausrichtung gelangen. Die Sonderschulmassnahmen stellen ohne Rücksicht auf die Altersstufe ein einheitliches, sich ergänzendes Massnahmenbündel mit im Wesentlichen gleicher Zielsetzung dar. Tritt die Invalidität in Bezug auf die Sonderschulung bereits im Vorschulalter ein, so löst der Übertritt in die Sonderschule bei Erreichen des entsprechenden Alters keinen neuen Versicherungsfall aus (BGE 112 V 279 Erw. 3b, 105 V 62; AHI 1998 S. 203 Erw. 3a mit Hinweisen).

Die Verordnung über die Invalidenversicherung schliesst gemäss der auf den 1. Januar 1997 geänderten Fassung den Unterricht auf der Kindergartenstufe denn auch in den Sonderschulunterricht ein (Art. 8 Abs. 2
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 19
IVV).

3.- a) Unbestrittenermassen erfüllte die Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die Übernahme von medizinischen Massnahmen die versicherungsmässigen (zeitlichen) Voraussetzungen (ein Jahr Aufenthalt in der Schweiz vor Eintritt der Invalidität) nicht, da sie erst am 12. April 1993 in die Schweiz eingereist war (Verfügung der Ausgleichskasse vom 16. September 1993). Ebenso steht fest, dass Art und Schwere des Leidens an sich einen Anspruch auf Sonderschulung begründen würden. Hingegen ist streitig, wann der Versicherungsfall mit Bezug auf die entsprechenden Massnahmen eingetreten ist.

b) Gemäss Berichten des Rehabilitationszentrums für Kinder und Jugendliche, Affoltern am Albis, vom 27. Dezember 1994 und 28. Februar 1995 besuchte die Beschwerdegegnerin im Rahmen der stationären Rehabilitation mit medizinischer und pflegerischer Betreuung den internen Sonderschulkindergarten, wo sie speziell in den Bereichen Sozialverhalten, Grob- und Feinmotorik sowie Kommunikation gefördert wurde. Ausserdem absolvierte sie eine intensivePhysio- sowie Ergotherapie und unterzog sich logopädischen Massnahmen.
c) Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass bereits während des Aufenthaltes im Rehabilitationszentrum neben medizinischen Massnahmen zusätzlich Sonderschulunterricht sowie pädagogisch-therapeutische Vorkehren in Form von Logopädieunterricht durchgeführt wurden. Objektiv betrachtet waren Sonderschulmassnahmen im Sinne heilpädagogischer Frühförderungsmassnahmen demnach - auch hinsichtlich der altersmässigen Voraussetzungen - bereits ab Mitte Juni 1993 (Eintritt in das Rehabilitationszentrum) indiziert und die Invalidität, die eine Sonderschulung nötig machte, somit schon im Vorschulalter eingetreten. Diese Beurteilung wird bestätigt durch die Aussage des Dr. med.
K.________, Leitender Arzt des Rehabilitationszentrums, wonach Frühförderungsmassnahmen einen wesentlichen Teil des Rehabilitationsprogrammes bei Kleinkindern darstellten und diese bei der Beschwerdegegnerin ab 16. Juni 1993 möglich gewesen seien (Bericht vom 29. Juli 1997). Den Erwägungen der Vorinstanz, gemäss welchen der Eintritt der Sonderschulbedürftigkeit erst auf Herbst 1994 festzulegen ist, kann daher nicht gefolgt werden. Da auch der Übertritt in die Stiftung B.________ für Vorschule und Therapie für CP-Kinder vom 21. August 1995 - wie erwähnt (Erw. 2b hievor) - keinen neuen Versicherungsfall auszulösen vermag, zumal durch diese Einschulung u.a. auch im logopädischen Bereich die Kontinuität ausdrücklich gewährleistete werden sollte (Bericht der Dres. med. T.________ und S.________ des Rehabilitationszentrums vom 14. Juli 1995), müssen die versicherungsmässigen Voraussetzungen bereits Mitte 1993 erfüllt gewesen sein. Dies ist vorliegend indessen klarerweise nicht der Fall. Der Beschwerdegegnerin steht daher kein Anspruch auf Sonderschulmassnahmen zu. Die Verfügungen vom 6. Mai und 5. September 1996 erweisen sich mithin als zweifellos unrichtig und durften mit Blick auf die erhebliche Bedeutung ihrer Berichtigung für die
Zukunft in Wiedererwägung gezogen werden.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons
St. Gallen vom 14. Februar 2000 aufgehoben.

