Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2A.147/2002 /zga

Urteil vom 27. Juni 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merkli,
Gerichtsschreiberin Müller.

A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Till Gontersweiler, Neumarkt 6, Haus zum Steinberg, Postfach 543, 8025 Zürich,

gegen

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern.

Abgabe eines Ersatzreisepapiers für schriftenlose Ausländer (RPAV)

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid
des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements
vom 19. Februar 2002

Sachverhalt:
A.
Der aus Rumänien stammende, am ***1948 geborene A.________ reiste im Januar 1986 zusammen mit seinen Töchtern B.________ (geb. ***1970) und C.________ (geb.***1967) in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Am 18. April zog C.________ ihr Asylgesuch zurück und kehrte anschliessend nach Rumänien zurück. Mit Verfügung vom 24. April 1986 lehnte der (damals zuständige) Delegierte für das Flüchtlingswesen das Asylgesuch ab und wies A.________ und seine Tochter B.________ aus der Schweiz weg. Da der Vollzug der Wegweisung damals nicht durchführbar war, gewährte der Delegierte für das Flüchtlingswesen A.________ und der Tochter B.________ am 31. Januar 1989 die vorläufige Aufnahme. Am 26. August 1993 hob das Bundesamt für Flüchtlinge die vorläufige Aufnahme von A.________ auf. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit Entscheid vom 11. März 1994 ab. A.________ verliess indessen die Schweiz nicht, sondern hielt sich weiterhin im Kanton Zürich auf.

Die Ehefrau von A.________, D.________ (geb.***1951), reiste erstmals am 11. Oktober 1986 mit ihren fünf jüngeren Kindern E.________ (geb.***1972), F.________ (geb.***1974), G.________ (geb.***1977), H.________ (geb. ***1980) und I.________ (geb.***1984) in die Schweiz ein. Am 24. Oktober 1986 verhängte die Fremdenpolizei des Kantons Zürich über die Ehefrau und die fünf Kinder eine Einreisesperre von zwei Jahren; noch gleichentags wurden sie den österreichischen Behörden übergeben.

Am 8. Oktober 1988 reiste D.________ wiederum mit den fünf jüngeren Kindern in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Mit Verfügung vom 21. Mai 1990 lehnte der Delegierte für das Flüchtlingswesen das Gesuch ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit Entscheid vom 23. September 1991 ab. Mit Verfügung vom 7. September 1992 trat das Bundesamt für Flüchtlinge auf ein Wiedererwägungsgesuch von D.________ und den fünf jüngeren Kindern nicht ein; die dagegen erhobene Beschwerde wies die Schweizerische Asylrekurskommission mit Entscheid vom 24. Mai 1993 ab.

Am 23. Oktober 1998 verfügte das Bundesamt für Flüchtlinge die vorläufige Aufnahme von A.________, dessen Ehefrau, des Sohnes I.________, der Tochter F.________ mit ihrer am ***1994 geborenen Tochter K.________ sowie der Tochter H.________.

B.
Am 7. Juni 1999 ersuchte A.________ das Bundesamt für Flüchtlinge um Ausstellung eines Reisepapiers, damit er an der Beerdigung seines Schwagers in Rumänien teilnehmen könne. Das Bundesamt lehnte das Gesuch mit Verfügung vom 16. Juni 1999 ab. Dagegen erhob A.________ am 19. Juli 1999 Beschwerde beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement. Er beantragte einen Identitätsausweis für sich sowie die Ehefrau und die unmündigen Kinder. Mit Entscheid vom 19. Februar 2002 wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Dagegen hat A.________ mit Eingabe vom 22. März 2002 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Er beantragt, den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements aufzuheben und ihm ein schweizerisches Reisepapier für schriftenlose Ausländer abzugeben.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt.

Die Verweigerung eines Reisepapiers für schriftenlose Ausländer fällt nicht unter diesen Ausschlussgrund, da ein solches Reisepapier keinen Anwesenheitsstatus in der Schweiz regelt und - falls überhaupt - nur teilweise Bewilligungscharakter aufweist (Urteil des Bundesgerichts vom 14. Juni 2002 [2A.56/2002], mit Hinweisen).
1.2 Der Beschwerdeführer möchte insbesondere aus beruflichen Gründen ins Ausland reisen, was ihm ohne ein Reisepapier nicht möglich ist. Er hat daher ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und ist damit zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (vgl. Art. 103 lit. a OG).

Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit einzutreten.
1.3 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann vorliegend die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG), nicht jedoch Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 104 lit. c OG) gerügt werden. Da hier nicht eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat, ist das Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung nicht gebunden (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG).
1.4 Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Amtes wegen an, ohne an die Begründung der Parteibegehren gebunden zu sein (Art. 114 Abs. 1 in fine OG). Es kann die Beschwerde daher aus andern als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den Entscheid mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (BGE 121 II 473 E. 1b S. 477; 117 Ib 114 E. 4a S. 117, mit Hinweis).
2.
2.1 Der Beschwerdeführer ersuchte am 7. Juni 1999 um ein Reisepapier für eine Reise nach Rumänien. Am 1. Oktober 1999 trat die bundesrätliche Verordnung über die Abgabe von Reisepapieren an ausländische Personen (RPAV; SR 143.5) in Kraft. Sie ersetzt jene vom 9. März 1987 über Reisepapiere für schriftenlose Ausländer (AS 1987 538, 1990 1585, 1995 5048, 1996 1230). Die RPAV enthält keine übergangsrechtlichen Bestimmungen.

Die Vorinstanz hat die durch das Bundesamt für Flüchtlinge verfügte Verweigerung eines Identitätsausweises nach Massgabe der neuen Verordnung beurteilt.

Die Behandlung der Beschwerde nach neuem Recht durch die Vorinstanz ist nicht zu beanstanden; entsprechend ist auch für das Verfahren vor Bundesgericht auf die neue Verordnung abzustellen.
2.2 Der Beschwerdeführer hat in seiner Eingabe an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ein Reisepapier nicht nur für sich, sondern auch für seine Frau und die unmündigen Kinder verlangt. Soweit diese betreffend, ist das Departement auf die Beschwerde nicht eingetreten, da die Erteilung eines Papiers an die Familienangehörigen weder Gegenstand des Gesuchs vom 7. Juni 1999 noch der Verfügung des Bundesamts gewesen war.

Diesen Nichteintretensentscheid ficht der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht an; er beschränkt vielmehr sein Rechtsbegehren auf die Erteilung eines Reisepapiers an ihn selbst. Es ist daher nur noch zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer zu Unrecht ein Reisepapier verweigert worden ist.
3.
3.1 Gemäss Art. 3 RPAV hat eine durch das Bundesamt anerkannte staatenlose Person nach dem Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (SR 0.142.40) Anspruch auf einen Pass für eine ausländische Person.

Das Bundesamt für Flüchtlinge hat den Beschwerdeführer bisher nicht als staatenlos anerkannt; dies zu Recht:

Der Beschwerdeführer hat am ***1988 bei der rumänischen Botschaft in Bern um seine Entlassung aus der rumänischen Staatsbürgerschaft ersucht; diesem Gesuch entsprachen die rumänischen Behörden mit dem Dekret Nr. 180 vom ***1990. Ein Gesuch um Wiedereinbürgerung hat er zurückgezogen; seither hat er - soweit aus den Akten ersichtlich - nichts mehr unternommen, um wieder eingebürgert zu werden.

Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung fallen Personen, die ihre Staatsbürgerschaft freiwillig aufgegeben haben oder sich ohne triftige Gründe weigern, diese wieder zu erwerben, obwohl sie die Möglichkeit dazu hätten, nicht unter das Staatenlosen-Übereinkommen (Urteile vom 4. Juli 1994 [2A.373/1993] E. 2, und vom 3. Oktober 1996 [2A.65/1996], publiziert in VPB 61/1997 Nr. 74, E. 3c).