II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und der IV-Stelle des Kantons St. Gallen zugestellt.

Luzern, 28. März 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:

Die Gerichtsschreiberin:
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : I 181/00
Date : 28 mars 2001
Publié : 28 mars 2001
Source : Tribunal fédéral
Statut : Non publié
Domaine : Assurance-invalidité
Objet : [AZA 7] I 181/00 Tr III. Kammer Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin


Répertoire des lois
LAI: 4 
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 4 Invalidité - 1 L'invalidité (art. 8 LPGA44) peut résulter d'une infirmité congénitale, d'une maladie ou d'un accident.45
1    L'invalidité (art. 8 LPGA44) peut résulter d'une infirmité congénitale, d'une maladie ou d'un accident.45
2    L'invalidité est réputée survenue dès qu'elle est, par sa nature et sa gravité, propre à ouvrir droit aux prestations entrant en considération.46
16 
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 16 Formation professionnelle initiale - 1 L'assuré qui a arrêté son choix professionnel, qui n'a pas encore eu d'activité lucrative et à qui sa formation professionnelle initiale occasionne, du fait de son invalidité, des frais beaucoup plus élevés qu'à une personne valide a droit au remboursement de ses frais supplémentaires si la formation répond à ses aptitudes.
1    L'assuré qui a arrêté son choix professionnel, qui n'a pas encore eu d'activité lucrative et à qui sa formation professionnelle initiale occasionne, du fait de son invalidité, des frais beaucoup plus élevés qu'à une personne valide a droit au remboursement de ses frais supplémentaires si la formation répond à ses aptitudes.
2    La formation professionnelle initiale doit si possible viser l'insertion professionnelle sur le marché primaire du travail et être mise en oeuvre sur ce marché.
3    Sont assimilés à la formation professionnelle initiale:
a  la formation dans une nouvelle profession pour les assurés qui, après la survenance de l'invalidité, ont entrepris de leur propre chef une activité professionnelle inadéquate qui ne saurait être raisonnablement poursuivie;
b  le perfectionnement dans le domaine professionnel de l'assuré ou dans un autre domaine, pour autant qu'il soit approprié et convenable, et qu'il permette, selon toute vraisemblance, de maintenir ou d'améliorer la capacité de gain de l'assuré, à l'exception du perfectionnement dispensé dans les organisations visées à l'art. 74; il peut être dérogé à cette exception dans des cas dûment motivés définis par l'OFAS;
c  la préparation à un travail auxiliaire ou à une activité en atelier protégé.
4    Le Conseil fédéral peut fixer les conditions d'octroi des mesures visées à l'al. 3, let. c, à savoir leur nature, leur durée et leur étendue.
19
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 19
RAI: 8  12
Répertoire ATF
105-V-58 • 112-V-275 • 115-V-183 • 125-V-383 • 126-V-23
Weitere Urteile ab 2000
I_181/00
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
1995 • office ai • cas d'assurance • croate • tribunal des assurances • thérapie • décision • fondation • autorité inférieure • office fédéral des assurances sociales • décision • tribunal fédéral des assurances • règlement sur l'assurance-invalidité • importance notable • enfant • durée • adolescent • fin • motivation de la décision • condition du droit à la prestation d'assurance
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VSI
1998 S.203