Der Beschwerdeführer wurde auf eigenes Begehren aus der rumänischen Staatsbürgerschaft entlassen. Ob er damals aufgrund der politischen Situation quasi zu diesem Schritt "gezwungen" wurde, wie er geltend macht, braucht nicht näher geprüft zu werden; massgebend ist im vorliegenden Fall, dass er die rumänische Staatsbürgerschaft, wie die Vorinstanz darlegt und der Beschwerdeführer nicht bestreitet, heute wieder erlangen könnte. Da sich der Beschwerdeführer bis heute - ohne erkennbare triftige Gründe - weigert, die rumänische Staatsbürgerschaft wieder zu erlangen, kann er nach dem Gesagten nicht als staatenlos gelten; er hat damit keinen Anspruch auf einen Pass für eine ausländische Person im Sinne von Art. 3 RPAV.
4.
4.1 Gemäss Art. 4 RPAV kann das Bundesamt für Flüchtlinge Schutzbedürftigen, vorläufig Aufgenommenen und Asylsuchenden einen Identitätsausweis abgeben, wenn diese Personen schriftenlos sind. Eine ausländische Person gilt nach Art. 6 Abs. 1 RPAV als schriftenlos, wenn sie keine gültigen heimatlichen Reisepapiere besitzt und ihr nicht zugemutet werden kann, sich bei den zuständigen Behörden ihres Heimat- oder Herkunftsstaates um die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepapiers zu bemühen.
4.2 Wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, ist es dem Beschwerdeführer zumutbar, sich um die Wiedererlangung der rumänischen Staatsbürgerschaft zu bemühen. Dafür, dass ihm diese nicht wieder zuerkannt würde, bestehen zurzeit keine Anhaltspunkte. Als rumänischer Bürger hätte er entsprechend Anspruch auf einen rumänischen Pass. Er kann daher nicht als schriftenlos im Sinne von Art. 6 RPAV gelten; entsprechend kann ihm kein Identitätsausweis im Sinne von Art. 4 PRAV abgegeben werden.
5.
5.1 Gemäss Art. 5 Abs. 1 RPAV kann das Bundesamt einer ausländischen Person ein Reiseersatzdokument ausstellen, wenn sie das Dokument für die Ausreise aus der Schweiz und die Einreise in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat benötigt, kein anderes Reisepapier besitzt und ein anderes Dokument für die fristgemässe Ausreise nicht oder nicht mehr erlangen kann. Das Dokument ist jeweils nur für eine einmalige Aus-, Rück- oder Einreise gültig (Art. 5 Abs. 3 RPAV).

Wie aus dem Rechtsbegehren des Beschwerdeführers, insbesondere aber dessen Argumentation hervorgeht, verlangt er ein Reisepapier, das ihm regelmässige berufliche Transportfahrten ins Ausland ermöglichen würde, und nicht ein Dokument für eine ganz bestimmte, einmalige Reise. Es ist daher - mangels entsprechendem Antrag - nicht weiter zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer ein solches Dokument erteilt werden könnte. Es ist ihm aber unbenommen, für eine bestimmte, konkret geplante Reise beim Bundesamt für Flüchtlinge um ein Dokument gemäss Art. 5 RPAV zu ersuchen.
6.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Juni 2002
Im Namen der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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Document : 2A.147/2002
Date : 27 juin 2002
Publié : 16 juillet 2002
Source : Tribunal fédéral
Statut : Non publié
Domaine : Droit de cité et droit des étrangers
Objet : Tribunale federale Tribunal federal {T 0/2} 2A.147/2002 /zga Urteil vom 27. Juni


Répertoire des lois
: 3  4  5  6
OJ: 100  103  104  105  114  153  153a  156
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